Scharfe Reaktionen auf Friedensaufruf von Brandt, Hoffmann und Müller

Prominente aus SPD und Gewerkschaften hatten Waffenstillstand gefordert- Mützenich unterstützt Appell.
Der Friedensaufruf von prominenten früheren SPD-Politiker:innen und ehemaligen Gewerkschaftsvorsitzenden ist am Wochenende auf teilweise scharfe Kritik gestoßen. Unter dem Titel „Frieden schaffen!“ hatten sich die Initiatoren um den Historiker und Sohn Willy Brandts (SPD), Peter Brandt, den früheren DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann, den Ex-SPD-Abgeordneten Michael Müller sowie Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro auf die Entspannungspolitik des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt berufen.
„Der große Willy Brandt verstarb 1992“, erwiderte der SPD-Außenpolitiker Michael Roth auf Twitter und fügte hinzu: „Können wir einfach mal etwas demütiger sein und ihn nicht ständig als Kronzeugen bei aktuellen Krisen, Kriegen und Konflikten anführen?! Das wird weder ihm noch der Lage gerecht.“ Auch er wolle Frieden schaffen, versicherte Roth, „aber eben einen gerechten“, der die Freiheit und Souveränität der Ukraine sichere. „Ein Waffenstillstand ohne vollständigen Rückzug der Truppen nutzt nur Putin“, urteilte der Sozialdemokrat, der dem Auswärtigen Ausschuss im Bundestag vorsitzt.
Ähnlich reagierte der ehemalige Ausschussvorsitzende Ruprecht Polenz (CDU), der nach seiner aktiven Zeit als Politiker vor allem in den sozialen Medien als politischer Kommentator sehr aktiv ist. „Friedensaufrufe, die sich vor allem an den Angegriffenen richten, helfen Putin, der den Krieg morgen beenden könnte“, befand der frühere Bundestagsabgeordnete und zeitweilige Generalsekretär der CDU.
„Schert euch zum Teufel“
Am schärfsten fiel die Reaktion des früheren ukrainischen Botschafters in Deutschland und heutigen Vize-Außenministers Andrij Melnyk aus. Er twitterte: „Hallo Peter Brandt & Co., schert euch zum Teufel mit eurer senilen Idee, einen ,schnellen Waffenstillstand‘ zu erreichen und ,den Frieden nur mir Russland zu schaffen‘. Die Ukrainer lehnen diesen Firlefanz ab. Punkt.“ Sein Nachfolger in der diplomatischen Vertretung in Berlin, der amtierende ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev, unterstützte die Äußerung Melnyks in der Sache, allerdings in weniger scharfem Ton: „Dieser Friedensappell ist kein Aprilscherz. Das ist ein purer Zynismus gegenüber den zahlreichen Opfern der russischen Aggression“, sagte er. Der Friedensaufruf habe nur eines zum Ziel: „Die Verbrechen Russlands und dementsprechend die Verantwortung des russischen Regimes zu verschleiern.“ Angesichts des brutalen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine laute der einzig mögliche Friedensappell: „Herr Putin, ziehen Sie sofort Ihre Truppen aus dem kompletten ukrainischen Territorium ab!“
Auch aus der deutschen Wissenschaft kam scharfe Kritik: Der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München, der in der Öffentlichkeit für eine Unterstützung der Ukraine mit Waffen plädiert, entgegnete Peter Brandt und seinen Mitstreiter:innen: „Kinners, ihr habt den Schuss noch immer nicht gehört.“
Allerdings gibt es auch weitere prominente Unterstützung, so von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: „Der Aufruf kommt zur rechten Zeit. Wir dürfen dem Krieg nach einem Jahr weder achselzuckend begegnen, noch die Diplomatie zur Seite legen“, ließ er am Sonntag mitteilen. „Wenn der Aufruf in den kommenden Wochen zu einer sachlichen Diskussion beitragen würde, dann wäre nach zu vielen verengten, oft auch polternden Debatten schon viel erreicht.“
Am Samstag war der Aufruf veröffentlicht worden, zunächst in der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung. „Die Welt darf nicht in einen neuen großen Krieg hineinschlittern“, warnten die Verfasser in dem Text. „Das Wichtigste ist, alles für einen schnellen Waffenstillstand zu tun, den russischen Angriffskrieg zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen zu finden.“
Thierse hat unterschrieben
Unterzeichnet war der Aufruf von zahlreichen früher hochrangigen SPD-Politiker:innen wie dem Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen und dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, dem Ex-Ministerpräsidenten Hessens und Bundesfinanzminister Hans Eichel, von früheren Gewerkschaftsvorsitzenden wie Michael Sommer, Jürgen Peters, Klaus Zwickel und Franz Steinkühler sowie von prominenten Personen aus Wissenschaft und Kulturleben. Auch Willy Brandts früherer Büroleiter Karl-Heinz Klär hat unterschrieben. (mit mben)