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Eskalation in Russland: US-Journalist wegen „illegaler Aktivitäten“ in Haft

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Von: Nadja Austel

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Die russischen Behörden haben Evan Gershkovich, einen US-Reporter des „Wall Street Journal“, wegen Spionagevorwürfen in Untersuchungshaft genommen.

Moskau – Der US-Korrespondent bleibt vorerst bis zum 29. Mai in Untersuchungshaft, doch diese könnte anschließend verlängert werden, erklärt das Gericht in Moskau am heutigen Donnerstag (30. März). Die Verhaftung und Inhaftierung des Journalisten sorgte für globales Aufsehen. Der russische Geheimdienst FSB hatte zuvor bereits gemeldet, er habe die „illegalen Aktivitäten des US-Bürgers Evan Gershkovich“ in Russland gestoppt.

Gespräche über einen möglichen Gefangenenaustausch mit den USA hält das Außenministerium Russlands aktuell für verfrüht, so die Informationen der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (afp). Gefangenenaustausche in der Vergangenheit hätten Menschen betroffen, die bereits verurteilt wurden. Man müsse abwarten, „wie sich diese Geschichte entwickelt“. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldet unter Berufung auf Polizeikreise, dass der Fall als „streng geheim“ eingestuft wird.

Russland erhebt Spionagevorwürfe: US-Journalist inhaftiert

Der beim russischen Außenministerium akkreditierte Korrespondent des Moskauer Büros des Wall Street Journal stehe im Verdacht der „Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung“, hieß es vom FSB. Der 31-Jährige werde verdächtigt, Informationen „über ein Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes“ in Russland gesammelt zu haben. Bei einer Anklage können laut dem russischen Strafgesetzbuch zehn bis 20 Jahre Haft drohen.

Der Journalist wird unter Bewachung in ein Auto geleitet.
Der US-Reporter kommt in Russland wegen Spionagevorwürfen in Untersuchungshaft. © dpa/pa/Alexander Zemlianichenko

Dem FSB zufolge wurde Gershkovich in Jekaterinburg, 1.800 Kilometer östlich von Moskau, festgenommen, „als er versuchte, geheime Informationen zu beschaffen“. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte, Gershkovich sei „auf frischer Tat“ gefasst worden. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte, es gehe nicht um bloße Verdächtigungen, der US-Reporter sei regelrecht „ertappt“ worden. Konkrete Angaben zu der Festnahme machte Peskow jedoch nicht.

Wie der Spiegel berichtet, sagte Gershkovichs Anwalt Daniil Berman Journalisten vor dem Gerichtssaal, dass er vor dem Verfahren keinen Zugang zu seinem Mandanten erhalten habe.

Russland setzt beim Ukraine-Konflikt weiter auf Zensur – US-Journalist in Haft

Der Journalist wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe allerdings zurück. Auch das Wall Street Journal erklärte die Anschuldigungen gegen seinen Reporter als falsch und wies sie „vehement“ zurück. Man sei „zutiefst in Sorge um die Sicherheit von Herrn Gershkovich“. Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen zeigt sich „beunruhigt über das, was nach einer Vergeltungsmaßnahme aussieht“. Der 31-Jährige habe lediglich „zum Militärunternehmen Wagner“ recherchiert, eine russische Söldnertruppe, die eine wichtige Rolle bei Russlands Offensive im Ukraine-Krieg spielt.

Bevor Gershkovich im vergangenen Jahr zum Wall Street Journal wechselte, war er Korrespondent für die Nachrichtenagentur afp in Moskau. Zuvor arbeitete er für die Moscow Times, ein englischsprachiges Nachrichtenportal. Gershkovich ist gebürtiger Russe, seine Familie wanderte in die USA aus, als er ein Kind war, so die Angaben der afp zu seiner Person.

In Russland sollen Kritiker schweigen: Wenn Interesse als Spionage gilt

Die Festnahme des 31-Jährigen stellt nach Einschätzung der afp eine Eskalation in den Bemühungen des Kremls dar, vermeintliche Kritiker zum Schweigen zu bringen. Westliche Journalisten seien in Russland mit zunehmenden Einschränkungen konfrontiert. „Das Problem ist die Tatsache, dass die Art und Weise, wie der FSB Spionage heute auslegt, bedeutet, dass jeder, der sich einfach nur für militärische Angelegenheiten interessiert, für 20 Jahre inhaftiert werden kann“, erklärte die russische Politologin Tatiana Stanowaja bei Facebook. Dies betreffe auch die „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine und private Militärgruppen, wie die Wagner-Gruppe.

Stanowaja zufolge könnte der FSB Gershkovich aber auch als „Geisel“ für einen möglichen Gefangenenaustausch genommen haben. Derzeit sind mehrere US-Bürger in Russland in Haft. Washington und Moskau hatten sich in der Vergangenheit gegenseitig beschuldigt, politisch motivierte Festnahmen vorzunehmen. Den jüngsten Gefangenenaustausch zwischen Washington und Moskau gab es im vergangenen Dezember. Dabei ließ Russland die US-Basketballerin Brittney Griner im Austausch gegen den russischen Waffenhändler Viktor Bout frei.

Russland gegen die freien Medien: Pressefreiheit wird kleingeschrieben

Unter Journalisten wird die Verhaftung teilweise auch als Zeichen des russischen Autokraten Wladimir Putin gegen die freien Medien verstanden. Russlands Präsident führe seinen jahrelangen Feldzug gegen sie fort und erweitere ihn, indem er erstmals seit Ende des Kalten Krieges in Russland wieder einen Korrespondenten wegen Spionagevorwürfen festnehmen ließ.

Nach innen sende er so das Signal, wachsam zu sein und frischt seine Erzählung von der Täter-Opfer-Umkehr auf, wonach der Westen Russland bedrohe und Moskau sich deshalb mit allem Nötigen verteidigen müsse – auch mit einem Krieg in der Ukraine. Zugleich erhöht er erneut den Druck gegen alle Journalist:innen aus dem Ausland. (na)

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