„Schlechte News für Putin“: Experte ist sich nach überraschender Georgien-Wende sicher
Die georgische Regierung zieht ein umstrittenes „Agenten-Gesetz“ zurück. Kremlchef Putin kann das überhaupt nicht schmecken, sagt der Politologe Emil Aslan.
Prag – Das „Agenten-Gesetz“ in Georgien ist gekippt: Eigentlich wollte die Regierung aus dem Ausland mitfinanzierte Medien und NGOs als „ausländische Agenten“ einstufen. Kritiker beklagten, der Gesetzentwurf sei nach russischem Vorbild ausgearbeitet und ebne den Weg für eine autoritäre Ausrichtung des Landes. Auf teils heftige Proteste folgte nun die Kehrtwende.
„Das sind schlechte News für Kremlchef Wladimir Putin und gute News für alle westlich orientierten Menschen – und auch für die Ukraine“, erklärte der in Prag lehrende Politologe Emil Aslan dazu IPPEN.MEDIA. „Jede ehemalige Sowjetrepublik, die politisch nicht den Fußstapfen Russlands folgt, bedeutet gute Nachrichten. Ein Georgien, das sich vom Westen entfernt, könnte nicht-demokratische Kräfte in der Region stärken, was dort wiederum die Rückendeckung für die Ukraine schwächen würde.“
Putin „hat kaum Zeit“ für die Region – aber Georgien „extrem wichtig“ für Kremlchef
Überdies habe Kiew nicht wenige Unterstützer in Georgien, „die als Freiwillige im Ukraine-Krieg kämpfen“, sagte Aslan – er schränkte aber ein: „Viele Einwohner fühlen sich zwiegespalten. Einerseits ist Georgien christlich geprägt, und daher fühlen sie sich als Teil Europas; andererseits sind viele gesellschaftlich – zum Beispiel in Bezug auf sexuelle Orientierung – sehr konservativ. Die Georgier wollen im Prinzip beides gleichzeitig.“
Ob die jüngsten Entwicklungen den Kremlchef lange beschäftigen? „Putin hat nach dem russischen Überfall auf die Ukraine kaum Zeit für die südkaukasische Region“, schätzte Aslan. „Dennoch ist Georgien extrem wichtig für Moskau, und zwar als Symbol für die Annäherung der Ex-Sowjetrepubliken an den Westen – eine Entwicklung, die Putin und sein Dunstkreis verachten.“

Experte über Iwanischwili in Georgien: „Würde ihn mit Orbán und Erdoğan vergleichen“
In Georgien, dem Geburtsland des Diktators Josef Stalin, ist 70 Jahre nach Stalins Tod die offizielle Erinnerungskultur weitgehend unkritisch. Erst unter dem prowestlichen Micheil Saakaschwili, ab 2004 Präsident des Landes, verschwanden per Gesetz Stalin-Statuen aus dem öffentlichen Raum.
Doch 2012 übernahm die Oppositionspartei Georgischer Traum die Regierung und ließ die Pläne fallen. Sie gilt als kremlnah und als Machtwerkzeug des Parteigründers und Oligarchen Bidsina Iwanischwili, der sein Vermögen in Russland gemacht hat. Die Regierung soll die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen im Land behindern. „Er hat die georgische Gesellschaft gespalten. Ich würde ihn mit Viktor Orbán und Recep Tayyip Erdoğan vergleichen. Er hat viele liberale Errungenschaften seines Vorgängers wieder geschmälert“, sagt Aslan.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fürchtet unterdessen um das Leben Saakaschwilis, der in seiner Heimat inhaftiert ist. Saakaschwili, der die ukrainische Staatsbürgerschaft hat, werde in Georgien „langsam getötet“, schrieb Selenskyj am 1. Februar auf Twitter.
Georgien in die EU und Nato? Einwohner laut Umfragen dafür
Die kleine frühere Sowjetrepublik Georgien strebt eigentlich den Beitritt zu EU und Nato an. In jüngster Zeit nährten aber mehrere Maßnahmen der Regierung Befürchtungen, das Land könne sich unter Regierungschef Irakli Garibaschwili Russland zuwenden.
Georgien hatte wenige Tage nach Beginn des Ukraine-Kriegs zusammen mit der Ukraine und Moldau einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Inzwischen haben die beiden anderen Länder offiziellen Kandidatenstatus – von der Regierung in Tiflis werden als Bedingung eine Reihe von Reformen verlangt. Die Pläne, der Nato und der EU beizutreten, sind in der georgischen Verfassung verankert. Sie werden Umfragen zufolge von mindestens 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt. (frs)