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Schweigen aus Angst um die Existenz

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Von: Ursula Rüssmann

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Demonstration von attac im Jahr 2011 in Frankfurt
Attac verlor im Jahr 2014 die Gemeinnützigkeit wegen politischen Engagements © imago stock&people

Studie: Vereine fürchten um ihre Gemeinnützigkeit, wenn sie sich politisch engagieren

Rund 30 000 Vereine und Organisationen in Deutschland würden sich einer repräsentativen Studie zufolge gern stärker politisch einbringen, sie tun es aber nicht aus Angst um ihre Gemeinnützigkeit. Besonders betroffen sind Gruppen, deren Kerngeschäft der Einsatz für Umweltschutz und für internationale Solidarität (also etwa fairer Handel, Flucht und Migration, Frieden) ist. Jede Zehnte von ihnen sieht durch politisches Engagement ihren Status in Gefahr.

Die Zahlen hat der Thinktank „Zivilgesellschaft in Zahlen“ (Ziviz) erhoben, der 2008 vom Stifterverband der Wissenschaften und der Bertelsmann-Stiftung gegründet wurde. Das Ziviz-Survey erfasst seit 2012 etwa alle fünf Jahre Veränderungen der Zivilgesellschaft. Schwerpunkt diesmal: „Zivilgesellschaft in der Demokratie“. Dabei kam heraus, dass sich Vereine zunehmend als Impulsgeber für soziale Veränderungen verstehen, nicht mehr nur als Orte für Spezialinteressen wie Sport, Kaninchenzucht oder Musik.

Regierung scharf kritisiert

14 Organisationen nahmen die Studie am Dienstag zum Anlass, heftige Klage gegen die Bundesregierung zu führen: Die müsse endlich das „überholte Gemeinnützigkeitsrecht“ reformieren, denn das sei ein „Einschüchterungsinstrument für die kritische Zivilgesellschaft“, so Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, betonte, dass es nicht nur um Vereine gehe, deren Mission im Kern mit politischer Einmischung verbunden sei. „Laut Studie unterlassen auch vier Prozent der Sport- oder Katastrophenschutz-Vereine demokratisches Engagement, um ihr Kerngeschäft zu schützen. Das ist alarmierend.“

Die Ampel hatte die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts versprochen und die Ministerinnen Paus (Familie, Grüne) und Faeser (Innen, SPD) ein Gesetz für 2023 angekündigt. Zuständig ist aber Finanzminister Lindner (FDP). Er hat noch nicht einmal einen Referentenentwurf vorgelegt. Auf FR-Anfrage sagte ein Ministeriumssprecher jetzt, man wolle den Koalitionsvertrag einhalten, der Zeitplan stehe aber noch nicht fest.

Der Ziviz-Survey geht von fast 660 000 gemeinnützigen Organisationen in Deutschland aus. Er fand imposante Belege ihrer Sensibilität für aktuelle Probleme: So gab mehr als ein Drittel der befragten Vereine an, sich 2022 für Betroffene des Ukraine-Krieges eingesetzt zu haben. Drei von zehn Organisationen befassen sich, unabhängig von ihren Themen, aktiv mit Klimaschutz.

Kommentar auf Seite 11

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