1. Startseite
  2. Politik

PR-Firma bietet der „PARTEI“ Regierungsbeteiligung an - für 800.000 Euro

Erstellt:

Von: Sandra Kathe

Kommentare

Martin Sonneborn (Die PARTEI) stellt Journalist und Neu-Wahlkampfmanager 480 Euro Etat in Aussicht.
Martin Sonneborn (Die PARTEI) stellt Journalist und Neu-Wahlkampfmanager 480 Euro Etat in Aussicht. Die PR-Profis fordern über 800.000 Euro. © NDR/Filme und Konsorten

Im Rahmen einer Investigativreportage traf ein NDR-Journalist einflussreiche Londoner PR-Firmen um den Wahlkampf der Satirepartei „Die PARTEI“ voranzutreiben.

London/Berlin - In einem investigativen Reportagefilm hat ein Team um Filmemacher Peter Kreysler die Praktiken von PR-Firmen aufgedeckt, die als Nachfolger des skandalträchtigen Unternehmens Cambridge Analytica international Wahlen beeinflussen. Dafür schleuste sich Kreysler unter falschem Namen als angeblicher Wahlkampfstratege der Satirepartei „Die Partei“ bei Londoner PR-Agenturen ein und fragt nach, wie die PR-Profis der Partei im Wahlkampf zur Bundestagswahl behilflich sein könnten.

Für den Test recherchierte das Team die wichtigsten PR-Firmen mit entsprechender Spezialisierung: Acht der wichtigsten in Europa haben ihren Hauptsitz in London. Hier arbeiten ihren Recherchen nach auch ehemalige Beschäftigte von Cambridge Analytica, der Firma, die im US-Wahlkampf 2017 mit einem Datenskandal und großflächiger Wahlmanipulation zugunsten des Republikaners Donald Trump im Sozialen Netzwerk Facebook über Nacht Bekanntheit erlangt hatte. Um der PARTEI in Deutschland zu mehr Einfluss zu verhelfen haben die Nachfolgeunternehmen schon konkrete Pläne. Der Kostenfaktor liegt bei über 800.000 Euro.

Emotionen und Schmutzkampagnen: Wie PR-Firmen die Bundestagswahl beeinflussen können

Um seine neue Identität als Wahlkampfmanager bei den vorsichtigen Firmen glaubhaft zu vermitteln, arbeitete Kreysler für die Recherche tatsächlich mit der Satirepartei „Die PARTEI“ unter Bundesvorsitzendem Martin Sonneborn zusammen, schickte offizielle Anfragen direkt aus der Geschäftsstelle der Partei in Berlin. Die Partei stellte er in seinen Kontaktanfragen als „aufstrebende populistische Partei mit 50.000 Mitgliedern“ vor, die für die Bundestagswahl Wähler gewinnen will, nahm unter anderem telefonisch Kontakt mit dem PR-Unternehmen Kanto Systems auf, dem Unternehmen des Brexit-Kampagnenstrategen Thomas Borwick in London.

Dieser erklärt Kreysler vor versteckter Kamera, wie das System funktioniert: Durch komplexe Datenanalysen wird eine potenzielle Zielgruppe ausgemacht, „verschiedene Anbieter“ können der Agentur dabei helfen an die Daten von Internetnutzern zu kommen, die dann gezielt mit Kampagnen-Informationen angesprochen würden. Dafür würden gezielt Emotionen angesprochen - Angst, Hoffnung aber auch Liebe - die dann mit konkreten politischen Zielen verknüpft würden. Eine andere PR-Expertin erklärt in einer Videokonferenz: „Du musst in das Gehirn der unentschiedenen Wähler eindringen. Der beste Weg sie zu beeinflussen ist eine Schmutzkampagne.“ Der erste Schritt in die Zusammenarbeit könne also sein, eine Detektei auf die politischen Gegner anzusetzen, um Schwachstellen zu finden.

Transparenz als einzige Lösung für sauberen Wahlkampf: Gefahren für die Bundestagswahl

Datenexperten und Wissenschaftler, die Kreysler und sein Team für den Reportagefilm interviewen, warnen vor dem großen Einfluss, den ähnliche Praktiken auch bereits in Deutschland haben. Eine versuchte Unterwanderung der Demokratie sei auch bei der Bundestagswahl 2021 in Deutschland kein Risiko mehr, sondern bereits Realität, sagt Ben Scott, der als Datenexperte Regierungen und die EU-Kommission berät. Er sieht als einzigen Ausweg im Fazit des Films eine Aufforderung an alle politischen Parteien transparent Wahlkampf und PR-Maßnahmen zu betreiben, ohne gekaufte Likes, ohne Schmutzkampagnen und ohne das Schüren von Hass.

Die mögliche Lösung, die der falsche Wahlkampfmanager der PARTEI von den drei PR-Agenturen angeboten bekommt, liegt von dieser Forderung weit entfernt. Rund 800.000 Euro Kampagnenkosten für die Chance einer Regierungsbeteiligung der Satirepartei. Ob die 480 Euro Wahlkampf-Etat, die Sonnemann dem Reporter Kreysler zu Beginn des Films in Aussicht stellt, dafür eine geeignete Anzahlung sind, bleibt zum Ende des Films offen.

Frankfurter PARTEI-Politiker Nico Wehnemann: Internationale Unterstützung für 9 Prozent

Beschaffen ließe sich das Budget für die Einflussnahme durchaus, betont der Frankfurter PARTEI-Politiker Nico Wehnemann auf Nachfrage der Frankfurter Rundschau: „Um die nötigen 815.000 Euro zusammenzubekommen, bereiten wir intern schon Anträge an unseren BundesPARTEItag vor. Dort sollen unsere 56.000 Mitglieder:innen, zum Wohle der Machtergreifung verpflichtet werden, uns wahlweise ihr Erbe zu überschreiben oder eine Sonderzahlung von 10 Euro zu leisten.“ Kommenden Dienstag träfe er sich außerdem „mit dem Spitzenpersonal des Hessischen Consular Corps zu einer Sondersitzung aka Sommerempfang, um die Unterstützung aus anderen Demokratien wie Usbekistan, Ungarn oder China zu erbitten“.

So solle es möglich sein, das die PARTEI, das Ruder für die Bundestagswahl noch zu ihren Gunsten herumreißen könne, so Wehnemann: Mit internationaler Hilfe sei sogar denkbar, mehr als die versprochenen 9 Prozent zu bekommen „und damit auch die Spaßpartei FDP zu überholen“. Denn: „Was die PR-Agenturen wohl nicht begriffen haben: Wir sind ja schon die ‚mitte-orientierte populistische Alternative‘ im Gegensatz zur AfD, weil wir stets im Interesse des Großteils der Menschen handeln.“ (ska)

Auch interessant

Kommentare