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Russischer Spion bei Bewerbung für UN-Gerichtshof enttarnt

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Von: Sandra Kathe

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Seit Wochen laufen beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag Ermittlungen gegen Russland.
Seit Wochen laufen beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag Ermittlungen gegen Russland. Ein erfolgreicher Spionageeinsatz hätte auch aus diesem Grund womöglich schlimme Folgen gehabt. © Ramon van Flymen/AFP

Beim Versuch über ein Praktikum den Internationalen Gerichtshof zu unterlaufen, haben Sicherheitskräfte die falsche Identität eines russischen Spions enthüllt.

Den Haag – Statt als unbezahlter Praktikant beim Internationalen Gerichtshof der UN (IGH) landete ein russischer Spion im April in einem Flugzeug nach Brasilien, von wo aus er versucht hatte in die Niederlande einzureisen und dort seine Stelle anzutreten. Mitarbeiter:innen des niederländischen Geheimdienstes AIVD waren bereits vorab auf den Mann aufmerksam geworden, der sich als Brasilianer ausgab und enthüllten seine wahre Identität als die des 36-jährigen Russen Sergey Cherkasov.

Cherkasov soll laut einer am Donnerstag (16. Juni) veröffentlichten Mitteilung der niederländischen Sicherheitsbehörde versucht haben, sich als Spion für den russischen Militär-Geheimdienst GRU beim IGH in Den Haag einzuschleusen. Sein Bewerbungsverfahren lief laut einem Bericht des britischen Senders BBC bereits seit Ende 2020. Bereits Jahre vorher soll Cherkasov damit begonnen haben, eine falsche Identität aufzubauen.

Russischer Spion beim IGH in Den Haag: Russe gab sich als Brasilianer aus

In dem Bericht des BBC heißt es, das älteste Dokument, das die Spionagetätigkeit von Cherkasov belege stamme mindestens aus dem Jahr 2010. Darin schreibt der GRU-Spion sein Name sei Viktor Muller Ferreira und berichtet auch über persönliche Details seines bisherigen Lebens: „Mein Vater schien immer ein freundlicher und offener Mensch zu sein, aber zu meinem Erstaunen erkannte ich, dass ich ihn für den Tod meiner Mutter und Tante verantwortlich machte, genau wie für alle Probleme und Demütigungen, die ich in meinem Leben erdulden musste,“ zitiert der BBC aus dem seltsam klingenden Dokument, das eines der Beweisstücke gewesen ist, die den russischen Spion letztlich entlarvten.

Eine Hochschullehrkraft, die angab den Mann unter seinem falschem Namen unterrichtet zu haben, sagte dem BBC: „Er hatte einen Akzent, den ich nicht zuordnen konnte, aber Russisch war es sicher nicht“. Das Talent seine wirkliche Herkunft zu verbergen, mag auch einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Cherkasov so lange unentdeckt unter falschen Vorgaben leben konnte. In seiner falschen Identität soll er sowohl an der renommierten US-amerikanischen Johns Hopkins University als auch am Trinity College in der irischen Hauptstadt Dublin studiert und dabei zahlreiche Kontakte zu Kommiliton:innen erlangt haben, die nach dem Studium Karriere in Wirtschaft und Politik machten.

„Potenziell sehr hohe Bedrohung“: Niederländischer Geheimdienst vereitelt Spionageversuch durch Russland

Laut der Einschätzung der niederländischen Geheimdienstbeschäftigten des AIVD hätte der 36-Jährige bei einer erfolgreichen Durchführung seines Plans großen Schaden anrichten können: „Falls es dem Geheimdienstmitarbeiter gelungen wäre, seine Stellung beim Internationalen Gerichtshof anzutreten, hätte er dabei wichtigen Zugriff zu Informationen erlangt, etwa zu den digitalen Systemen des UN-Gerichtshofs“, heißt es in der AIVD-Stellungnahme, die den Spion als „potenziell sehr hohe Bedrohung“ einstufte.

Laut der Definition des Geheimdiensts handle es sich bei Cherkasov um einen so genannten „illegalen Spion“, der sich von anderen Geheimdienstbeschäftigten – etwa in Diplomatiekreisen – insofern unterscheidet, dass er seine wahre Herkunft verschleiert. So geben sich viele „illegale Spion:innen“ etwa als britischer, US-amerikanischer, kanadischer oder eben brasilianischer Herkunft aus, um ihre Spionagetätigkeit noch weiter zu verschleiern. In einem Beweisstück hätte Cherkasov etwa angegeben, brasilianische Beschäftigte gebe es beim IGH kaum. Er sah darin bessere Chancen, die Behörde zu infiltrieren.

Ermittlungen wegen Ukraine-Krieg: IGH hat russische Kriegsverbrechen im Visier

Das internationale Rechtsorgan der Vereinten Nationen ermittelt aktuell vor allem aufgrund des Ukraine-Kriegs und der gewaltvollen Invasion des Nachbarlandes gegen Russland. Eine offizielle Ermittlung des IGH aufgrund von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit läuft bereits seit Anfang März. Auch wegen des 2008 gegen Georgien geführten Kaukasuskriegs laufen Ermittlungen gegen Russland. Der Zugriff auf die Daten des Gerichtshofs hätten Russland vor allem aus diesen Gründen große Vorteile verschafft, heißt es vonseiten des AIVD. (ska)

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