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Der Schutzwall Amazonas bröckelt

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Von: Joachim Wille

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Zu spät: Eine immer größere Fläche des Urwaldes fällt der Gier der Menschen zum Opfer.
Zu spät: Eine immer größere Fläche des Urwaldes fällt der Gier der Menschen zum Opfer. © AFP

Die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes bringt Menschen und Wildtiere näher zusammen – und steigert damit die Gefahr von Pandemien.

Brasilien gilt als einer der Brennpunkte der Corona-Pandemie. Die offiziell gemeldeten Infizierten-Zahlen sind hier besonders im Amazonas-Gebiet sehr hoch, zudem gibt es eine nicht zu unterschätzende Dunkelziffer, da wenig getestet wird. Doch Covid-19 setzt auch dem Regenwald verschärft zu, weil Abholzung und Abbrennen noch schlechter kontrolliert werden als bisher. Experten warnen nun davor, dass das weitere Vordringen der Menschen in ehemals unberührte Gebiete nicht nur den Kollaps der „grünen Lunge des Planeten“ näherbringt, sondern auch die Gefahr von neuen Pandemien heraufbeschwört, die sich wie Covid-19 weltweit ausbreiten könnten.

Zoonose ist der Fachbegriff für Krankheiten, deren Erreger von Tieren auf Menschen überspringen – wie Tollwut, Aids, Ebola, Vogelgrippe und nun eben Corona. Das Virus ist offenbar von Fledermäusen und möglicherweise über den Zwischenwirt „Larvenroller“ auf den Menschen übertragen worden. Dabei handelt es sich um eine fleischfressende, in Bäumen lebende Schleichkatze, die in China gegessen wird. Nach Schätzungen haben drei Viertel der neu auftretenden Infektionskrankheiten ihren Ursprung bei Tieren.

Der Amazonas-Regenwald, von dem fast zwei Drittel auf brasilianischem Gebiet liegen, ist bereits zu rund 17 Prozent zerstört – abgeholzt, abgebrannt, zerstückelt durch Straßen. Holzexport, Umwandlung in Weiden und Ackerland sowie die Öffnung für Rohstoffabbau sind die Treiber dafür. In den ersten Monaten des Jahres war die Entwaldungsrate laut dem Nationalen Institut für Amazonasforschung (INPA), das diese Daten kontinuierlich erhebt, weitaus höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Die Waldvernichtung hat bereits seit dem Amtsantritt des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro wieder deutlich zugenommen, der die Amazonas-Region „entwickeln“ und dazu den Schutz der Indigenen-Gebiete schleifen will. Seit Beginn der Corona-Krise im März hat sich die Lage weiter verschärft. Wegen der Isolationsmaßnahmen haben die Umweltbehörden die Vor-Ort-Kontrollen gegen die Abholzung und zum Erhalt der Naturschutzgebiete heruntergefahren. Organisierte Gruppen nutzen die Lage aus; sie wissen, dass sie Waldgebiete straffrei roden können, auch wenn es illegal ist.

„Das ist sehr besorgniserregend, wenn wir bedenken, dass 2019 bereits das schlimmste Jahr des letzten Jahrzehnts war“, sagt Artur Sgambatti Monteiro, der zurzeit am Nachhaltigkeitsinstitut IASS in Potsdam als Fellow arbeitet und vorher für eine Stiftung in der Amazonas-Stadt Manaus tätig war. Die Entwaldung umfasse inzwischen schon mehr als 10 000 Quadratkilometer im südlichen und östlichen Amazonasgebiet von Brasilien.

Der Biologieprofessor Philip Fearnside vom Amazonas-Institut INPA warnte unlängst davor, dass gerade der Amazonas-Regenwald mit seiner enormen Artenvielfalt zu einer Quelle für neue Zoonosen werden könnte. Die aktuell stark voranschreitende Entwaldung bringe die Menschen näher an Wildtiere mit möglicherweise unbekannten Krankheitserregern heran und damit werde zwangsläufig auch der Verzehr von gejagten Tieren zunehmen. „Sowohl die Nähe als auch der Verzehr von Fleisch wilder Tiere können es tierischen Krankheitserregern ermöglichen, auf den Menschen überzuspringen“, sagte Fearnside, der an einer wissenschaftlichen Studie mehrerer Universitäten zu dem Phänomen beteiligt war. Laut der Forscher entwickelt sich am Amazonas derzeit ein „perfekter Sturm“ für das Auftreten von Infektionskrankheiten.

Monteiro unterstreicht die Warnung: Die Gefahr eines Ausbruchs neuer Zoonosen mache den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes umso dringlicher, meint er. Zudem müsse das Gesundheitssystem in der Region verbessert werden.

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