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Scholz auf großer Reise: Was der Kanzler in Indien vorhat

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Von: Stefan Krieger

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Scholz will bei seinem Besuch in Indien für Fortschritte „auf Augenhöhe“ werben.
Scholz will bei seinem Besuch in Indien für Fortschritte „auf Augenhöhe“ werben. © INA FASSBENDER/afp

Bundeskanzler Olaf Scholz will bei seinem Indien-Besuch für eine vertiefte Wirtschaftspartnerschaft werben. Es stehen aber schwierige Verhandlungen bevor.

Berlin/Neu-Delhi – Der Bundeskanzler auf bedeutsamer Auslandsreise: Mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begibt sich Olaf Scholz (SPD) am Samstag (25. Februar) erstmals nach Indien. Die Bundesregierung sieht das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern als strategischen Partner – und als große Chance für das Engagement deutscher Unternehmen. Doch politisch sind die Beziehungen nicht einfach. Indien ist bei Rüstung und Energielieferungen stark von Russland abhängig und hat den Angriffskrieg in der Ukraine bisher nicht verurteilt.

Scholz trifft am Samstagvormittag in Neu-Delhi ein. Dort wird er zunächst den indischen Premierminister Narendra Modi treffen. Beide kennen sich schon von einer Reihe von Begegnungen im vergangenen Jahr: Modi war im Mai in Berlin zu den deutsch-indischen Regierungskonsultationen und wurde von Olaf Scholz als Gast zum G7-Gipfel im Juni geladen. Beide trafen sich erneut beim G20-Gipfel im November in Indonesien.

Scholz zu Besuch in Indien: Keine gemeinsame Erklärung zum Krieg in der Ukraine

Mit einer grundlegenden Änderung der indischen Position zu Russland rechnet die Bundesregierung nicht. Eine gemeinsame Erklärung zum Ukraine-Krieg ist nicht geplant. Es gehe darum, „dass wir immer wieder für unseren Standpunkt, unsere Sichtweise auf diesen Konflikt werben müssen“, sagt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ziel sei es, mit Argumenten Narrative der russischen Seite zu entkräften.

Indien hatte es im März vergangenen Jahres in der UN-Vollversammlung abgelehnt, den russischen Einmarsch in der Ukraine zu verurteilen. Am Donnerstag enthielt sich das Land erneut bei der Abstimmung des UN-Gremiums über eine Resolution, die einen russischen Truppenabzug fordert. Das Land gehört gemeinsam mit Russland den „BRICS“-Staaten an. Indien ist sowohl nach Bevölkerung als auch nach Wirtschaftskraft der zweitgrößte der „BRICS“-Staaten und nach Kaufkraftparität bereits die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Ein Grund dürfte die hohe Abhängigkeit der noch stark von fossilen Energieträgern geprägten indischen Wirtschaft von russischen Öllieferungen sein. Zudem hängt das Land „zum großen Teil von russischer Waffenproduktion ab“, sagt ein deutscher Regierungsvertreter. „Dass das so bleibt, kann nicht in unserem Interesse sein.“ Abschlüsse mit deutschen Rüstungsfirmen seien für die Scholz-Reise aber noch nicht geplant.

Scholz zu Besuch in Indien: Deutsche Wirtschaft zurückhaltend

1800 deutsche Unternehmen sind bereits in Indien tätig. Bei der Wirtschaftszusammenarbeit gebe es aber noch ein „riesiges Potenzial“, sagt ein weiterer Regierungsvertreter. Dies gelte auch für Indiens Ausbau der Energiezeugung aus erneuerbaren Quellen. Beide Seiten hatten schon im vergangenen Jahr eine Zusammenarbeit bei Wasserstofftechnologie vereinbart.

Begleitet von einem Dutzend Unternehmensvertretern reist Scholz am Sonntag auch ins südindische Bangalore. Dort steht neben dem Besuch der Niederlassung des deutschen Softwarespezialisten SAP auch die Firma Sun Mobility auf dem Programm. Sie stellt austauschbare Batterien für Elektro-Kleintransporter her, der deutsche Bosch-Konzern ist mit 26 Prozent beteiligt.

Die deutsche Wirtschaft sieht jedoch große Investitionshemmnisse in Indien. In einer Umfrage der Auslandshandelskammer Indien antworteten laut Frankfurter Allgemeine Zeitung fast 70 Prozent der Unternehmen, sie wollten derzeit nicht in eine der größten Volkswirtschaften der Erde investieren. Auch fast ein Viertel der Befragten, die schon in Indien sind, planen demnach keine weiteren Investitionen. Als Probleme sehen deutsche Firmen Zollschranken, andere Handelshemmnisse und Bürokratie.

Die EU und Indien hatten im vergangenen Jahr beschlossen, ihre lange auf Eis liegenden Handelsgespräche wieder aufzunehmen. Offizielles Ziel ist der Abschluss eines Freihandelsabkommens sowie von Vereinbarungen zum Investitionsschutz und zu geografischen Herkunftsangaben bis Ende 2023.

Es seien allerdings „sehr schwierige Verhandlungen“, auch wegen der Situation im Ukraine-Krieg, sagt ein Berliner Regierungsvertreter. Scholz wolle bei seinem Besuch für Fortschritte „auf Augenhöhe“ werben. Wichtig für deutsche Firmen sei insbesondere auch die Öffnung der Beschaffungsmärkte. Teils werde aber inzwischen bereits der Sommer kommenden Jahres als „sehr ehrgeizig“ für einen Abschluss gesehen.

Weiteres Thema des Besuchs sind Fachkräfte, etwa im IT-Bereich. Hier hatten Deutschland und Indien Ende 2022 ein Mobilitätsabkommen geschlossen. Laut Bundesregierung geht es nun darum, das Abkommen zügig in Kraft zu setzen und „mit Leben zu füllen“. Indien hat in diesem Jahr den Vorsitz in der G20 der weltweit wichtigsten Wirtschaftsmächte. Im September findet in Neu Delhi das jährliche Gipfeltreffen der Staatengruppe statt, zu dem Scholz erneut nach Indien reisen wird. (skr/AFP)

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