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„Zermürbung“ gegen Putins „Pyrrhussieg“ – Neue Ukraine-Offensive im Frühling?

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Von: Tobias Utz

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Russland will abermals den Donbass im Osten der Ukraine „befreien“. Schwere Kämpfe toben.

Update vom Montag, 23. Januar, 11.45 Uhr: Im Donbass toben weiterhin Kämpfe um die Stadt Bachmut. Internationale Beobachtende sprechen von einem Abnutzungskampf, der schwere Verluste bei beiden Kriegsparteien zur Folge hat. Dass die ukrainische Armee Bachmut nicht dem russischen Militär überlasst, halten die Fachleute des Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW) für eine „wahrscheinlich strategisch sinnvolle Maßnahme“ im Ukraine-Krieg. Die schnelle Einnahme Bachmuts durch Russland hätte einem Lagebericht zufolge wohl dazu geführt, dass die ukrainische Armee gezwungen gewesen wäre, „übereilte Verteidigungsstellungen in weniger günstigem Terrain aufzubauen“.

Ukraine-Krieg
Ein Panzer der ukrainischen Armee fährt durch Bachmut. © Nicolas Cleuet / Le Pictorium / Imago Images

Laut ISW-Angaben ist die ukrainische Armee bereits erprobt, was diese Strategie angeht. Eine „Zermürbungs“-Taktik habe sie unter anderem beim Kampf um die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk erfolgreich angewandt. Zwar habe Russland beide Städte nach monatelangem Kampf schließlich eingenommen. Dies habe allerdings das Invasionstempo enorm entschleunigt, was Zeit für weitere Vorbereitungen geschaffen habe, so die Fachleute.

Der Einschätzung des ISW widersprach hingegen ein ranghoher Vertreter der US-Regierung: Die ukrainische Armee solle sich lieber auf eine neue Offensive im Frühling vorbereiten, statt Bachmut mit hohen Verlusten zu verteidigen. Ähnliches prognostizierte das britische Verteidigungsministerium in einem Lagebericht: Russland sei im Donbass schlichtweg zahlenmäßig überlegen, die Einnahme von Bachmut sei deshalb nur eine Frage der Zeit.

Nächster „Pyrrhussieg“ für Putin? Ukrainisches Militär erleidet Verluste im Donbass

Update vom Freitag, 20. Januar, 14.45 Uhr: Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist einem Bericht des Spiegels zufolge alarmiert über die Verluste der ukrainischen Armee in der ostukrainischen Stadt Bachmut. Die ukrainische Armee verliere im Kampf gegen die russischen Truppen in Bachmut täglich eine dreistellige Zahl von Soldaten, berichtet das Nachrichtenmagazin unter Berufung auf ihm vorliegende Informationen. Die Einnahme von Bachmut durch die Russen hätte erhebliche Folgen, da sie Russland einen weiteren Vormarsch ermöglichen würde, warnte der BND. Die Informationen sind nicht auf unabhängige Weise prüfbar.

Update vom Donnerstag, 19. Januar, 13.44 Uhr: Nachdem die russische Armee die Bergbaustadt Soledar erobert hat, geht es nun offenbar um die Einkesselung der Stadt Bachmut. Doch dies gestaltet sich schwierig. Das ZDF berichtet, dass die ukrainischen Truppen durch einen geordneten Rückzug aus Soledar mittlerweile gut auf russische Bachmut-Angriffe vorbereitet sind.

Insbesondere die Straße M-03, die als wichtige Versorgungsroute gilt, könnte das Ziel der Luftwaffe werden. Dem Bericht nach ist diese jedoch durch das ukrainische Militär gesichert. Neben diesem Aspekt könnten die schweren Verluste aus der Schlacht um Soledar zum Problem für den Kreml werden. Mittlerweile mangelt es an gut ausgebildeter Infanterie, wie es im ZDF-Bericht weiter heißt.

Gleichzeitig kommt in Moskau offenbar Unruhe auf: Jewgeni Prigoschin, bekannt als Chef der Söldnergruppe „Wagner“, ist wohl verärgert über die Kommunikation des Kreml. Präsident Wladimir Putin lobte nach der Einnahme von Soledar im russischen Staatsfernsehen vor allem die eigenen Soldaten und ihren Heldenmut. Kein Wort verlor er hingegen über die „Wagner“-Söldner, die maßgeblich am russischen Erfolg im Donbass beteiligt waren.

Prigoschin reagierte auf die Kreml-Kommunikation mit eigener Propaganda. Aus einem Lagebericht des Thinktanks „Institute for the Study of War“ geht hervor, dass Prigoschin an alle an der Soledar-Eroberung beteiligten „Wagner“-Söldner Ehrenmedaillen verliehen hat. Dies verbreitete er unter anderem auf eigenen Telegram-Kanälen.

Russland erobert Soledar im Ukraine-Krieg – und erleidet schwere Verluste

Update vom Mittwoch, 18. Januar, 14.30 Uhr: Es mehren sich die Hinweise, dass die russische Armee tatsächlich die Stadt Soledar im Donbass besetzt hat. Nachdem es aus dem Kreml vermehrt geheißen hatte, das Gebiet stehe unter Russlands Kontrolle, erklärte das nun der Kommandeur einer ukrainischen Drohneneinheit auf Telegram.

„Ab 17.30 Uhr haben feindliche Angriffseinheiten die Industriezone in der Nähe der Mine Nummer 7 besetzt, die sich an der Verwaltungsgrenze der Stadt Soledar befindet und deren westlichen Stadtrand ist“, teilte er mit. Dennoch gebe es weiterhin schwere Kämpfe, führte er aus. Die Frontlinien hätten sich lediglich in Richtung der Stadtgrenze verschoben.

Russland im Ukraine-Krieg: Satellitenaufnahmen zeigen Zerstörung

Nach zahlreichen russischen Raketenangriffen gleicht Soledar einem Trümmerhaufen mit Kratern. Die Infrastruktur liegt brach, viele Wohnhäuser wurden zerstört. Das berichten zahlreiche internationale Hilfsorganisationen. Auch Satellitenaufnahmen des US-Unternehmens „Maxar Technologies“ bestätigen dies. Mehrere Fotos zeigen beispielsweise zerstörte Gebäude, darunter eine Schule.

Putin zwischen PR-Schlacht und „Pyrrhussieg“ – Russland hat ein neues Kriegsziel

Update vom Dienstag, 17. Januar, 13.45 Uhr: Um die Stadt Soledar im Osten der Ukraine gibt es weiterhin schwere Kämpfe. Nach wiederholten Mitteilungen der russischen Militärführung und der Söldnergruppe „Wagner“, wonach Soledar längst eingenommen sei, haben sich die vom Kreml installierten Behörden zur Lage geäußert. „Auf dem Territorium der Volksrepublik Donezk haben russische Truppen Soledar befreit“, hieß es in einem Beitrag auf Telegram. Dazu gibt es bislang kein Statement aus Kiew. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte lediglich am Montagabend in einer Ansprache, dass die russische Armee verstärkt die Region um die Städte Soledar und Bachmut belagere. „Wir werden sehen, was Russland hier vorbereitet“, so Selenskyj.

Der Kampf um Soledar entwickelt sich immer mehr vom militärischen Schauplatz zur PR-Schlacht. Fachleute des Thinktanks „Institute for the Study of War“ bezeichneten Russlands Vorgehen zuletzt als „zermürbend“ und „taktisch“. Die Einnahme der ostukrainischen Stadt verkomme zum „Pyrrhussieg“ (s. Erstmeldung). Kommandeur Waleri Gerassimov, erst kürzlich von Putin zum Befehlshaber der russischen Streitkräfte ernannt, verkündete am Freitag, dass man den Donbass bis spätestens März einnehmen wolle. Laut Angaben des ukrainischen Geheimdienstes ist zudem eine Sicherheitszone von Russland geplant, wie ein Sprecher der Ukrainska Pravda sagte. Weitere Details wurden nicht genannt.

Russland im Ukraine-Krieg: Truppen greifen Soledar an

Erstmeldung vom Freitag, 13. Januar, 11.00 Uhr: Donezk/Moskau – Russland greift derzeit verstärkt den Donbass im Osten der Ukraine an. Insbesondere die Stadt Soledar (Oblast Donezk) rückt in den Fokus, sie liegt nahe der umkämpften Stadt Bachmut. Soledar gilt als strategisch wichtiger Zugang für das russische Militär, um ukrainische Truppen in Bachmut einzukesseln, wie es in einer Analyse des Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW) heißt.

Der Kampf um Soledar, und schlussendlich um Bachmut, hat jedoch längst keinen militärtaktischen Hintergrund mehr. Sowohl Soledar als auch Bachmut liegen in Trümmern, zahlreiche Raketenangriffe haben die Städte vielerorts unbewohnbar gemacht. Darunter hat auch die Infrastruktur stark gelitten. Vielmehr geht es dabei um Symbolpolitik. Russland möchte offenbar einen Sieg, nach zahlreichen Niederlagen, erringen. Wladimir Putins Ziel, den Donbass komplett einzunehmen, scheiterte bereits mehrfach. Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe „Wagner“ und bekannt als „Putins Koch“, bestätigte jüngst, dass es in der Region Bachmut vor allem um die Abnutzung ukrainischer Kräfte gehe.

Russland und Ukraine kämpfen um Soledar: Erwartet Putin einen „Pyrrhussieg“?

Einer weiteren Einschätzung der ISW-Fachleute zufolge ist es den russischen Truppen wohl gelungen, Soledar im Ukraine-Krieg einzunehmen. „Die russischen Streitkräfte haben Soledar wahrscheinlich erobert, nachdem sie erhebliche Ressourcen für einen äußerst zermürbenden taktischen Sieg eingesetzt hatten“, heißt es in der Analyse. Grundlage der Einschätzung sind gelokalisierte Aufnahmen des Instituts. Wie von den Expertinnen und Experten angesprochen, häufen sich auch in dieser Region die schweren Verluste des russischen Militärs. Laut ISW-Angaben handle es sich um einen „Pyrrhussieg“. Ein „Pyrrhussieg“ ist ein Sieg, mit welchem hohe Opferzahlen einhergehen.

Die Einschätzung des ISW bestätigten bislang weder die Regierung in Kiew noch die Regierung in Moskau. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sicherte den ukrainischen Truppen hingegen am Donnerstagabend (12. Januar) neue Unterstützung zu, es handle sich um eine „schwierige“ Lage.

Im Vergleich dazu hieß es von russischer Seite, dass man enorme Fortschritte im Oblast Donezk mache. Igor Konaschenkow, Sprecher des Verteidigungsministeriums, erklärte laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur TASS, dass die russischen Truppen Soledar von Norden und Süden her abgeriegelt hätten und innerhalb der Stadt Kämpfe stattfänden.

Kämpfe in Soledar im Ukraine-Krieg: Wagner-Chef behauptet Einnahme – Ukraine dementiert

Dies bestätigte am Freitagmorgen auch das ukrainische Verteidigungsministerium. „Es war eine heißt Nacht in Soledar. Die Kämpfe gingen weiter“, teilte die stellvertretende Verteidigungsministerin, Ganna Maljar, mit. Dem widersprach wiederum „Wagner“-Chef Prigoschin: Er behauptete Soledar sei längst eingenommen. Keine dieser Aussagen lässt sich tatsächlich auf unabhängige Weise verifizieren, sie stammen mehrheitlich von Kriegsparteien im Ukraine-Konflikt. (tu)

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