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Helfen größere Klassen? Der Lehrkräftemangel in Deutschland bleibt ungelöst

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Von: Peter Hanack

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Eine Tafel ist geduldig. Ob der Unterricht auch nach Stundenplan gehalten werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Michael Schick
Eine Tafel ist geduldig. Ob der Unterricht auch nach Stundenplan gehalten werden kann, steht auf einem anderen Blatt. © Michael Schick

Fachleute machen Vorschläge, wie Schule dennoch funktionieren könnte. Dazu gehören auch mehr Kinder je Klasse. Die Lehrkräfteverbände haben schon Widerstand angekündigt.

Größere Klassen, Unterrichtsstunden ohne Lehrkraft, Pensionäre und Pensionärinnen hinter dem Pult sowie mehr Unterstützung in den Schulen durch Sozialpädagog:innen und Verwaltungsfachkräfte: Damit will die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) – im Namen der Kultusministerkonferenz der Länder – dem zunehmenden Mangel an Lehrkräften an Deutschlands Schulen entgegen wirken.

Wir schwierig die Lage ist, mögen zwei Beispiele verdeutlichen. In Nordrhein-Westfalen wird im Jahr 2030 von fünf benötigten Lehrkräften, die Physik unterrichten können, tatsächlich nur eine zur Verfügung stehen. Und in Hamburg müsste in den nächsten Jahren jeder zehnte Abiturient oder jede zehnte Abiturientin ein Lehramtsstudium erfolgreich abschließen, um den Bedarf an den Schulen decken zu können.

Lage ist „dramatisch“

Mehrere tausende Lehrkräfte fehlen schon heute an den Schulen, und es ist absehbar, dass der Mangel wachsen wird. „Wir sind in einer dramatischen Lage“, sagt Felicitas Thiel, Professorin für Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität Berlin und Co-Vorsitzende der SWK. Gemeinsam hat sie mit Olaf Köller, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Pädagogik und ebenfalls SWK-Vize, am Freitag die „Empfehlungen für den Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel“ vorgestellt.

Die Stellungnahme listet eine ganze Reihe von Maßnahmen auf, die kurz- und mittelfristig Abhilfe bringen sollen. Dazu gehören die freiwillige Weiterarbeit von Lehrkräften, die die Pensionsgrenze erreicht haben, ebenso wie die Reaktivierung von Pensionär:innen, das Aufstocken der Stundendeputate von Teilzeitbeschäftigten, die vermehrte Einstellung ausländischer Lehrkräfte, die Entlastung von Verwaltungs- und Organisationsaufgaben sowie die verstärkte Qualifikation von Seiteneinsteiger:innen in den Lehrberuf.

MIESE AUSSICHTEN

Vorhersagen , wie groß der Bedarf und der daraus entstehende Mangel an Lehrkräften in Deutschland sein wird, gehen stark auseinander. Selbst günstigere Prognosen aber gehen von einer erheblichen Lücke aus.

Im Jahr 2030 werden nach Berechnungen der Bundesländer rund 14 000 Lehrer und Lehrerinnen fehlen. Dies ergibt sich vor allem aus den erwarteten stark steigenden Zahlen von Schülern und Schülerinnen.

Von 81 000 fehlenden Lehrkräften geht dagegen der renommierte Bildungsforscher Klaus Klemm aus. Er hält die Annahmen der Länder zur Entwicklung der Schülerzahlen und den daraus abgeleiteten Lehrkräftebedarf für belastbar. Doch werde unter anderem die Zahl der künftigen Lehramtsabsolventen zu hoch eingeschätzt. pgh

Die SWK schlägt außerdem vor, ältere Schüler und Schülerinnen zeitweise selbstorganisiert und ohne Lehrkraft lernen zu lassen sowie Klassen zu vergrößern. Auch Hybridunterricht unter Einsatz von digitalen Medien könne Entlastung bringen. Zudem müssten Lehrkräfte Angebote zur Gesundheitsförderung erhalten, um den Belastungen gewachsen zu bleiben.

Der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (SPD) dankte den Mitgliedern der Kommission für ihren „Mut und ihre Klarheit“. Es dürfe keine Tabus im Umgang mit dem Lehrkräftemangel geben. Hoffnungen, das Problem lasse sich schnell lösen, erteilte er eine Absage. „Wir haben für die nächsten zehn bis 15 Jahre mit Sicherheit nicht genügend Lehrkräftenachwuchs“, sagte er.

Wie schwierig die Umsetzung mancher Maßnahmen werden könnte, machten die umgehend verschickten Stellungnahmen der Lehrkräfteverbände deutlich. Das „Politikversagen darf nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen werden“, hieß es dort einhellig.

Siehe Kommentar „Die größte Zumutung“

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