1. Startseite
  2. Politik

Sorge um Slowenien: Wie „Mini-Trump“ Jansa ein Ungarn 2.0 schafft

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Andreas Schmid

Kommentare

Sloweniens Ministerpräsident Janez Jansa
Seit 1. Juli 2021 hat Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft inne. Ministerpräsident Janez Jansa steht also im Fokus. Die Kritik an ihm wird immer lauter. © Luka Dakskobler/Imago

Die Kritik an Sloweniens Ministerpräsident Janez Jansa wächst. Er orientiere sich zusehends an Orbans Ungarn, meinen Kritiker. Eine Spurensuche.

Ljubljana - Janez Jansa ist in Deutschland kein allzu bekannter Mann. Die Politik des slowenischen Ministerpräsidenten bleibt hierzulande weitgehend unbemerkt. Dabei lohnt sich ein eingehenderer Blick auf die Arbeit des rechtskonservativen Politikers. Denn in Slowenien läuft vieles schief, seit Jansa im Frühjahr 2020 zum dritten Mal Ministerpräsident wurde. Der 62-Jährige entwickelt ist immer mehr zu einem der umstrittensten Regierungschefs der Europäischen Union.

Slowenien: frühere Regierungschefs attackieren Jansa - „deutliche Anzeichen von Autokratie“

Es ist eine ganze Reihe an Vorwürfen, die Marjan Sarec gegenüber Merkur.de* in Richtung Jansa äußert. „Seit Jansas Regierung 2020 an die Macht kam, sind wir Zeugen von ständigen Angriffen auf Medien und Justiz, Eingriffen in unabhängige Institutionen, dem Austausch von Verantwortungsträgern in hohen Positionen sowie der wirtschaftlichen und finanziellen Zerstörung des Staatshaushalts, der Rentenpolitik, des öffentlichen Bildungswesens und des öffentlichen Gesundheitswesens“, sagt er. Sarec war vor Jansa slowenischer Ministerpräsident. Der als liberal geltende Politiker ist Gründer der nach ihm benannten Partei Lista Marjan Sarec (LMS).

Ähnlich negativ über Jansa äußert sich auch Alenka Bratusek, die von 2013 bis 2014 Ministerpräsidentin des Landes war. Die linksliberale Politikerin zeigt sich „äußerst besorgt“ über die derzeitige politische Situation in Slowenien. Die Parteichefin der Stranka Alenke Bratusek (SAB) erkennt „deutliche Anzeichen von Autokratie“.

So, wie auch Tanja Fajon. Die Europaabgeordnete ist Vorsitzende der Socialni demokrati (Sozialdemokraten), einer Partei vergleichbar mit der SPD, und sagt: „Hasserfüllte Rhetorik, die Verbreitung ungeprüfter Informationen und der Angriff auf jeden, der eine andere Meinung vertritt, sind eindeutig ein Modus Operandi, um ein Umfeld zu schaffen, das den eigenen Interessen entspricht.“ Seit Jansa das Ministerpräsidentenamt übernommen hat, habe sich die Lage in Slowenien deutlich verschlechtert. Einer aktuellen Umfrage von Ende August zufolge wird die Regierung nur noch von 27,5 Prozent der Slowenen unterstützt - das entspricht dem schlechtesten Wert seit Amtsantritt vor eineinhalb Jahren.

Slowenien: Regierungskritikerin - „erschreckend, wie plötzlich ein demokratisches System zusammenbrechen kann“

Jansas Amtsantritt geschah zu einer Zeit, in der die Coronavirus-Pandemie* so richtig ins Rollen kam. Während die Bevölkerung wenig Chance hatte, ihren Unmut zu äußern, hätte Jansa damit begonnen, den Staat nach seinen Vorstellungen umzugestalten. „Die Regierung besetzt sämtliche Stellen neu“, sagt die Regierungskritikerin Tea Jarc. Merkur.de hat die 34-jährige Aktivistin in Ljubljana getroffen. „Menschen werden gefeuert und durch eigene, regierungsnahe Leute ersetzt - in Medien, Polizei, Justiz und allen wichtigen Bereichen des Landes.“

Jarc schätzt, dass derzeit rund 120 Bedienstete in diesen Bereichen ausgetauscht werden. Im Monat. Mehr als 1000 Menschen seien seit Machtübernahme durch Jansa entlassen worden. Verifizieren lassen sich diese Angaben nicht, Jarc beruft sich auf Informationen von Journalisten und berichtet von gefeuerten Polizisten, die die Protestbewegung demonstrieren lassen ließen statt sie - wie von Jansa gefordert - zu unterdrücken. Die Polizei Ljubljana äußert sich auf Anfrage von Merkur.de dahingehend nicht.

Jarc findet es in jedem Fall „erschreckend, wie plötzlich ein demokratisches System zusammenbrechen kann und wie wenige Möglichkeiten die Bevölkerung hat, dagegen etwas zu tun.“ Eine Option, dem Unmut Ausdruck zu verleihen, sind die zunehmenden Proteste im Land. Seit April 2020 wird jeden Freitag gegen Jansa demonstriert. Jarc tritt dabei als Koordinatorin auf.

Ein Café in Ljubljana. Merkur.de-Autor Andreas Schmid im Gespräch mit Tea Jarc.
Ein Café in Ljubljana. Merkur.de-Autor Andreas Schmid im Gespräch mit Tea Jarc. © fkn

Slowenien: Maskenaffäre um Janez Jansa - Whistleblower entlassen

Ein weiterer zentraler Vorwurf gegen den Ministerpräsidenten ist die offensichtlich steigende Korruption im Land. Jüngst wurde bekannt, dass Jansa Vergabeverfahren für die Beschaffung von Masken manipuliert haben soll, damit politische Vertraute finanziell profitieren. Der frühere Beamte Ivan Gale arbeitete in der nationalen Beschaffungsbehörde, deckte die mutmaßlichen Machenschaften auf - und bezahlte diesen Schritt mit seinem Job.

Immer wieder gibt es Korruptionsvorwürfe in der slowenischen Politik. „Es gibt fast zu jedem der Koalitionspartner eine Geschichte“, sagt Jarc und erzählt von einem Abgeordneten der mit Jansa regierenden Pensionistenpartei. „Er wollte ein Haus an der Küste bauen, aber der Bauantrag wurde abgelehnt. Jansa sorgte dafür, dass dort jetzt eine schöne Villa steht. Eine Villa, die der Abgeordnete natürlich behalten möchte.“ Und dementsprechend für Jansa votiert? Die Partei wollte sich auf Anfrage nicht zu Janez Jansa äußern.

Janez Jansa: Europapolitiker alarmiert - „Es geht hier nicht nur um kleine Korruption“

Der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund berichtet im Gespräch mit Merkur.de von ähnlicher Überzeugungsarbeit: „Jansa hat keine klare parlamentarische Mehrheit mehr. Er muss es sich teuer erkaufen, dass Abgeordnete für seine Gesetze stimmen.“ Dabei gehe es sowohl um Geld als auch Geschenke für den eigenen Wahlkreis oder politische Zugeständnisse. „Es kann überhaupt nicht sein, dass man Mehrheiten erkauft.“

Freund ist Vorsitzender der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe gegen Korruption. Er beobachtet eine „sehr befremdliche“ Entwicklung. „Es geht hier nicht nur um kleine Korruption. Das wird organisiert von der höchsten Stelle im Staat. Gleichzeitig versucht Jansa, seinen eigenen Machterhalt mit Investoren aus Ungarn oder auch China zu sichern.“

Janez Jansa: Pressefreiheit in Slowenien in Gefahr? „Nur die Trompeten der Regierungsmedien werden bleiben“

Darüber hinaus wird Jansa vorgeworfen, die Pressefreiheit in Slowenien immer weiter zu beschneiden*. Nach dem Abschluss einer Untersuchungskommission bilanziert die Organisation Reporter ohne Grenzen: „Die slowenische Regierung von Ministerpräsident Janez Jansa versucht systematisch, unabhängige Medien im Land zu schwächen und zu diskreditieren.“ Die staatliche Nachrichtenagentur bezeichnete er als „nationale Schande“ und kürzte ihr die finanzielle Unterstützung. „Das Ziel der Regierung ist es, die Agentur durch eine neue, auf Jansas Partei zugeschnittene Agentur zu ersetzen, nach dem Vorbild Ungarns“, befürchtet Sarec.

„Jansa missbraucht seinen Einfluss auf staatliche Medien, um dafür zu sorgen, dass die Berichterstattung so ist, wie sie ihm eben passt“, sagt der Grünen-Politiker Freund. Er versuche, strategisch wichtige Posten in den Medien mit Unterstützern zu besetzen. Vor kurzem wurde der Direktor der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt RTV SLO ausgetauscht.

Auch Bratusek zeichnet ein düsteres Bild hinsichtlich Sloweniens Medienlandschaft: „Angesichts des Drucks und des Geldes, das Jansas Freunde in die slowenischen Medien investieren, befürchten wir, dass es bald keine freien Medien mehr in unserem Land geben wird. Nur die Trompeten der Regierungsmedien werden bleiben.“ Die frühere SPD-Bundesministerin Katharina Barley meint: „Die Drangsalierung der Medien schreitet voran.“

„Jansa will sich die Medien mit seiner ganz eigenen Interpretation von Fakten zurechtschneiden.“

Sloweniens früherer Ministerpräsident Marjan Sarec.

Orban-Freund Janez Jansa: Wie Ungarn immer mehr an Einfluss in Slowenien gewinnt

Eine immer größere Rolle in der slowenischen Medienlandschaft spielen mittlerweile ungarische Anbieter mit Nähe zu Viktor Orbans Fidesz-Partei. Zuletzt wurden slowenische Medien aufgekauft; womöglich mit dem Ziel, die redaktionelle Ausrichtung zu verschieben. „Ungarns Oligarchie hat Jansa finanziell geholfen, ein eigenes Medienimperium aufzubauen“, sagt Matej Vatovec, stellvertretender Fraktionschef der slowenischen Linken. „Er will sich die Medien mit seiner ganz eigenen Interpretation von Fakten zurechtschneiden“, meint Sarec. Jansa gibt mittlerweile nahezu nur noch regierungsnahen Medien - wie dem durch ungarische Gelder finanzierten Fernsehsender Nova24 - Interviews. Der Leiter seines Kommunikationsbüros Uros Urbanija arbeitete einst für Nova24. Eine Merkur.de-Anfrage ließ der frühere Journalist zunächst unbeantwortet.

Jansa und Orban sind enge Freunde. bei der Parlamentswahl 2018 gab es Wahlkampfunterstützung. Katharina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, bezeichnete die beiden Politiker im Merkur.de-Interview als „Kumpel“. „Ungarn spielt im slowenischen Business eine immer größere Rolle“, sagt Jarc. „Die Ungarn übernehmen unseren Hafen an der Küste und erhalten Aufträge für den Bahnverkehr oder den Bau von Hotels - all diese dubiosen Geschäfte geschehen auf Basis der Partnerschaft zwischen Jansa und Orban.“

Slowenien: Jansa-Partei auf EU-Ebene zusammen mit der Union - „sie halten die schützende Hand über ihn“

„Slowenien ist eines der Länder, das sich auf dem Pfad von Viktor Orban* befindet“, konstatiert Grünen-Politiker Freund. Auch wenn die Situation „bei Weitem noch nicht so schlimm wie in Ungarn“ sei, beobachtet der Europaabgeordnete „besorgniserregende“ Tendenzen. Die Situation sei insgesamt „sehr beunruhigend“ - auch, weil Slowenien vor Jansa als Musterland positiver Entwicklung galt. „Der internationale Ruf Sloweniens wurde in weniger als zwei Jahren zerstört“, beklagt Jansa-Vorgänger Marjan Sarec. „Jansas Regierung ist dabei, die Grundlagen der Demokratie zu zerstören, die wir in den letzten 30 Jahren aufgebaut haben.“

Jansas Partei, die SDS, ist wie die CDU/CSU Mitglied der Europäischen Volkspartei, der bis 2021 auch noch Orbans Fidesz-Partei angehörte. Freund nimmt die Union daher in die Pflicht. Nach all dem Hin und Her mit Orban* „hätte man ja denken können, dass man das nicht gleich wieder passieren lässt“. Konkret: „Demokratiefeinde, Autokraten, Populisten in den eigenen Reihen.“ Sowohl die EVP-Fraktion als auch die CDU/CSU seien zu unkritisch, was Jansas Politik angehe. „Sie halten die schützende Hand über ihn.“ Erst im Juni hatte sich Union-Kanzlerkandidat Armin Laschet* mit Jansa getroffen. Kritische Worte hörte man im Anschluss an das Treffen nicht.

CDU-Vorsitzender Armin Laschet zusammen mit Janez Jansa, Chef der SDS, vor der Staatskanzlei in Düsseldorf.
Parteichefs unter sich: CDU-Vorsitzender Armin Laschet zusammen mit Janez Jansa, Chef der SDS, vor der Staatskanzlei in Düsseldorf. Beide Parteien sind Mitglied der EVP-Fraktion. © Malte Ossowski/Sven Simon/Imago

Slowenien: „Jansa verfolgt dieselbe Strategie wie Donald Trump“

Jansa sieht sich darüber hinaus mit dem Vorwurf konfrontiert, unliebsame Meinungen zu unterdrücken. Der 63-Jährige stellt Kritiker gerne öffentlich an den Pranger. Jüngst musste sich ein ARD-Reporter etwa einen Nazi-Vergleich gefallen lassen. Er hatte kritisch berichtet. Dabei verlagert der Ministerpräsident seine Kommunikation zusehends in Richtung Twitter und „vermeidet damit Auftritte in Medien, die er nicht kontrolliert“, sagt Sarec. Sozialdemokratin Fajon merkt an: „Er könnte die Zeit, die er auf Twitter verbringt, nutzen, um unseren Bürgern zu helfen, das wäre für alle gesünder.“

In Anlehnung an den jugoslawischen Diktator Josip Broz Tito wird Jansa auch „Marschall Twito“ genannt. „Er ist ein Mini-Trump“, meint Linkspolitiker Vatovec. „Er verfolgt dieselbe Strategie wie Donald Trump“, sagt Jarc. „Interessanterweise hat er erreicht, was er immer wollte“, erklärt Sarec - „dass seine Tweets alle lesen.“

Jansa wird nicht nur aufgrund seiner Rhetorik in sozialen Medien mit dem früheren US-Präsidenten verglichen. Auch in seiner Politik gleiche er sich zusehends dem republikanischen Ex-Präsidenten an. „Man kann sagen, er ist ein Bewunderer von Trump“, meint Bratusek. Jansa war übrigens der einzige Regierungschef Europas, der Donald Trump nach seiner Abwahl und der politischen Niederlage gegen Joe Biden zum „Wahlsieg“ gratulierte - offenbar in Unterstützung von Trumps Wahlmanipulationsvorwürfen. „Das war ein großer Fehler“, meint Bratusek. „Politiker in einer gesunden Demokratie würden niemals auf diese Weise kommunizieren.“

Eine Auswahl von Jansas Tweets. Links gratuliert Jansa Trump zum Wahlsieg.
Eine Auswahl von Jansas Tweets. Die Protestbewegung hat sie aufgehängt, um die Menschen über die „aggressive Rhetorik“ des Ministerpräsidenten zu informieren. Links gratuliert Jansa Trump zum Wahlsieg. © Luka Dakskobler/Imago

Kritik gibt es auch an Jansas Coronapolitik. Er sei „mit allen anderen Dingen beschäftigt aber nicht mit der Pandemie“, sagt Jarc. In der EU hat nur Tschechien mehr Corona-Fälle pro einer Million Einwohner. Slowenien hat die in Relation zur Bevölkerung gesehen sechstmeisten Todesfälle der EU (Quelle: Our World in Data, Stand: 8. September).

Slowenien: „Weil zwei Parteien ihre Stimmen verkauften“ - wie Jansa Ministerpräsident wurde

Jansa ist bereits zum dritten Mal slowenischer Ministerpräsident (nach 2004 bis 2008 und den Jahren 2012 bis 2013). Schon in seiner vorangegangenen Amtszeit gab es Proteste wegen Korruptionsvorwürfen in Richtung Jansa, dessen Regierung nach dem Verlust von Mehrheiten zusammenbrach. Nach der Parlamentswahl 2018 ging Jansas Slowenische Demokratische Partei (SDS) als Wahlsieger hervor, fand allerdings keine Koalitionspartner. Marjan Sarec bildete eine Mitte-Links-Regierung als Gegenstück zur Jansa-Politik und wurde Ministerpräsident. Wirklich stabil war allerdings auch dieses Bündnis nicht. Anfang 2020 zerbrach die Regierung. Zu Neuwahlen kam es anschließend jedoch nicht.

Denn Jansa gelang es, ein neues Bündnis zu schmieden. Als Koalitionspartner dienen aktuell das christdemokratische Neue Slowenien (NSi), die liberale Partei des Zentrums (SMC) sowie die Pensionistenpartei (DeSUS). Pikant: Die beiden letztgenannten Parteien gehörten zuvor der Mitte-Links-Regierung von Jansa-Vorgänger Sarec an.

In weiten Teilen der Bevölkerung sorgte die Bildung dieser neuen Regierung für Kritik. Neuwahlen wurden gefordert. Vor jeder Wahl würden die Parteien in Slowenien gefragt werden, ob sie mit Jansa koalieren möchten. Beide Parteien - SMC und DeSUS - beantworteten diese Frage mit einem Nein. Für Jarc ein klarer Tabubruch: „Mit diesem Schritt haben sie in jedem Fall alle Wähler betrogen, die ihnen eine Stimme gegeben haben. Beide Parteien verkaufen ihre Stimmen. Sie stehen nicht für das, was in ihrem Wahlprogramm steht. Aber sie wollen ihre Ministerposten, Parlamentssitze, Gehälter und Privilegien behalten.“

Janez Jansa: Vom „leidenschaftlichen Kommunisten“ zum „rechtspopulistischen Diktator“

Jansas politischer Werdegang ist durchaus interessant. Der in Ljubljana geborene Politiker war zu Zeiten, in denen Slowenien zu Jugoslawien gehörte, Mitglied in der kommunistischen Jugendorganisation. „Er war ein leidenschaftlicher Kommunist“, sagt Jarc. Später überwarf er sich allerdings mit der jugoslawischen Regierung. Wegen regimekritischer Artikel und dem Vorwurf der Preisgabe von Militärgeheimnissen wurde er Ende der 1980er Jahre sogar zu 18 Monaten Haft verurteilt. Zu dieser Zeit war Jansa eine Art Nationalheld. Ein Widerstandskämpfer der Demokratiebewegung. In Protesten wurde Jansas Freilassung gefordert.

Jansa gilt als politisch unberechenbar. „Irgendwann änderte er seine Meinung komplett und wurde zum rechtspopulistischen Diktator“, sagt Jarc. „Das ist so absurd.“ Warum, ist auch im Jahr 2021 nicht vollends greifbar. Jansa selbst spricht immer wieder von einer Verschwörung gegen seine Person und will sich gegen die „kommunistische Kontinuität“ wehren. Seiner Inhaftierung sei eine Intrige der slowenischen Reformkommunisten, denen Jansa selbst angehörte, vorausgegangen. Jarc vermutet derweil machtpolitische Motive hinter dem Kurswechsel des Ministerpräsidenten: „Er ist besessen von Macht und hat vielleicht nicht die Macht bekommen, die er sich gewünscht hatte.“

Janez Jansa, Parteivorsitzender der SDS
Jansa verlies die kommunistische Partei in Richtung Sozialdemokratische Partei Sloweniens. Seit 1993 ist er Parteivorsitzender der SDS. Mit dem Untergang Jugoslawiens im Jahr 2003 verpasste er der Partei einen neuen Anstrich - und fokussierte sich zusehends auf konservative, nationale Politik. © Nina Blaz/Imago

Sloweniens EU-Ratspräsidentschaft: Drohen „Diskursverschiebung“ und „Gefährdung europäischer Werte“ ?

Seit 1. Juli hat Slowenien* den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft inne. Mit seinen 2,1 Millionen Einwohner hat Slowenien innerhalb der EU eigentlich vergleichsweise wenig Gewicht. Mit der aktuellen Ratspräsidentschaft ändert sich das allerdings schon qua Amt. „Durch die Ratspräsidentschaft hat man die Macht, die Agenda zu setzen“, erklärt Freund. „Was wird diskutiert und was nicht? Diese Frage entscheidet jetzt im Grunde genommen Jansa.“

Befürchtet wird, dass Jansa seine Politik insbesondere an Ungarn und den anderen Visegrád-Staaten Polen, Tschechien und Slowakei ausrichtet. Freund warnt vor einer „Diskursverschiebung“, Jarc gar vor einer „Gefährdung europäischer Werte“. Sarec findet es derweil „inakzeptabel und beschämend, sich in die Gesellschaft von Ländern wie Polen und Ungarn zu begeben, die die Rechtsstaatlichkeit ignorieren und die demokratischen Werte missachten.“

Fajon kritisiert unterdessen eine „Nachahmung der ungarischen und polnischen Ministerpräsidenten - einschließlich der willkürlichen Entscheidungsfindung jenseits der Gesetze und der Verfassung.“ Bratusek wünscht sich indes stärkere Beziehungen zu Ländern wie Frankreich oder Deutschland, statt Polen und Ungarn. „Die demokratischen Standards in Ungarn und Polen sind in Gefahr - leider gilt das auch für Slowenien.“

Video: Slowenien - ein Problem für alle Europäer?

Einen Schwerpunkt der EU-Präsidentschaft will Slowenien zudem auf den westlichen Balkan mit seinen Beitrittskandidaten Albanien, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien setzen. Hierzu ist im Oktober ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs geplant. Schon vor offiziellem Amtsantritt gab es in Brüssel derweil negative Schlagzeilen um Jansa. Weil der slowenische Ministerpräsident Richter beleidigt hatte, verweigerte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans ein gemeinsames Foto.

Jansas Regierung war durch mangelhafte Kooperation mit der neu eingerichteten europäischen Staatsanwaltschaft (Eppo) aufgefallen. Die Eppo soll zum Kampf gegen Betrug zu Lasten des EU-Haushalts beitragen. Slowenien hat als letztes teilnehmendes Land seine Eppo-Staatsanwälte noch nicht ernannt. Die Folge: Das Aufdecken von Korruption im Land ist erschwert. „Jansa verhindert in einem völlig rechtswidrigen Prozess, dass die Europäische Staatsanwaltschaft im Land agieren kann“, konstatiert Freund, der „persönliche Rache“ als Jansas Motiv nicht ausschließen will. Eine Staatsanwältin hätte in der Vergangenheit bereits ein Verfahren gegen Jansa geleitet.

Janez Jansa: 86,4 Prozent - Referendum-Watschn für slowenischen Ministerpräsidenten

Aufgrund der aktuellen politische Lage in Slowenien ist Regierungskritikerin Jarc frustriert: „In jeder normalen Demokratie würde es keine Regierung geben, mit der die absolute Mehrheit der Bevölkerung unzufrieden ist.“ Rund 70 Prozent der Slowenen würden die Proteste unterstützen, meint sie. Einen ersten kleinen Erfolg erreichte die Bewegung vor wenigen Monaten, als ein umstrittenes Gewässerschutzgesetz, das die Privatisierung von Ufergrundstücken ermöglicht hätte, per Referendum gestoppt werden konnte. 86,4 Prozent stimmten gegen das Gesetz. Die slowenische Natur mit ihren hohen Bergen und pittoresken Seen ist den Menschen im Land sehr wichtig. Slowenien ist einer der EU-Staaten mit der größten Biodiversität. Der Ausgang der Abstimmung wird auch als Ohrfeige in Richtung Jansa gewertet.

Für die Jansa-Regierung spielt die Klima- und Umweltpolitik unterdessen keine allzu große Rolle, „Er ist ein Klimawandel-Leugner“, sagt Jarc. Jansa hatte immer wieder infrage gestellt, dass die globale Erwärmung menschengemacht ist. Zuletzt äußerte er sich dahingehend defensiver. Jarc vermutet: Auch, weil sich die EU eine stärkere Klimapolitik auf die Fahnen geschrieben hat. „Vielleicht möchte er auch keine potentiellen Wähler verprellen, denen das Thema wichtig ist.“

Slowenien: Nächste Parlamentswahl 2022 - kann Jansa seine Macht sichern?

Was ist von den nächsten Wahlen zu erwarten? In der früheren jugoslawischen Teilrepublik gibt es viele Parteien, die sich gewissermaßen gegenseitig die Stimmen wegnehmen. Zudem werden zu jeder neuen Wahl neue Parteien gegründet. Einen klaren Wahlsieger, das kann man schon jetzt sagen, wird es wohl nicht geben. Dass Jansa am Ende genügen Mehrheiten findet, um seine Macht zu sichern, ist daher nicht auszuschließen.

„Jansa hatte schon immer die Fähigkeit, Menschen um sich zu haben, die ihn unterstützen“, sagt Jarc. „Er wird gewiss auch seinen Sitz im Parlament bekommen. Wir als Protestbewegung wollen aber sicher gehen, dass er unter keinen Umständen an einer neuen Regierung beteiligt ist.“ Ob das gelingt, wird im Frühjahr 2022 entschieden. Jansa und seine Partei äußerten sich auf Anfrage zunächst nicht. Mehr als eine Woche nach Veröffentlichung des Artikels hieß es lapidar von Jansas Parlamentsbüro: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Das Büro des Ministerpräsidenten von Slowenien kommentiert die Fragen nicht.“(as)

Lesen Sie mehr Hintergründe zur Protestbewegung. Wie entstand die Gruppe, was treibt sie an und warum beschäftigt sie Jansa scheinbar so stark, dass er ihnen gar auf den höchsten Berg des Landes folgt? Regierungskritikerin Tea Jarc spricht im Interview über die Proteste.

Auch interessant

Kommentare