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Schulleitungen wollen Bildung selbst reformieren

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Von: Peter Hanack

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Lehrerzimmer
Viele Schulen in Deutschland dürften vermutlich in den nächsten Jahren weiterhin mit einem Lehrermangel zu kämpfen haben. © Caroline Seidel/dpa

Eine Umfrage zeigt die große Bereitschaft zur Veränderung. Die Digitalisierung wird dabei als Schlüssel zur Modernisierung gesehen.

Corona hat einen seltsamen Effekt auf Schule gehabt: Einerseits ist die Wertschätzung für das physische Miteinander, das gemeinsame Lernen und Lehren in einem (Klassen-)Raum, enorm gestiegen. Andererseits hat die Bedeutung digitaler Lehr- und Lernangebote, die eben auch Unterrichten auf Distanz ermöglichen, ebenfalls immens zugenommen. Eine Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (Fibs) zeigt nun: Die Schulleitungen wollen diesen Prozess der Digitalisierung und der Modernisierung von Schule vor allem selbst gestalten.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 99 Prozent der 2000 von Fibs befragten Schulleitungsmitglieder sind überzeugt, dass digitaler Unterricht unbedingt mit gemeinsamen Lernzeiten verbunden sein muss. 93 Prozent wünschen sich mehr Unterrichtsinhalte zu digitaler Bildung und Medienmündigkeit. Und 91 Prozent fordern, über Personal, den Einsatz der Finanzen und die konzeptionelle Entwicklung selbst bestimmen zu können.

„Es ist ganz klar: Deutschlands Schulleitungen wollen selbst gestalten, trotzdem oder gerade weil der Personalmangel groß ist, es an den Schulen brennt und nicht überall noch richtig gearbeitet werden kann“, sagt dazu der Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann, Senior Expert am Fibs und wissenschaftlicher Berater der am Mittwoch vorgestellten Cornelsen Schulleitungsstudie. Die Schulleitungen seien „zentrale Akteure“ der Schulentwicklung, die Studie solle ihnen eine Stimme geben, erläuterte Frank Thalhofer, Geschäftsführungsmitglied bei Cornelsen.

DIE STUDIE

Das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (Fibs) hat im Auftrag des Cornelsen Verlags Deutschlands Schulleitungen befragt. Beteiligt haben sich rund 2000 Schulleiterinnen und Schulleiter.

Die Studie als Download online unter cornelsen.de/Schulleitungsstudie pgh

Die überwiegende Zahl der Mitglieder der Schulleitungen wolle reformieren, und sie setzten dabei auch zu großen Teilen auf die Digitalisierung der Schulen und des Unterrichts, wie Studienleiterin Sarah Fichtner erläuterte. Sie setzten dabei auf die Möglichkeiten des individuellen und selbstorganisierten Lernens, wie digitale Medien sie eröffneten. Zugleich erhofften sie sich durch die Digitalisierung eine Entlastung bei den Verwaltungstätigkeiten. Im Unterschied zur Vorjahresstudie zeige sich, so Fichtner, dass die digitale Ausstattung der Schulen nicht mehr als das größte Hindernis gesehen werde. Nur noch 36 Prozent der Befragten gaben dies überhaupt als ein wesentliches Problem an.

Personal größtes Problem

Es sind andere Dinge in den Vordergrund gerückt, jetzt wo doch an den meisten Schulen WLAN und eine schnelle Internet-Anbindung verfügbar sind. Für 68 Prozent ist der Personalmangel die größte Herausforderung. Um beim Personal zu bleiben: 98 Prozent der Schulleitungen sehen in der schnellen und hochwertigen Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Digitalisierung im Unterricht auch zu einer guten pädagogischen Praxis führen könne.

Lehrkräfte, da ist sich Bildungsforscher Hurrelmann sicher, würden immer mehr zu Lernbegleitenden und Coaches. Ihre Rolle als Wissensvermittler:innen sei überholt. Das sieht auch Silke Müller, Oberschuldirektorin der Waldschule Hatten (Niedersachsen) so. Sie dringt darauf, nicht von einer „Schule der Zukunft“ zu reden, sondern Schule schnell zu verwandeln. Dazu gehöre neben dem Einsatz digitaler Medien eine Reform der Stundenpläne. „Der 45-Minuten-Takt ist überholt, auch sollten wir Fächer zusammenlegen und überdenken, ob die Einteilung der Schüler und Schülerinnen in die Klassen rein nach ihrem Alter tatsächlich noch zeitgemäß ist“, sagte sie.

Fächer zusammenlegen

Lernen werde ohnehin immer individueller, erläuterte FiBS-Direktor Dieter Dohmen. Die Förderung der Kinder und Jugendlichen könne mit Hilfe digitaler Medien individualisiert werden. Unterricht könne fächerübergreifend und projektorientiert stattfinden, die Inhalte stärker auf Lebenskompetenzen hin ausgerichtet sein. Dabei, so Dohmen, werde analoges und digitales Lernen immer mehr ineinandergreifen.

„Es kommt darauf an“, so der Fibs-Direktor, „dass über Schule vor Ort entschieden wird, dass mehr Kompetenzen in die Schulen selbst gegeben werden.“ In diesem Sinne, folgerte Klaus Hurrelmann, seien die Ergebnisse der Schulleitungs-Befragung wie eine „Agenda für die Bildungspolitik der nächsten Jahre“ zu lesen.

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