Viele Migranten landen auf „Geisterbooten“ unerkannt in Italien

Von den rund 3000 Bootsflüchtlingen, die im ersten Halbjahr 2019 in Italien ankamen, ist nur jeder Zehnte von privaten Seenotrettern gebracht worden.
„Geisterboote“ werden sie in Italien genannt: Kleine Motorboote mit Migranten an Bord, die völlig unbemerkt von Küstenwache und Radarkontrollen von Tunesien, Algerien oder der Türkei aus direkt bis Lampedusa, Sizilien oder Kalabrien fahren.
Während Innenminister Matteo Salvini in den vergangenen Tagen seinen Kampf gegen die Rettungsschiffe der Hilfsorganisationen Sea Watch, Mediterranea und Sea Eye ausfocht, legten Dutzende solcher Boote in Süditalien an, ohne dass die Öffentlichkeit Notiz davon genommen hätte. Allein während Salvini die „Sea Watch 3“ vor Lampedusa blockierte, landeten 26 kleine Boote mit mehr als 200 Migranten auf der Insel, fast alle kamen aus Tunesien.
Die Zeitung „La Repubblica“ berichtete am Dienstag, von den rund 3000 Bootsflüchtlingen, die im ersten Halbjahr 2019 in Italien ankamen, sei nur jeder Zehnte von privaten Seenotrettern gebracht worden. Sechs Schiffe von Hilfsorganisationen steuerten in dieser Zeit Italien an, sie hatten insgesamt nur 300 Flüchtlinge an Bord. Auf Lampedusa landeten dagegen allein im Juni etwa 500 Migranten auf „Geisterbooten“, wie Insel-Bürgermeister Totò Martello sagte.
Matteo Salvini reagiert
Salvini begründet seine harte Linie gegen die Hilfsorganisationen damit, dass sie mit Menschenhändlern zusammenarbeiteten und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten. Italienische Justizvertreter sehen die Gefahr anderswo. So hatte Staatsanwalt Luigi Patronaggio, der gegen Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete ermittelt, vergangene Woche bei einer Anhörung im römischen Parlament betont, die Migrantenankünfte auf Rettungsschiffen seien inzwischen statistisch unbedeutend. Das Problem seien vielmehr die kleinen Boote aus Tunesien. Sie brächten heimlich Personen nach Europa, die nicht registriert werden wollten. Darunter seien häufig Vorbestrafte und Terrorverdächtige.
Salvini hat jetzt reagiert. Am Montagabend schrieb er einen Brief an seinen tunesischen Amtskollegen und forderte das nordafrikanische Land auf, seine Küsten zu kontrollieren. Wegen der komplexen Lage in Libyen sei eine größere Konzentration von Abfahrten aus Tunesien zu registrieren, so Salvini.
Zuvor hatte er gemeinsam mit dem Nationalen Sicherheits-Komitee in Rom beschlossen, Libyens Küstenwache bis zum Sommer mit zehn zusätzlichen Patrouillenschiffen auszustatten. Den Kampf gegen die Hilfsorganisationen gibt Salvini aber nicht auf. Das von einer Ministerin seines Koalitionspartners Fünf Sterne geführte römische Verteidigungsministerium ermahnte er, Italiens Militärschiffe müssten die Häfen des Landes besser vor den Rettungsschiffen schützen.