Sorgen vor Gegenoffensive: Chat von Ukraine-Soldat offenbart drei Probleme

Die Frühjahrsoffensive der Ukraine rückt näher. Vor den Angriffen gibt es aber offenbar interne Zweifel. Das legen geleakte Chatnachrichten eines Soldaten nahe.
Kiew – Nach mehr als 430 Tagen seit der russischen Invasion in die Ukraine deutet sich eine erneute Gegenoffensive an. Ukraines Verteidigungsminister Oleksij Resnikow hatte kürzlich gesagt, die Vorbereitungen für eine Frühjahrsoffensive seien so gut wie abgeschlossen, Militärexperten rechnen zeitnah mit verstärkten ukrainischen Angriffen. Dadurch sollen die aktuell von Russland eingenommen Gebiete zurückerobert werden. Einfach scheint die Mission jedoch nicht. Dem ist sich offenbar auch das ukrainische Militär bewusst.
Probleme bei Ukraine-Offensive: Soldat nennt drei Sorgen
Der US-Sender CNN zitiert aus einer Chat-Nachricht eines ukrainischen Soldaten. Darin beschreibt der Mann – er nennt sich Artur – Probleme für eine mögliche Gegenoffensive. „Wir sind bereit und warten schon lange auf die Gegenoffensive“, schreibt der Soldat laut CNN. Das ukrainische Militär habe bei den bisherigen Offensiven gezeigt, wie erfolgreich es sein könne – doch Sorgen bereiten ihm vor allem drei Aspekte, die eine erfolgreiche Operation erschwerten.
- Russland-Kenntnis über Ukraine-Pläne
- Putins Teilmobilmachung
- Abwarten Kiews
Die ukrainische Gegenoffensive deutet sich seit Wochen an, Russland könne sich dementsprechend darauf vorbereiten. „Wir haben keinen Überraschungseffekt mehr“, schreibt Artur. „Jedes Smartphone kündigt diese Gegenoffensive an.“ Die Pläne der Ukraine sind bereits Thema im russischen Staatsfernsehen. Der russische Journalist Michail Chodarjonok sprach beim staatlichen Fernsehsender Russia-1 davon, dass jetzt „kein Zweifel“ mehr an einer Gegenoffensive der Ukraine bestünde.
Kiew deutete am Dienstag bereits an, dass Moskau die ukrainischen Pläne in seine Militärstrategie integriere. Konkret warf die Ukraine Russland eine veränderte Taktik mit gezielten Raketenangriffen auf Wohngebiete vor. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass sie direkte Angriffe eben auf zivile Mehrfamilienhäuser oder Orte ausführen, an denen es viele Häuser der Zivilbevölkerung gibt“, sagte der Berater des Präsidentenbüros Mychajlo Podoljak in der Nacht zum Dienstag im ukrainischen Fernsehen. Der Kreml wolle dadurch unter anderem eine verfrühte Gegenoffensive Kiews provozieren. Dazu wolle Moskau testen, ob die Ukraine in der Lage sei, den eigenen Luftraum zu schützen.
Gegenoffensive im Ukraine-Krieg
Derzeit hält die Russische Föderation rund 20 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt, darunter die bereits 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Kiews angekündigte Großoffensive im Ukraine-Krieg wird seit mehreren Wochen erwartet. Auch mit Hilfe westlicher Waffen will das angegriffene Land die besetzten Gebiete zurückerobern.
„Wenn wir weiter warten, könnten wir Gegenoffensive nicht mehr erleben“
Zweitens, so der Soldat in den mutmaßlichen Chatnachrichten, habe sich Russlands Militär verändert. Durch die vor Monaten ausgerufene Teilmobilmachung Putins seien neue Soldaten hinzugekommen. Wie stark das russische Militär auch mit Blick auf Verluste auf dem Schlachtfeld tatsächlich ist, ist jedoch unklar.
Als letzten Punkt nannte Arthur laut CNN das bisherige Tempo. „Drittens. Je mehr wir abwarten und Kräfte anhäufen, desto mehr greifen sie unsere Lager und Aufmarschplätze an.“ Durch etwa das Zerstören von Militärlagern sollen Waffen der Ukraine zerstört werden. Die Prognose des Soldaten: „Wenn wir weiter abwarten, könnten wir eine Gegenoffensive nicht mehr erleben.“
Für Ukraine-Offensive: Kiew fordert mehr Waffen
Eine entscheidende Rolle bei der Gegenoffensive spielen westliche Waffenlieferungen. Laut Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sind bereits 98 Prozent der zugesagten Waffen bereitgestellt worden. Doch aus Sicht der Ukraine sind weitere Waffen vonnöten. „Für die geplante Gegenoffensive brauchen wir in kürzester Zeit mehr gepanzerte Fahrzeuge, Panzer und Artilleriesysteme, Munition mit großer Reichweite“, forderte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, in den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Erfolg der Gegenoffensive hänge vom Zeitpunkt und Umfang westlicher Waffenlieferungen ab, betonte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit skandinavischen Medien. Soldat Artur gibt sich derweil trotz der Zweifel optimistisch: „Wir wissen, dass unser Kommando in der Lage ist, eine Gegenoffensive durchzuführen.“ (as)