Bachmut vor dem Fall? Ukraine-Rückzug läuft angeblich - „Feind sprengt alles in die Luft“
Steht Bachmut kurz vor der russischen Eroberung? Ein Experte sieht die seit Monaten umkämpfte Stadt kurz vor dem Fall. Die Ukraine habe mit dem Rückzug begonnen.
Bachmut - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab sich in einer Videobotschaft am Montagabend (6. März) noch kämpferisch, was die Lage in Bachmut betrifft. Dort toben die derzeit schwersten Kämpfe an der Ukraine-Front. Er habe sich mit Generälen zu Bachmut abgestimmt, sagte Selenskyj und es herrsche Einigkeit: Die Ukraine werde Bachmut nicht aufgeben, sondern seine Truppen dort sogar noch verstärken.
Der österreichische Militärexperte Markus Reisner teilt diesen Optimismus nicht: „Wenn nicht noch eine Überraschung passiert, wird Bachmut demnächst fallen“, sagte er zum Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Nach intensiver Beobachtung der Lage an der Front komme er zu dem Schluss, dass die Ukraine schon einen großen Teil seiner Truppen aus Bachmut abgezogen habe. Die ukrainische Armee sei deutlich geschwächt, so der Experte. Auch eine geplante Gegenoffensive bei Melitopol sei durch die monatelange Konzentration auf Bachmut nicht möglich gewesen.

Ukraine-Rückzug aus Bachmut? US-Experten schätzen Lage ein
Auch die US-Fachleute des „Institute for the Study of War“ (ISW) gehen in einer aktuellen Analyse zum Ukraine-Konflikt davon aus, dass die Ukraine sich wohl zumindest teilweise aus Bachmut zurückzieht - „obwohl es noch zu früh ist, um die ukrainischen Absichten bezüglich eines vollständigen Rückzugs aus der Stadt zu beurteilen“, hieß es am Sonntag (5. März).
Einen kompletten Rückzug der Armee hält die US-Denkfabrik aber für unwahrscheinlich. Vielmehr würde die Ukraine auf einen Häuserkampf im Stadtzentrum setzen. Bei diesem seien die Verteidiger normalerweise in der günstigeren Position, deshalb spekuliere die Ukraine wohl darauf, der russischen Armee dadurch weitere, schwere Verluste zuzufügen.
Auch der Sprecher der östlichen ukrainischen Truppen betonte in einem Interview mit CNN, dass es „keinen Massenabzug“ gebe. Die Kämpfe mit Russland fänden derzeit am Rande von Bachmut statt, während die Ukraine das Zentrum selbst noch immer unter Kontrolle halte, so Serhiy Cherewatyi.
Ukrainischer Rückzug aus Bachmut schwierig - Russland kontrolliert Ausfallstraßen
Offenbar gibt es für die ukrainischen Soldaten gar nicht mehr viele Möglichkeiten für einen Rückzug, wie Militärexperte Reisner schildert: Nur noch im Westen sei dies möglich, alle anderen Ausfallstraßen kontrolliere mittlerweile Russland. Der britische Geheimdienst geht ebenfalls davon aus, dass bald sämtliche Versorgungswege der ukrainischen Armee um Bachmut abgeschnitten sein könnten, weil alle Wege zerstört oder besetzt seien.
Putins Armee setze darauf, möglichst viele ukrainische Soldaten in Kriegsgefangenschaft zu nehmen, glaubt Militärexperte Reisner: Nur so könne Russlands Propaganda die Einnahme der Stadt als großen Erfolg verkaufen. „Sonst haben sie nicht mehr als ein paar weitere Kilometer Land erobert“, so der österreichische Heeresvertreter zu RND. Bisher sei der Plan jedoch nicht aufgegangen.
Militärexperte zu Bachmut: Unzählige Ukrainer getötet und verwundet
Die Ukraine haben im Kampf um Bachmut bereits Unmengen an Soldaten verloren, so Reisner. Eine Reserveeinheit nach der anderen sei nach Bachmut geschickt wurde, um dort von den russischen Streitkräften getötet oder verwundet zu werden. Auch Einheiten der von ihrer Brutalität berüchtigten Wagner-Söldnertruppe sollen massenhaft in Bachmut kämpfen. Ein Video zeigt Aufnahmen, wie Wagner-Kämpfer auf den Trümmern von zerstörten Häusern in der Stadt einen Freudentanz aufführen.
Bachmuts Vize-Bürgermeister: „Feind sprengt alles in die Luft“
Der Vizebürgermeister von Bachmut, Oleksandr Marchenko, schildert dramatische Zustände in der zerbombten Stadt. „Der Feind sprengt alles in die Luft, er attackiert mehrstöckige Gebäude und Wohngebiete“, sagte der Regionalpolitiker in einem Telefonat mit CNN. „Es gibt Luftangriffe, Artilleriebeschuss, Mörserbeschuss. Der Feind greift die Stadt mit allem an, was er hat.“
Aktuell seien noch rund 4000 der ursprünglich 75.000 Bewohnerinnen und Bewohner in Bachmut. Die ausharrenden Zivilpersonen lebten in Notunterkünften ohne Wasser, Strom und Heizung, so Marchenko in einem Interview mit dem britischen Sender BBC. Kein einziges Gebäude der Stadt sei verschont geblieben, die Stadt durch die russischen Angriffe „fast zerstört“. (smu)