Serbien schließt Deal mit Russland - Wahlkampfhilfe von Wladimir Putin

Serbien bezieht russisches Gas zum Vorzugspreis. Das kommt besonders Präsident Aleksandar Vucic gelegen. Doch das Land hat weiterhin mit Energienöten zu kämpfen.
Belgrad - Der erste Schnee rieselte in Serbien keineswegs unerwartet, aber er traf den staatlichen Energieversorger EPS dennoch völlig unvorbereitet. In Obrenovac fielen im Kraftwerk Nikola Tesla, das die Hälfte des Landes mit Strom versorgt, am 12. Dezember alle sechs Blöcke aus.
Das unterirdische Gaslager in Banatski Dvor war zum Zeitpunkt des vorhersehbaren Wintereinbruchs leer. Gleichzeitig legten zahlreiche umgeknickte Strommasten im ganzen Land über 2000 Trafostationen lahm.
Stromversorgung in Serbien: „Völliger Kollaps“ des Energiesektors
Trotz stark erhöhter Stromimporte blieben bis zu 136 000 Haushalte teilweise tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten. Von einem „völligen Kollaps“ des Energiesektors sprach der allgewaltige Staatschef Aleksandar Vucic. Über die Möglichkeit einer „Sabotage“ radebrechte etwas hilflos Regierungschefin Ana Brnabic. „Die schlechte Führung“ beim Energieversorger EPS machte Energie- und Bergbauministerin Zorana Mihajlovic für das Debakel verantwortlich. Der geschäftsführende EPS-Chef Milorad Grcic schob die Verantwortung flugs weiter – und schickte vier leitende Angestellte in die Wüste.
Dabei hatte Vucic nur wenige Wochen zuvor seinen Landsleuten vollmundig einen sorgenfreien Winter versprochen. „Wir werden keinerlei Probleme haben – weder mit Strom noch mit Gas, weder mit dem Heizen noch mit der Bevorratung“, hatte der Chef von Serbiens nationalpopulistischer Regierungspartei SNS Ende November im russischen Sotschi jubiliert. Der Grund für die präsidiale Freude: Sein russischer Amtskollege Wladimir Putin hatte ihm die Verlängerung des zum Jahresende eigentlich auslaufenden Gas-Abkommens bis zu den Wahlen im April zum Dumpingpreis garantiert.

Wahlen in Serbien: Gas-Deal mit Putin kommt Präsident Vucic gelegen
Während der Gaspreis an der Londoner Börse ICE vergangene Woche auf den historischen Höchstwert von über 2000 Dollar pro 1000 Kubikmeter kletterte, kann Serbien zumindest für ein weiteres halbes Jahr russisches Gas im Prinzip wie bisher zum Preis von 270 Dollar beziehen. „Dies ist unsere Rettung“, freute sich Vucic bei der Bekanntgabe des Deals: „Putin hat uns viel geholfen.“ Vucic habe Serbien „Stabilität gesichert“, pries Regierungschefin Brnabic derweil ihren Parteiboss per Twitter: „Bravo Chef!“
Tatsächlich kommt die propagandistisch ausgiebig ausgeschlachtete Wahlkampfhilfe aus der Pipeline Vucic kurz vor Beginn des serbischen Superwahljahrs gelegen. Denn in Belgrad rückt ihm die Opposition zunehmend auf den Pelz: Im Rathaus der Hauptstadt scheint ein Machtwechsel keineswegs mehr ausgeschlossen.
Energieversorgung in Serbien: Hohe Marktpreise für Strom- und Gasimporte
Doch trotz des Gasrabatts vom Bruderstaat wird auch der russophile EU-Anwärter von zunehmenden Energie-Nöten geplagt. Serbien hat für Stromimporte, aber auch für Gasimporte, die über die vereinbarte Liefermenge von sechs Millionen Kubikmeter pro Tag hinausgehen, die astronomisch hohen Marktpreise zu berappen. So hatte die EPS allein in den vier Tagen nach dem ersten Schneefall auf Kosten der Steuerzahler 40 Millionen Euro für Stromimporte verpulvert – 30 Prozent ihres Gewinns im letzten Jahr.
Für die verschärften Probleme auf Serbiens Energiesektor sind nicht nur die völlig veralteten Braunkohlekraftwerke verantwortlich, sondern auch nachweislich unfähige Parteigünstlinge an der Spitze der staatlichen Energieversorger. So soll ungewöhnlich stark mit Abraum und Schlamm verschmutzte Braunkohle die Havarie im Kohlekraftwerk von Obrenovac ausgelöst haben. „Schlamperei ließ Tausende Menschen ohne Strom und Heizung“, titelt empört die regierungskritische Zeitung „nova“.
Von der Abteilungsleitung bis zum Management werde das Kolubara-Braunkohlebergwerk von „inkompetenten Leuten“ geführt, klagt dessen früherer Direktor Slobodan Djeric im Wochenmagazin „Vreme“. Zu sozialistischen Zeiten habe zwar auch „die Partei“ das Bergwerk kontrolliert: Doch zumindest im Arbeitsalltag hätten damals „Fachleute und echte Ingenieure“ das Sagen gehabt.
Serbien: Regierung besetzt Interims-Führungskräfte mit Parteimitgliedern
Davon kann heute in Serbiens faktischen Einparteienstaat oft kaum mehr die Rede sein. Seit der Machtübernahme der SNS 2012 werden die gut bezahlten Jobs an der Spitze der Staatsunternehmen immer seltener über öffentliche Ausschreibungen besetzt. Stattdessen werden „geschäftsführende“ Interimschef:innen direkt von der Regierung benannt – oft verdiente Parteimitglieder oder Günstlinge aus dem direkten Umfeld des Präsidenten oder anderer wichtiger Personen.
Statt wie gesetzlich vorgesehen maximal ein Jahr bleiben das vermeintlichen Interimspersonal mit dem Segen von Vucic oft mehrere Jahre in der Führung. Der 2016 ohne Ausschreibung auf seinen Posten gerutschte EPS-Interimschef Grcic übe sein Amt bereits seit über vier Jahren „illegal“ aus, sagt Nemanja Nenadic, der Direktor der serbischen Sektion von „Transparency International“. Die vier nun von ihm gefeuerten Direktoren könnten ihre Entlassung daher vor Gericht anfechten – und hätten gute Aussichten, einen etwaigen Prozess zu gewinnen. (Thomas Roser)