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Rechter Terror: Was den Verdächtigen aus Spangenberg mit dem Attentäter von Halle verbindet

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Von: Katja Thorwarth

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Stephan B., der rechtsradikale Attentäter von Halle, bei seinem Prozess in Magdeburg. (Archivbild)
Stephan B. (m.), der rechtsradikale Attentäter von Halle, bei seinem Prozess in Magdeburg. (Archivbild) © ArcheoPix/imago

In Nordhessen steht ein 20-Jähriger wegen rechtsextremen Terrors unter Verdacht. Extremismusexperte Siebert erklärt, welche Verbindungen es zum Halle-Attentäter gibt.

Im nordhessischen Spangenberg ist ein 20-Jähriger wegen Verdachts staatsgefährdender Straftaten verhaftet worden. Was wird dem Mann genau vorgeworfen?
Der Verfassungsschutz informierte Strafverfolgungsbehörden, dass sich der junge Spangenberger auf Englisch in Chats darüber informierte, wie er mit einem 3D-Drucker Schusswaffen herstellen könne. Er kündigte laut der Kasseler Staatsanwaltschaft an, sich die Schusswaffen sonst anders beschaffen zu wollen sowie diese aus einem rechtsextremen Motiv heraus auch einsetzen zu wollen. Daraufhin ließ die Staatsanwaltschaft seine Wohnung wegen eines möglichen Waffendelikts durchsuchen.

Was wurde gefunden?
Die Ermittler fanden bei ihm rund 600 selbstgebaute Kleinsprengkörper, sechs unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) und eine Art Manifest auf seiner Festplatte, in dem er sich gegen den Bestand der BRD wendet und zum totalen Rassenkrieg auffordert. Da er eine schweren staatsgefährdende Straftat, wie die Tat gegen das Leben, gegen die persönliche Freiheit oder eine Straftat, die geeignet ist, die Sicherheit eines Staates zu gefährden, beschuldigt wird, wurde er in Untersuchungshaft genommen. Die Ermittlungen wurden an die Frankfurter Staatsanwaltschaft abgegeben, da diese in Hessen für Terrorverfahren zuständig ist.

Rechter Terror: Terrorverdächtiger aus Spangenberg mit Parallelen zu Halle-Attentäter

Sehen Sie ein Muster zu anderen extrem rechten Straftaten im Terrorkontext?
Auch wenn bisher wenig bekannt ist, erinnert der Fall an den Attentäter von Halle. Auch dieser kommunizierte in englischsprachigen Foren und Chats und stellte mit seiner Tatankündigung ein Manifest und Bauanleitungen für seine von ihm bei seinem Anschlag verwendeten Schusswaffen online. Darunter auch welche mit Bauteilen aus dem 3D-Drucker. In diesem Online-Milieu bewegte sich auch Fabian D., Mitglied der Feuerkrieg Division, welcher vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat zu einer zweijährigen Haftstrafe mit anschließender Führungsaufsicht verurteilt wurde. In einem englischsprachigen Chat kündigte er einen Terroranschlag gegen eine Synagoge oder Moschee an. Laut des Vaters des Terrorverdächtigen von Spangenberg radikalisierte auch dieser sich in Nazi-Chats.

Zur Person

Roland Sieber, Jahrgang 1982, recherchiert als Autor und freier Journalist zu politischen Bewegungen, Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Rassismus im Netz. Er publizierte zur medialen Inszenierung und Selbstinszenierung der extrem Rechten sowie zur selbsternannten „Identitären Bewegung“, der AfD, Reichsbürgen, Verschwörungsszene und Neonazis sowie zu Rechtsterrorismus. Zuletzt mit einem Beitrag zum „Virtuell vernetzter Rechtsterrorismus rund um den Globus“ im Sammelband „Rechte Egoshooter: Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat“ in einer aktualisierten Auflage der Bundeszentrale für politische Bildung 2020.

Kann man diese Leute als extrem rechte Einzelkämpfer bezeichnen oder existiert eine verbindende Struktur?
Der Vater des Terrorverdächtigen erzählte dem Hessischen Rundfunk im Interview, dass sein Sohn durch die Chats mit Nazis nicht mehr so richtig gemerkt habe, was Realität und was Scheinwelt sei. Die Chatteilnehmer sind mit einem Wolfsrudel vergleichbar, welche gemeinsam Feindbilder und mögliche Ziele markieren. Vielleicht wurden in diesen Chats auch über die Waffenbeschaffung, die Bombenbauanleitungen sowie über Terroranschläge gesprochen, wie es auch in den Foren und Chats des Attentäters von Halle sowie der Feuerkrieg Division üblich war. Sogenannte „Einsame Wölfe“ führen dann den Willen des neonazistischen Wolfsrudels aus.

Rechtsterroristische Attentäter bereiten Terrorpropaganda jugendgerecht auf

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein?
Attentäter wie von Christchurch und Halle versuchen mit ihren Taten auch immer weitere Täter zu Anschlägen zu motivieren, u.a. durch ihre Livestreams und Manifeste. In der internationalen akzelerationistisch-rechtsterroristischen Szene werden diese als „Heilige“ des angeblichen weltweiten Rassenkriegs verehrt. Die Feuerkrieg Division und The Base rufen zu Terroranschlägen auf. Terrorpropaganda wird jugendgerecht mit Memes, Videos und Musik über Chats von Computerspielen, Foren für Comics und Animes, Messengern und Sozialen Netzwerken verbreitet.

Akzelerationistisch-rechtsterroristischen Szene?
Rechtsextreme Akzelerationisten wollen mit Gewalt und Terror alle demokratischen Länder weltweit in einen rassistischen Bürgerkrieg zwingen und diesen gewinnen.

Also besteht eine konkrete Terrorgefahr?
Auch in Deutschland müssen wir mit minderjährigen Tätern aus diesen Online-Milieus rechnen. Auch der Attentäter von Hanau kam aus einer internationalen englischsprachigen Verschwörungsszene und richtete seine Videos und Pamphlete an diese. Zudem gibt es in Hessen immer noch eine neonazistische Kameradschaftsszene, aus der auch der NSU und der Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke kam. (Interview: Katja Thorwarth)

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