Berlin-Wahl 2023: Schlechter als befürchtet
Hohe Kriminalität, kaputte Behörden, Wahlwiederholung: Für viele ist die Hauptstadt eine „failed city“. Aber stimmt das überhaupt?
Berlin – Hierarchie ist effizient – jedenfalls in der Tierwelt. Das können die Berliner und Berlinerinnen gut in ihrem Zoo beobachten. Dort gibt es eine Gruppe von Gorillas. Und der Silberrücken hat das Sagen. Wenn es mal Streit gibt, muss er dazwischengehen. Er ist eine Art Obmann für Affen, Anführer und Schlichter in einem. Was im Zoo funktioniert, scheitert auf grandiose Weise in der Berliner Lebenswelt. Der Grund: Man hält nicht so viel von Hierarchien. So etwas sei im Zoo bestens aufgehoben.
Wer in der Verwaltung Berlins von Effizienz spreche, habe die Belegschaft schon gegen sich, berichten Insider. Dumm nur, dass der Argwohn gegen Hierarchien und Effizienz ein hohes Maß dazu beigetragen haben, diese Stadt zu einer „failed city“ zu machen. Denn genau das ist das heutige Berlin, eine gescheiterte Stadt. Es herrschen chaotische Zustände.

Wahlwiederholung in Berlin: Die jüngste Stadtgeschichte ist reich an Tiefpunkten
Die jüngste Stadtgeschichte ist reich an Tiefpunkten, die sie weltweit zu einer Lachnummer haben werden lassen. Gewiss, Berlin mag eine gewisse Anziehungskraft besitzen. Aber wie lange noch? Viele ziehen ja bereits ins Umland, weil ihnen diese Stadt zu laut, zu dreckig und zu teuer geworden ist. Und ihnen die Berliner Schnauze, die direkte und raue Art der Meinungsäußerung, zunehmend auf die Nerven fällt.
Die Schullandschaft ist eine Katastrophe. Der Wohnungsmarkt ein einziges Desaster. Welche Normalfamilie kann es sich noch leisten, in Berlin zu leben?
Pro und Contra
Dieser Artikel ist Teil einer Pro-und-Kontra-Betrachtung zur Frage, ob Berlin eine gescheiterte Stadt ist. Eine ganz andere Meinung aus der FR-Redaktion vertritt Martin Benninghoff, Leiter des Politikressorts der Frankfurter Rundschau. Er sagt: Berlin ist besser als behauptet.
Das Wahlchaos vom September 2021 ist nur eine Geschichte der vielen Katastrophen, die eine versagende Staatlichkeit verursacht hat. In Charlottenburg-Wilmersdorf sind die Ergebnisse sogar geschätzt worden. Wo gibt es das sonst in Deutschland, außer in Berlin? Falsche und fehlende Wahlzettel, Wahlschätzungen ... Wohlgemerkt, es handelt sich hier um die Hauptstadt der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt und nicht um einen kleinen Staat, dessen Menschen täglich ums Überleben kämpfen und dem die Mittel für eine wirkungsvolle Verwaltung fehlen, weil die Armut so groß ist.
Zuletzt stand die Stadt mal wieder in den Schlagzeilen, als in der Silvesternacht Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr massiv attackiert wurden. Man attestierte Berlin anarchische Zustände. Die Hauptstadt der Deutschen habe sich von der Banlieue von Paris in nichts unterschieden. Ist das noch sexy oder nur noch armselig, fragte der „Focus“.

Berlin-Wahl 2023: Man könnte es im Scheitern ganz wunderbar in Berlin aushalten
Berlin ist ein Anziehungspunkt für Künstler:innen und Kreative. Das stimmt. Aber hier beginnt aus Sicht vieler schon das Problem. Denn vor allem die Tatsache, dass Berlin „strukturell links“ sei, habe zu einer vollkommen ineffizienten Verwaltungsstruktur geführt, die die derzeitigen Probleme verursache. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ stellte die Frage, ob es vielleicht daran liegen könne, dass die Stadt eben so links sei, also antiautoritär und daher unregierbar. Dies gehöre ja schon lange zu den Berliner Mindsets. In der Tat wird die Meinung geteilt, dass die Zuwanderung aus Westdeutschland nach Berlin zur Zeit des Kalten Krieges auch vor allem durch Wehrdienstverweigerer erfolgte. Was sich ausgebreitet habe, sei eine Mentalität des Nehmens ohne Gegenleistung.
Man könnte es im Scheitern ganz wunderbar in Berlin aushalten. Berlin ist überdies mittlerweile die Hauptstadt des Verbrechens. Aber besonders der Bau des Hauptstadtflughafens BER machte die Stadt weltweit zu einer Lachnummer. Das Behörden-Pingpong von Berlin ist fast schon legendär. Da sich niemand zuständig fühlt und Anfragen per se weitergereicht werden, entsteht nicht nur der Eindruck einer unregierbaren Stadt. Sie ist es auch. Nun steht eine Verwaltungsreform bevor. Reform ist auch so ein Wort, das die Berliner:innen nicht mögen.
Von der Wahl erwarten sie nichts, die Beteiligung dürfte historisch gering sein. Und diesmal sogar die sonst als Schrebergarten-Partei verschriene CDU die Wahl gewinnen. (Michael Hesse)