Schulz knöpft sich US-Regierung vor

Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz setzt auf eine altbewährte Wahlkampftaktik und knöpft sich die US-Regierung vor.
Der Satz ist in der Mitte etwas zu sehr gedrechselt, was dem Wahlkämpfer Martin Schulz gelegentlich schon mal passiert. Aber die Botschaft des SPD-Kanzlerkandidaten ist klar. „Ich werde mich als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland dafür einsetzen, dass in Deutschland gelagerte Atomwaffen – und wenn sie in Rheinland-Pfalz gelagert sind, dann die in Rheinland Pfalz gelagerten Atomwaffen – abgezogen werden“, sagte Schulz bei einem Auftritt in Trier.
Schulz hat in diesem Wahlkampf vieles versucht. Er hat das sozialdemokratische Kernthema Gerechtigkeit in den Mittelpunkt gestellt. Auf das anfängliche Umfragehoch folgte der jähe Absturz bei drei Landtagswahlen. Schulz hat versucht, die SPD über das Thema Investitionen als führende Kraft in der Wirtschaftspolitik zu positionieren – doch das Vertrauen der meisten Menschen liegt hier stärker bei der Union. Jetzt spielt Schulz die vielleicht letzte Karte, die er noch im Ärmel hatte: die außenpolitische.
Worum geht es? Auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst in Büchel in der Eifel lagern nach unbestätigten Informationen noch US-Atomwaffen – ein Relikt des Kalten Krieges. Der Abzug könnte ein Symbol für den Weg hin zu einer Welt ohne Atomwaffen sein – einerseits.
Andererseits lässt sich durchaus der Standpunkt vertreten, es sei nicht sinnvoll, die Waffen einfach abzuziehen, ohne im Gegenzug auch von Russland etwas zu verlangen. Und: Die Waffen sind Teil eines Nato-Gesamtkonzepts. Das Ganze geht also nicht nur die USA und Deutschland etwas an, sondern auch die anderen Bündnispartner.
So weit, so kompliziert. Entfernt man sich von der Sachebene und begibt sich auf die des Wahlkampfes, wird die Geschichte einfacher: Schulz will sich als David inszenieren, der es mit dem Goliath USA und ihrem in Deutschland mit Abscheu und Sorge betrachteten Präsidenten Donald Trump aufnimmt.
Gerhard Schröder: Nein zum Irakkrieg
Schulz will die Rolle des Gerhard Schröder spielen, der den Wahlkampf 2002 gegen den Unions-Kandidaten, den Bayern Edmund Stoiber, nicht nur mit Gummistiefel-Bildern während der Oderflut gewann. Sondern eben auch, indem er sein Nein zu einem möglichen Irak-Krieg des US-Präsidenten George W. Bush im Wahlkampf deutlich machte. „Wir sind zu Solidarität bereit“, rief er auf den Marktplätzen. „Aber dieses Land wird unter meiner Führung für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen.“
Allein: Schulz steht die Rolle noch nicht einmal halb so gut wie Schröder. Das liegt zum einen daran, dass es für Schulz inhaltlich gar nicht so leicht ist überzeugend dazustehen. Schröder konnte vor dem Krieg warnen, während Stoiber herumlavierte. Schulz hingegen bleiben 20 Atomwaffen und – als zentraler Angriffspunkt gegen US-Präsident Donald Trump und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) – das von der Nato ausgegebene Ziel, jedes Mitgliedsland solle perspektivisch zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für den Rüstungsetat aufwenden.
Rund 30 Milliarden Euro mehr jedes Jahr für die Rüstung? Und das, während es gleichzeitig in Schulen hineinregnet und an Kitaplätzen fehlt? Ein Nein an dieser Stelle wird vielen Menschen sinnvoll erscheinen. Der SPD fiele es aber leichter, damit zu punkten, wenn die mit der Sache befassten SPD-Minister sich schon im Jahr 2014 lautstark gegen das Vorhaben gestemmt hätten, als die Zielvorgabe in der Nato beschlossen wurde. Das war aber nicht der Fall.
Vor allem aber gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen Martin Schulz und dem Wahlkämpfer Gerhard Schröder im Jahr 2002: Schröder war Kanzler. Was ein Regierungschef sagt, wiegt schwer. Was hingegen ein Kanzlerkandidat mit überschaubaren Siegchancen sagt, hat weniger Gewicht.
Auch verbale Breitseiten gegen Staatsoberhäupter klingen aus dem Mund derer, die tatsächlich Macht haben, überzeugender. Schulz moniert, die Kanzlerin agiere schüchtern gegenüber Trump. „Ich bin überzeugt, dass man bei Trump mehr erreicht, wenn man ihm unumwunden sagt: Pass auf, so läuft das nicht“, sagt Schulz. Nur: Er hat eben keine Gelegenheit zu beweisen, dass es stimmt.
Wie sich im Wahlkampf die Wirkkraft eines Regierungsamtes nutzen lässt, zeigt Außenminister Sigmar Gabriel. Er hat den Kurs gegenüber der Türkei verschärft – verbal, aber auch durch eine veränderte Politik, etwa bei den Reisehinweisen. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Civey für die Zeitung der „Welt“ wünscht eine große Mehrheit der Deutschen einen härteren Kurs gegenüber der Türkei. Für den Außenminister gibt es also noch Spielraum, im Wahlkampf für die SPD zu punkten. Er ist nur eben nicht ihr Spitzenkandidat.