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Machtloser Putin: Menschen in Russland zahlen Schmiergeld, um Corona-Impfung zu entgehen

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Von: Stefan Scholl

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Wladimir Putin nimmt an der Jahresversammlung des Internationalen Diskussionsklubs „Waldai“ teil.
Wladimir Putin nimmt an der Jahresversammlung des Internationalen Diskussionsklubs „Waldai“ teil. © Maksim Blinov/dpa

Corona hat Russland im Griff: Mehr als 1000 Menschen sterben täglich. Die Korruption verschlimmert die Lage – viele Menschen trauen dem Impfstoff Sputnik nicht.

Moskau - Wladimir Putin zweifelt nicht, wo geschmiert wird. „Die Bürger der europäischen Staaten kommen, lassen sich bei uns mit Sputnik impfen, dort aber kaufen sie eine Bescheinigung, dass sie mit Pfizer geimpft sind“, erklärte Russlands Präsident im Oktober den staunenden Politologen des Waldai-Klubs. „Und das sagen Ärzte aus den europäischen Ländern.“

Aber Putins Russische Föderation, mit derzeit an die 40.000 Neuinfizierten und mehr als 1000 Todesfällen täglich einer der globalen Brennpunkte der Corona-Pandemie, stellt auch, was Covid-Korruption angeht, Antirekorde auf. Wie die Nachrichtenagentur Tass am Dienstag meldete, hat Russlands Polizei im laufenden Halbjahr bereits 503 Strafverfahren wegen der Verbreitung gefälschter Corona-Impfdokumente eröffnet und 293 Tatverdächtige ermittelt. 2036 einschlägige Websites wurden blockiert.

Russland: QR-Codes in Telegram-Chats

Der IT-Dienstleister Digital Risk Protection Group-IB machte laut der Zeitung Iswestija im September und Oktober 3158 neue digitale Verkaufsangebote für Impfzertifikate ausfindig, zwanzig Mal mehr als in den Sommermonaten. Auf Portalen, in sozialen Netzwerken und vor allem in Telegram-Chats mit bis zu 12.000 Mitgliedern würden auch staatliche QR-Codes, PCR-Tests oder Impfunverträglichkeits-Atteste angeboten. Und das Nachrichtenportal RBK berichtet unter Berufung auf das Softwareunternehmen Kaspersky Lab, im Darknet seien auch elektronische Zertifikate europäischer Impfstoffe zu haben, von Astrazeneca bis Moderna; die Dokumente stammen nach Angaben der Anbieter aus Ländern Osteuropas.

„Auf der Arbeit mussten sich alle impfen lassen, einer nach dem anderen wurde krank. Und ich wollte in Urlaub, ans Meer“, erklärte eine Verkaufsmanagerin aus einer Moskauer Vorstadt unserer Zeitung ihre Bereitschaft, Schmiergeld zu zahlen, um der Spritze zu entgehen. Eine weit verbreitete Bereitschaft, die offenbar Millionen Russ:innen in die Korruption treibt.

Fachleute der Nachrichtenagentur Interfax schätzen, etwa zehn Prozent der offiziell knapp 51 Millionen vollständig geimpften Russ:innen hätten in Wirklichkeit gefälschte Nachweise gekauft. Und Alexander Ginsburg, Direktor des Moskauer Gamaleja-Forschungsinstitut, das den russischen Impfstoff Sputnik entwickelt hat, vermutet, dazu gehörten auch 80 Prozent der Corona-Patient:innen, die trotz Impfung schwer an dem Virus erkrankt sind.

Eine Impfung in Russland: Manche Menschen im Land bestechen mutmaßlich medizinisches Personal, um die Impfung nur auf dem Papier zu erhalten.
Eine Impfung in Russland: Manche Menschen im Land bestechen mutmaßlich medizinisches Personal, um die Impfung nur auf dem Papier zu erhalten. © afp

Russland: Putin hält Sputnik für sicherer als den Impfstoff von Pfizer

Das Gamaleja-Institut hat inzwischen sogar einen neuen Test konstruiert, der Nichtgeimpfte entlarven soll. Als Marker benutzen die Forschenden einen Antikörper gegen den sogenannten Adenovirus, den Sputnik V enthält. Mediziner:innen streiten noch, ob das Ergebnis immer eindeutig sein wird.

Vor dem Waldai-Klub erklärte Putin, in Europa halte man Sputnik, in Russland praktisch Monopolimpfstoff, für sicherer als etwa Pfizer. Die Russ:innen sind wohl anderer Ansicht, ihre Impfrate liegt bei 35 Prozent – ohne die negative Dunkelziffer der mit Schmiergeld erkauften Zertifikate. Traurige Folge: Russland hat laut dem israelischen Statistiker Ariel Karlinsky im Oktober die USA als das Land mit der höchsten Übersterblichkeit in der Pandemie überholt. (Stefan scholl)

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