Nächster Schritt im nuklearen Säbelrasseln? Russische Städte renovieren Luftschutzbunker

Der Kreml reagiert offenbar auf die gestiegenen Bedrohungen durch den Ukraine-Krieg und lässt landesweit unzählige Bunker aufbereiten. Ist das ein weiterer Schritt in der Eskalationsspirale?
Moskau – Russland befindet sich nach offiziellen Angaben nicht im Krieg mit der Ukraine. An diesem Narrativ hält die russische Regierung seit der Invasion im Februar 2022 fest. Die russische Armee würde demnach lediglich eine „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine ausführen. Die seitdem von Moskau beschlossenen Maßnahmen weisen aber immer mehr darauf hin, dass der Kreml die Realität des Krieges akzeptieren muss. Nachdem Russland im vergangenen Jahr durch die Rekrutierung von 300.000 Reservisten seine Offensive verstärkt hatte, wird nun auch an der Defensive gearbeitet.
Ukraine-Krieg: Moskau lässt landesweit Bunker inspizieren und überarbeiten
Wie das russische Portal The Moscow Times mit Verweis auf diverse russische Offizielle berichtet, hat die Regierung in Moskau die großflächige Überholung von unzähligen Luftschutzbunkern im gesamten Land angeordnet. Das Vorhaben wurde wohl bereits im vergangenen Frühjahr vom Kreml angeordnet. Wahrscheinlich auch als Reaktion auf die ausbleibenden schnellen Erfolge auf dem Schlachtfeld, von denen die russische Machtelite offenbar ausgegangen war.
„Eine Entscheidung, das Netz der Luftschutzbunker zu inspizieren, wurde von der Regierung im Frühjahr getroffen“, erklärte ein anonym bleibender Regierungsmitarbeiter dem Portal. „Auf Anweisung aus Moskau“, sollen die Inspektions- und Reparaturarbeiten überall durchgeführt werden. Die Arbeiten sollen noch deutlich ins Jahr 2023 andauern.
Nächster Schritt im nuklearen Säbelrasseln? Bunker-Renovierung läuft bereits seit einem Jahr
Mit der Ankündigung könnte die russische Regierung mehrere Ziele verfolgen. Die Instandsetzung der Bunker kann als logischer Schritt im nuklearen Säbelrasseln mit dem Westen angesehen werden. Diverse hochrangige russische Politiker drohten im Laufe des Krieges immer wieder mit dem Einsatz von Nuklearwaffen. Allen voran Dimitri Medwedew, der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates, sorgte immer wieder mit verbalen Entgleisungen für Aufsehen. Der Ausbau des nationalen Bunker-Netzwerks könnte also als Signal an den Westen gedeutet werden, dass Russland vor einer weiteren Eskalation nicht zurückschrecken werde.
Präsident Wladimir Putin ordnete im Februar 2022 ebenfalls an, die atomaren Streitkräfte in hohe Alarmbereitschaft zu versetzen. Der Wiederaufbau der Verteidigung durch Bunker und andere zivile Verteidigungssystem könnte in engem Zusammenhang mit dieser Ankündigung gestanden haben.
Ukraine-Krieg: Moskau lässt Bunker für die Zivilbevölkerung instandsetzen
Darüber hinaus könnte Moskau sich mit den Maßnahmen auch gezielt an die russische Zivilbevölkerung richten. Der Kreml würde somit zum Ausdruck bringen, dass man sich um die Sicherheit der eigenen Bürgerinnen und Bürger kümmern werde. Denn gegen Ende 2022 war der Krieg auch endgültig auf dem russischen Staatsgebiet angekommen. Im Dezember wurden gleich mehrfach Angriffe auf die russische Grenzregion Belgorod ausgeführt. Fachleute gehen davon aus, dass ukrainische Drohnen für die Angriffe verantwortlich sein könnten. Kiew hat die Verantwortung für die Angriffe bisher jedoch nicht bestätigt.
Die Renovierungsarbeiten betreffen offenbar jedoch nicht nur Regionen, die an das Staatsgebiet der Ukraine grenzen. Auch im Osten von Russland – mehrere tausend Kilometern von der Grenze entfernt – sollen die Luftschutzräume auf Vordermann gebracht werden. Der überwiegende Großteil der Bunker in Russland stammt noch aus den Zeiten des Kalten Kriegs. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden diese nicht mehr benötigt und dem Verfall überlassen.
Zunehmende Militarisierung der Gesellschaft – Bunker-Instandhaltung als „notwendige Maßnahme“
„Nach der Mobilisierung scheint [die Aufrüstung von Luftschutzbunkern] eine notwendige Maßnahme und ein Ausdruck der Besorgnis des Staates gegenüber den einfachen Menschen zu sein“, analysierte Oleg Ignatov von der NGO International Crisis Group die russischen Maßnahmen gegenüber The Moscow Times. In den vergangenen Monaten sprachen Beobachter wiederholt von einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit innerhalb der russischen Bevölkerung. Die im Herbst angeordnete Teilmobilisierung, durch die weitere 300.000 Russen in den Krieg gezogen wurden, trug dazu bei.
Moskau setzt somit die zunehmende Militarisierung der Zivilbevölkerung also fort, auch wenn sich Russland nach Angaben des Kremls weiterhin nicht im Krieg mit der Ukraine befindet. (fd)