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„Nukleare Provokation“, geköpfte Söldner: Russland erhebt Vorwürfe gegen Ukraine - ohne Beweise

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Von: Florian Naumann

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Alexander Bastrykin trägt nicht nur bemerkenswerte Uniformen - er leitet auch eine russische „Ermittlungskommission“ zum Ukraine-Krieg.
Alexander Bastrykin trägt nicht nur bemerkenswerte Uniformen, er leitet auch eine russische „Ermittlungskommission“ zum Ukraine-Krieg. © IMAGO/Alexander Demianchuk

Russland erhebt wieder einmal teils befremdliche Vorwürfe gegen die Ukraine: Diesmal dürfte die internationale Gemeinschaft der Adressat sein.

Moskau – Russland hat seine Frühjahrs-Offensive im Ukraine-Krieg bereits gestartet - da sind sich unter anderem die Experten des Institute for the Study of War sicher. Die Erfolgschancen ordnete der US-Thinktank allerdings als gering ein. Womöglich läuft aber auch eine zweite, rhetorische Offensive an.

Im Herbst waren Wladimir Putins Sprachrohre dazu übergegangen, in drastischer Rhetorik den „Satan“ in der Ukraine zu verorten. Schon zu Beginn der Invasion hieß es, man habe es mit einem „Nazi-Regime“ zu tun, im Donbass laufe ein „Genozid“. Diese aus westlicher Sicht abstrusen Vorwürfe dürften an das russische Publikum adressiert worden sein - an religiöse Gefühle und den Stolz auf den Sieg über Nazi-Deutschland. Am Wochenende folgte ein Schwung an Anschuldigungen, der sich auch an das internationale Publikum richten dürfte.

Russland beschuldigt Ukraine ohne Beweise: Angebliche „nukleare Provokation“

Die Rede war unter anderem von Vorbereitungen für eine „nukleare Provokation“. In einer am Sonntag (19. Februar) veröffentlichten Mitteilung behauptet Russlands Militärführung, dass Kiew einen „groben Verstoß“ gegen die atomare Sicherheit Moskau in die Schuhe schieben wolle. Das Ministerium erklärt aber weder, wie es zu dieser Anschuldigung kommt, noch gibt es Beweise dafür.

Schon zuvor hatte auch der russische Präsident Wladimir Putin behauptet, er kenne den Ort, an dem Kiew eine schmutzige Bombe mit nuklearem Material baue. Experten der Internationalen Atomenergiebehörde reisten eigens in die Ukraine, um die Vorwürfe zu prüfen. Es gab keine Bestätigung für die russischen Behauptungen.

Ukraine-Krieg: Bemerkenswerte Vorwürfe - Putins Ermittler rügt Söldner-Einsatz

Der Chef eines russischen „Ermittlungskomitees“ erhob zudem Vorwürfe über Verbrechen im Krieg. Die Ukraine enthaupte getötete Söldner aus ihren Reihen, um deren Identität zu verschleiern, behauptete Alexander Bastrykin in einem am Montag veröffentlichten Gespräch mit der Staatsagentur Tass. Den Gefallenen seien auch die Hände abgeschnitten worden. Mehrere verstümmelte Leichen seien im Kriegsgebiet gefunden worden. Belege oder nähere Informationen lieferte die Agentur nicht mit.

Wladimir Putin und Alexander Bastrykin (re.) bei einem Treffen im Herbst 2022.
Wladimir Putin und Alexander Bastrykin (re.) bei einem Treffen im Herbst 2022. © IMAGO/Gavriil Grigorov/Kremlin Pool

Zugleich erklärte Bastrykin, ausländische Söldner der Ukraine erhielten umgerechnet zwischen 820 und knapp 2750 Dollar an Sold. Der Einsatz von Söldnern sei international geächtet, betonte er.

Dass auch ausländische Kämpfer für die Ukraine im Krieg tätig sind, ist allerdings kein Geheimnis. Auch nicht, dass Russland selbst in großem Stile auf Söldner setzt und russische Söldner im Ausland aktiv sind. Nicht offizielle bestätigte Berichte über russische Rekrutierungen im Ausland, etwa in Afghanistan, kursieren ebenfalls. Offen bleibt auch die Frage, ob der genannte Sold tatsächlich ein nennenswerter Anreiz für westliche Kämpfer wäre, im Ukraine-Krieg ihr Leben zu riskieren.

Putins Kreml äußert sich zur Krim-Brücke: Täter auch aus Russland

Plausibler klingt eine andere Vorhaltung Bastrykins: Der Angriff auf die Krimbrücke im vergangenen Oktober sei von ukrainischen Geheimdiensten organisiert worden, erklärte er Tass. Zwölf mutmaßliche Täter aus der Ukraine, Armenien, Georgien und Russland seien bereits identifiziert, acht von ihnen befänden sich in Haft. Zugleich legt diese Mitteilung nahe, dass die Ukraine auf ein Unterstützer-Netzwerk auch in Russland und im weiteren postsowjetischen Raum zurückgreifen kann. Das Land hatte eine Beteiligung an der Attacke auf die symbolisch bedeutsame Brücke nie bestätigt. Präsidentenberater Michailo Podolyak kündigte indirekt aber weitere ähnliche Aktionen an.

Schon seit Beginn der Invasion erhebt Russland Vorwürfe gen Kiew - wohl auch, um den Angriffskrieg zu rechtfertigen. Bestimmte Anwürfe schüren aber immer wieder auch die Sorge vor einer weiteren Eskalation von russischer Seite. So hatte Moskau etwa behauptet, in der Ukraine gebe es geheime Bio-Labore. Einige Beobachter warnten, dies könne Vorzeichen für einen russischen Einsatz von Biowaffen sein.

Die Vorhaltungen könnten auch als Werben um Verständnis auf internationalem Parkett zu verstehen sein. Experten der Münchner Sicherheitskonferenz hatten zuletzt einen „Wettbewerb der Systeme“ diagnostiziert und eine Charmeoffensive für Unterstützung aus dem „globalen Süden“ angemahnt.

Russlands Vorwürfe im Ukraine-Krieg: Immer wieder „False Flag“-Warnungen

Auch vor bevorstehenden „False-Flag“-Aktionen hatte Russland im Ukraine-Krieg immer wieder einmal gewarnt - etwa rund um einen Staudamm nahe Cherson. Allerdings blieben entsprechende Vorfälle fast immer aus. Unklar ist dennoch, was nun hinter den Vorwürfen über eine „nukleare Provokation“ steckt. Die EU sieht eine massive Desinformationskampagne aus Russland als Teil eines Kampfes um „Herzen und Köpfe der Menschen“.

Den russischen Angaben zufolge will Kiew in der kommenden Woche zum ersten Jahrestag des am 24. Februar von Putin befohlenen Angriffskriegs Moskau der wahllosen Bombardierung von nuklearen Objekten sowie der radioaktiven Verseuchung der Umwelt beschuldigen. Dafür seien von einem - namentlich nicht genannten - europäischen Staat unter Umgehung der Zollbestimmungen einige Behältnisse mit radioaktiven Stoffen transportiert worden. Das Material solle dann verwendet werden, um eine Verseuchung an radioaktiv gefährlichen Objekten zu inszenieren.

Die Ukraine wirft wiederum Russland immer wieder vor, mit an Kernkraftwerken vorbeifliegenden Raketen eine atomare Katastrophe auslösen zu wollen. Die Führung in Kiew spricht von Terrorismus und Sanktionen auch gegen Moskaus Atomindustrie. (fn/dpa)

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