Seltene Auslands-Reise: Selenskyj verlässt die Ukraine – und beschwört offene Grenzen
Der ukrainische Präsident Selenskyj ist in Polen eingetroffen. In Warschau will er sich im Ukraine-Krieg auch mit Landsleuten treffen.
Warschau – Im Ukraine-Krieg war Polen dem Nachbarland bislang ein verlässlicher Helfer. Nach UNHCR-Angaben hat Polen rund 1,6 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Zum Vergleich: In Deutschland fanden 2022 mehr als eine Million Menschen aus dem Kriegsgebiet Zuflucht. Wolodymyr Selenskyj hofft nun auf offene Grenzen zu Polen.
Besonders in den ersten Tagen der russischen Invasion hätten die grenznahen Orte in Polen „ihre Türen geöffnet, und es gab keine Grenzen zwischen uns“, sagte der ukrainische Präsident am Mittwoch (5. April) in Warschau. Er war am Morgen für ein Treffen mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Duda eingetroffen. Das sei der Anfang für „keinerlei Grenzen in politischer, wirtschaftlicher und – besonders wichtig – in historischer Hinsicht“, betonte Selenskyj mit Blick auf die schwierige ukrainisch-polnische Vergangenheit.
Duda indes verlieh Selenskyj die höchste polnische Auszeichnung, den Orden des Weißen Adlers – unter anderem für seine Verdienste um die Vertiefung der polnisch-ukrainischen Beziehungen.

Selenskyj trifft Duda: „Verteidigung ist natürlich ein Schlüsselthema“
„Verteidigung ist natürlich ein Schlüsselthema des Besuchs. Wir werden über Verteidigung, Wirtschaft, grenzüberschreitenden Verkehr einschließlich Eisenbahnverbindungen, und die Erweiterung der Grenzübertritts-Möglichkeiten reden“, teilte Selenskyjs Sprecher mit.
Auf Selenskyjs Agenda in Polen stehen außerdem Treffen mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, die Unterzeichnung bilateraler Dokumente sowie der Besuch eines Wirtschaftsforums. Außerdem will er in Polen lebende Landsleute treffen.
Polen zu stärkerer Beteiligung an nuklearer Abschreckung bereit
Es gibt noch ein weiteres wichtiges Thema. Russland will Atomwaffen in Belarus stationieren, in einem Land, das an Polen grenzt. Wird Polen als Antwort nun darauf dringen, dass US-Atomwaffen auf seinem Staatsgebiet stationiert werden? Warschau verneint das bisher eher – polnische Diplomaten schließen diesen Schritt aber nicht aus.
„Das Interesse an der Einbeziehung in die nukleare Teilhabe wurde in Erklärungen der polnischen Führung seit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 deutlich. Doch solche Ideen stießen innerhalb der Nato auf starken Widerstand“, erklärte etwa Artur Kacprzyk, Atomwaffenexperte der staatsnahen Denkfabrik PISM, der Zeitung Welt.
Selenskyj reist im Ukraine-Krieg: Washington, London, dann Paris
Das EU- und Nato-Mitgliedsland Polen ist ein wichtiger Unterstützer der Ukraine und hat besonders viele Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Es ist die dritte Auslandsreise Selenskyjs seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Im Dezember hatte Selenskyj Washington besucht. Anfang Februar führte er zunächst Gespräche in London und Paris, bevor er zu einem EU-Sondergipfel in Brüssel weiterreiste. (AFP/dpa/frs)