Erstmeldung: Brüssel/Washington D.C. – Mit dem Aufmarsch russischer Streitkräfte an der Grenze zur Ukraine wachsen im osteuropäischen Land und bei den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der Nato seit Wochen die Sorgen vor einer Invasion Russlands in der Ukraine. Auch die Verhandlungen zwischen den USA und Russland in Genf sowie der Nato-Russland-Rat in Brüssel blieben ohne Durchbruch. „Es besteht ein echtes Risiko für einen neuen bewaffneten Konflikt in Europa“, sagte deshalb Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem Treffen.
Die Gefahr einer russischen Invasion in der Ukraine scheint konkreter zu werden. So arbeitet Russland nach Angaben der US-Regierung bereits daran, einen Vorwand für einen Einmarsch zu schaffen. „Wir haben Informationen, die darauf hinweisen, dass Russland bereits eine Gruppe von Agenten aufgestellt hat, um einen Einsatz unter falscher Flagge in der Ostukraine auszuführen“, sagte ein Regierungsvertreter der USA am Freitag (14.01.2022). Die Agenten seien im Häuserkampf und im Einsatz mit Sprengstoff ausgebildet, um Sabotageakte gegen Russlands eigene Stellvertreter zu verüben.
„Russland legt die Grundlagen, um die Option zu haben, einen Vorwand für eine Invasion zu erfinden, unter anderem durch Sabotageakte und Informationsoperationen“, erklärte der US-Regierungsvertreter. Das Ziel der befürchteten russischen Aktion sei es, der Ukraine vorzuwerfen, einen „unmittelbar bevorstehenden Angriff auf russische Kräfte in der Ostukraine vorzubereiten“.
Die russischen Streitkräfte würden planen, mit diesen Aktivitäten einige Wochen vor einem militärischen Einmarsch zu beginnen, der „zwischen Mitte Januar und Mitte Februar“ starten könnte, sagte der US-Regierungsvertreter weiter.
Etwa 100.000 russische Soldaten soll Wladimir Putin bereits an die ukrainische Grenze geschickt haben. Zwar seien noch nicht alle Truppenteile für eine Invasion bereit, jedoch könne es nach Ansicht der Nato schon bald losgehen, berichtete der Spiegel. Die Invasion Russlands in der Ukraine soll jedoch nicht die einzige Sorge der Nato sein.
Russland könne neben der Ukraine auch weitere bewaffnete Auseinandersetzungen mit den westlichen Allianzen beginnen, berichtete der Spiegel am Donnerstag (13.01.2022) unter Berufung auf Quellen innerhalb der Nato. Dort kursiere die Befürchtung, dass die russischen Streitkräfte ihre massiv gesteigerte Präsenz im Mittelmeer, im Nordatlantik und in der Arktis, um einen groß angelegten Angriff – auch gegen Nato-Staaten – zu starten. Dabei sei außerdem mit Desinformationskampagnen und Cyberattacken zu rechnen.
Aktuell gebe es jedoch keine konkreten Hinweise auf Vorbereitungen für einen solchen Angriff, doch Moskaus Eskalationsmöglichkeiten seien real, berichtete der Spiegel. Die Nato hätte Russland demnach im Ernstfall weder militärisch noch digital schnell etwas entgegenzusetzen.
Seit Wochen machen sich Russland und die Nato gegenseitig Vorwürfe. Der Westen strebe nach militärischer Überlegenheit, so der Vorwurf von russischer Seite. Die Nato solle sich nicht weiter nach Osten ausdehnen und keine weiteren osteuropäischen Staaten wie die Ukraine aufnehmen, so die Forderung Russlands im Ukraine-Konflikt. Außerdem soll das westliche Militärbündnis seine Streitkräfte aus den östlichen Mitgliedsstaaten abziehen.
Die Nato befürchtet angesichts des massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine, dass Russland nach der Annexion der Krim 2014 einen Einmarsch im Nachbarland vorbereitet. Die Regierung von Wladimir Putin weist die Vorwürfe kategorisch zurück. (Max Schäfer mit AFP)