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Sanktionen gegen Russland: Wie die Maßnahmen den Alltag im Land verändert haben

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Von: Nail Akkoyun

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Menschen laufen über den Roten Platz in Moskau. (Archivfoto)
Menschen laufen über den Roten Platz in Moskau. (Archivfoto) © Bai Xueqi/Imago

Wirtschaftlich macht sich der Ukraine-Krieg in Deutschland bemerkbar, doch wie sieht es in Russland aus? Ein Blick in den russischen Alltag.

Moskau – Der Ukraine-Krieg* sorgte zuletzt für beispiellose finanzielle Sanktionen gegen Russland* seitens der EU*, Großbritannien* und den USA*. Darüber hinaus haben sich bereits in kurzer Zeit diverse internationale Unternehmen aus dem Land zurückgezogen. Die Auswirkungen der Maßnahmen sind schon jetzt immens zu spüren, dabei könnten diese ersten Konsequenzen gerade einmal den Anfang darstellen.

In Russland ist der Rubel stark gefallen, viele Einzelhändler sehen sich daher genötigt, die Preise zu erhöhen. Gegenüber dem britischen Nachrichtensender BBC erklärte eine junge Frau, die in Moskau lebt, dass sie noch keine leeren Regale gesehen habe. Die steigenden Preise habe sie aber schon bemerkt. Wie viel teurer alles noch werde, könne sie sich nicht vorstellen – „und ich habe Angst, auch nur daran zu denken“, sagte sie weiter.

Folgen der Sanktionen gegen Russland: Enorme Preiserhöhungen in sämtlichen Bereichen

Die Preise für Zucker und Getreide waren im Februar dieses Jahres bereits um etwa 20 Prozent höher als noch im Vorjahr. Laut der russischen Staatsagentur Tass haben sich einige Einzelhändler bereit erklärt, die Preiserhöhungen bei manchen Grundnahrungsmitteln auf 5 Prozent zu begrenzen. Andere beschränken die Abgabemengen an Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Zucker und Öl.

Doch nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Konsumgüter müssen Russinnen und Russen mittlerweile tiefer in die Tasche greifen. Smartphones und Fernseher kosten etwa 10 Prozent mehr als vor Kriegsbeginn, ein durchschnittlicher Urlaub in der Türkei ist um 29 Prozent teurer geworden. Große und beliebte Marken wie Apple, Nike und Ikea verkaufen ihre Produkte schon gar nicht mehr in Russland – und sie sind nicht die einzigen.

„Anfang Februar kosteten sie etwa 70.000 Rubel (531 Euro), aber am Ende des Monats waren sie auf 100.000 Rubel (759 Euro) gestiegen“, sagte die junge Frau über die geplante Anschaffung eines Laptops. Glücklicherweise habe man noch rechtzeitig zugegriffen, da die Preise kurze Zeit später auf 140.000 Rubel (1063 Euro) angestiegen seien. Die russische Zentralbank sprach von einer „drastischen“ wirtschaftlichen Veränderung seit der von Wladimir Putin* befohlenen Invasion.

Große Marken ziehen sich aus Russland zurück: „Sie hatten einfach keine Zeit, die Preise zu erhöhen“

Im Gespräch mit der BBC berichtete ein Universitätsdozent, der gemeinsam mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern lebt, dass die Preise für viele Haushaltsgeräte schon am 24. Februar, dem Tag des Kriegsbeginns, um knapp 30 Prozent gestiegen seien. Es sei ihm gelungen, noch einen Schrank und ein Bett bei Ikea zu ergattern, einen Tag bevor das schwedische Möbelhaus seine Pforten schloss. Die Preise hätten sich bis dahin nicht geändert. „Sie hatten einfach keine Zeit, die Preise zu erhöhen“, sagte er mit trauriger Stimme.

Als eine der ersten westlichen Unternehmen kam die Fastfood-Kette McDonald’s im Jahr 1990 in die Sowjetunion. Ein Stückchen USA, damals wie heute. Auch McDonald’s hat sich inzwischen aus Russland zurückgezogen, die Produkte in den Filialen waren vielerorts binnen weniger Stunden ausverkauft. Die Produkte wurden im Anschluss für das Vielfache der normalen Preise weiterverkauft. „Ihre letzte Chance, ausländische Glückseligkeit zu genießen“, hieß es in einer Anzeige.

Januar 1990: Hunderte Menschen stehen vor der Eröffnung der ersten McDonald’s-Filiale nahe dem Roten Platz in Moskau Schlange.
Januar 1990: Hunderte Menschen stehen vor der Eröffnung der ersten McDonald’s-Filiale nahe dem Roten Platz in Moskau Schlange. © McDonalds Russland/dpa

Erinnerungen an das Sowjet-Ende: Droht Russland ein wirtschaftlicher Zusammenbruch?

„Das ist eine völlig neue Art von Krise, in der wir uns alle verloren und verwirrt fühlen. Nicht nur im Geschäft, sondern auch in unserem eigenen Leben. Der Verlust des Einkommens, die Aufgabe eines ganzen Lebensstils, weniger Verbindungen, auch in den sozialen Medien, und die Unmöglichkeit, Familie und Freunde, die im Ausland leben, zu besuchen. Es gibt viele Dinge, die wir bereits verloren haben und die wir noch nicht ganz verstanden haben", sagte eine Frau der BBC.

Im Südwesten Russlands, etwa in Saratow, behauptete ein junger Mann hingegen, dass man die Auswirkungen der westlichen Sanktionen noch nicht zu spüren bekommen habe. Die „Watniki“, eine teils verächtliche Bezeichnung für Kreml-Anhängerinnen und -Anhänger, „werden vom Rubelverfall nicht betroffen sein, weil sie keine teuren ausländischen Waren kaufen“, sagte er. Die Situation weckt Erinnerungen an die früheren 1990er-Jahre, als die russische Wirtschaft nach dem Zerfall der Sowjetunion zusammenbrach.

Auch an die Sowjetunion erinnern die Zensur der Medien oder moderne Maßnahmen wie das Bannen von sozialen Netzwerken. Weiter droht ein neues Gesetz allen mit einer Gefängnisstrafe, die „gefälschte“ Nachrichten über die Invasion in der Ukraine* verbreitet. Wörter wie „Krieg“ dürfen im Zusammenhang mit der „Spezialoperation“, wie sie von Moskau bezeichnet wird, nicht länger verwendet werden. Seit Kriegsbeginn wurden in ganz Russland übereinstimmenden Medienberichten zufolge zwischen 13.000 und 14.000 Demonstrierende verhaftet. (nak) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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