Slowenien: Richtungswahl für Europa

Wenn der slowenische Premier Jansa am Sonntag unterliegt, verliert Viktor Orban einen wichtigen Verbündeten
Zumindest Sloweniens um seine Wiederwahl kämpfende Premier Janez Jansa sieht sein seit 1991 unabhängiges Land im Zenit seiner Geschichte. Zum ersten Mal sei Slowenien ein „Faktor, der hilft, den Weltfrieden im Moment des gefährlichsten Kriegskonflikts zu wahren“, preist der Chef der rechtspopulistischen SDS sich selbst: Mitten im Ukrainekrieg hatte seine spektakuläre Zugfahrt mit den polnischen und tschechischen Amtskollegen nach Kiew im März weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Bis 2030 werde Slowenien „zu den 15 am weitesten entwickelten Ländern der Welt“ zählen und „standardmäßig“ über dem europäischen Durchschnitt liegen, verspricht der Hobby-Alpinist vor der Parlamentswahl am Sonntag: „Der Wind weht gut für Slowenien. Es wird an uns liegen, wie weit wir die Segel ausbreiten und auf in unserem Streben nach Glück und Wohlstand segeln können.“
Doch ob die zwei Millionen Bewohner:innen des Alpen- und Adriastaats auch künftig auf ihren bisherigen Steuermann setzen, ist zweifelhaft. Die Prognosen verheißen zwar ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Jansas SDS und der neuen, linksliberalen „Freiheitsbewegung“ (GS) des früheren Managers Robert Golob, die beide jeweils mit einem Fünftel bis einem Viertel der Stimmen rechnen können. Doch selbst wenn sich seine SDS erneut als stärkste politische Kraft behauptet, droht dem polarisierenden Rechtsausleger wegen Partnermangels die Abwahl.
Janez Jansa in Slowenien: Verliert Viktor Orban seinen wichtigsten Partner?
Nach dem Zerfall der linksliberalen Koalition von Ex-Premier Marjan Sarec (LMS) hatte Jansa im März 2020 zum dritten Mal in seiner langen Karriere mitten in der Legislaturperiode die Regierungsgeschäfte übernommen. Nicht nur die Opposition warf dem engen Partner von Ungarns Premier Viktor Orban autoritäre Tendenzen, die Aushebelung der Gewaltenteilung, Korruption und Knebelung der Pressefreiheit vor: Auch mit der EU-Kommission geriet Jansa wegen regelmäßiger Twitterattacken gegen missliebige Journalist:innen und Medien mehrmals in Streit.
Nicht nur für Slowenien, sondern auch für Europa könnte sich der Urnengang als Richtungswahl erweisen. Verliert Orban seinen wichtigsten Partner in Südosteuropa? Obwohl Jansa im von Ukrainekrieg überschatteten Stimmenstreit der Opposition vorgeworfen hat, das Land aus der Nato führen zu wollen, war von dem SDS-Chef – im Gegensatz zu Polens Führung – kaum ein kritisches Wort über den russophilen Putin-Freund Orban zu vernehmen. Im Gegenteil: Überschwänglich beglückwünschte er ihn zu seiner Wiederwahl.
Eine Abwahl von Jansa würde Ungarns Regierungschef in der EU weiter isolieren und schwächen, eine Wiederwahl zweifellos stärken. Die Wahlvorzeichen scheinen allerdings nicht auf eine Amtsverlängerung von Jansa zu stehen. Doch gelaufen ist das Rennen keineswegs. Die sich ständig ändernde Parteienlandschaft erschwert im Land der überzeugten Wechselwähler:innen alle Prognosen: Ein Unsicherheitsfaktor ist, dass gleich mehrere Parteien im Oppositions- und Regierungslager an der Vierprozenthürde zu scheitern drohen.
Ob bei den Parlamentswahlen 2011 der Parteineuling „Positives Slowenien“ (PS) oder 2014 und 2018 die Wahllisten von auf Anhieb zu Regierungschefs gewählten Politnovizen wie dem Jura-Professor Miro Cerar (SMC) oder dem Ex-Kabarettisten Sarec (LMS): Vor allem die Mitte-Links-Wähler:innen haben sich in den letzten Jahren als sehr beweglich erwiesen.
Wahl in Slowenien: Schulterschluss mit Jansa zahlt sich nicht aus
Ihr neuer Hoffnungsträger Robert Golob von der erst zu Jahresbeginn gegründeten GS ist auf Sloweniens Politparkett allerdings kein Unbekannter. Der Ex-Manager des staatlichen Stromversorgers Gen-I war bereits Vize-Chef von „Positives Slowenien“ und von der von ihr abgespaltenen SAB der früheren Regierungschefin Alenka Bratusek. Golob sei „eher recycelt als ein neues Gesicht“, ätzt Jansa: Er wirft seinem von ihm bei Gen-I geschassten Rivalen vor, dort überhöhte Bezüge eingestrichen zu haben. Umgekehrt sieht er sich selbst dem Oppositionsvorwurf ausgesetzt, dass die SDS, die ihr nahestehenden Medien und sein Wahlkampf von ungarischen Sponsoren finanziert werden.
Als Partner bezeichnet Newcomer Golob die bisherige Opposition: die sozialdemokratische SD, die Linke, sowie die linksliberalen Parteien LMS und SAB. Doch der steile Aufstieg von Golobs GS geht in erster Linie auf Kosten der ähnlich gepolten Konkurrenz: Vor allem die SAB, aber auch die LMS müssen um den Parlamentseinzug bangen. Umgekehrt scheint sich die These zu bestätigen, dass ein Schulterschluss mit Jansa sich für dessen Partner selten auszahlt: Die frühere SMC, die nun in einem rechtsliberalen Bündnis antritt, droht genauso im außerparlamentarischen Abseits zu landen wie die nun in einer grünen Formation antretenden Erben der einstigen Renterpartei DeSUS: Beide hatten mit ihrem Koalitionswechsel 2020 Jansa sein Comeback auf der Regierungsbank erst ermöglicht.