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Russland wird zu Chinas Juniorpartner – und Putin zum Bittsteller in Peking

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Von: Nail Akkoyun

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Wladimir Putin und Xi Jinping auf einem internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg im Jahr 2019. (Archivfoto)
Wladimir Putin und Xi Jinping auf einem internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg im Jahr 2019. (Archivfoto) © Dmitri Lovetsky / AP / dpa

Die Machtdynamik zwischen Russland und China hat sich verändert, das liegt auch am Ukraine-Krieg. Doch gänzlich aufgeben kann Xi Jinping den „Bruderstaat“ nicht.

Moskau/Peking – China und Russland können auf eine lange, gemeinsame Partnerschaft zurückblicken. Schmiedeten einst die beiden kommunistischen Führer Josef Stalin und Mao Zedong gemeinsam Pläne, reichen sich heute Wladimir Putin und Xi Jinping die Hände. Die Machtdynamik hat sich allerdings verändert. Nicht Russland, sondern China gibt den Ton an.

Für das Jahr 2022 prognostiziert die Online-Plattform Statista der Volksrepublik China ein Bruttoinlandsprodukt von circa 19,9 Billionen US-Dollar – eine Summe, von der Moskau nur träumen kann. In Zeiten des Ukraine-Kriegs, in denen die russische Wirtschaft unter den westlichen Sanktionen leidet, muss Peking dem „kleinen Bruder“ schon bald möglicherweise finanziell unter die Arme greifen.

Russland und China: Peking unterstützt Moskau mit Geld

Auch wenn zwischendurch über eine militärische Beteiligung Chinas am Ukraine-Konflikt spekuliert wurde, scheint derzeit jedoch lediglich eine finanzielle Unterstützung aus Peking realistisch. Denn auch wenn Xi Putins Feindseligkeit gegenüber dem Westen und der Nato teilt, dürften Chinas Wohlstand und Sicherheit die oberste Priorität bei dem chinesischen Staatspräsidenten genießen. Eigene Sanktionen will man keinesfalls riskieren, zumal im Herbst 2022 der Parteikongress ansteht – dann will sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei und damit zum Staatschef wählen lassen.

Geschwächtes Russland liegt laut Experte „im langfristigen Interesse Chinas“

Öffentlich wandert China auf einem schmalen Grat: Der Handel mit Russland wird ausgeweitet, die Ukraine wirtschaftlich im Wesentlichen aufgegeben, und noch im Mai gab es gemeinsame Militärübungen im Pazifik – während US-Präsident Joe Biden auf Asien-Reise war. Selbst der russischen Außenminister Sergej Lawrow hat indirekt eingeräumt, dass die wirtschaftliche Zukunft seines Landes von China abhängt: „Jetzt, wo der Westen die Position eines ‚Diktators‘ eingenommen hat, werden unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu China noch schneller wachsen.“

„Ein durch Krieg und Sanktionen geschwächtes, aber nicht chaotisches und instabiles Russland liegt im langfristigen Interesse Chinas“, sagte Bobo Lo, stellvertretender Leiter der australischen Botschaft in Moskau, gegenüber der US-amerikanisches Tageszeitung Politico. „Russlands Isolation wird es weiter in die Position eines Juniorpartners in den Beziehungen drängen und gleichzeitig seine wirtschaftliche und strategische Abhängigkeit von China erhöhen.“

Berichten zufolge telefoniert Xi seit Kriegsausbruch regelmäßig mit Putin, bisher allerdings noch nie mit Wolodymyr Selenskyj. Den chinesisch-russischen Beziehungen sind aber offenbar auch Grenzen gesetzt. Gegenüber dem Westen betonte Peking, dass man keine Waffen oder Flugzeugteile an Russland verkaufen werde. Zu hoch sei das Risiko, selbst Opfer von Sanktionen werden.

Taiwan-Konflikt: Hat China mit Russland auf die falsche Karte gesetzt?

International abgeschottet, die russische Wirtschaft am Boden, und künftig die zweite Geige der Weltmacht China: Ein Szenario, welches sich Wladimir Putin kaum vorgestellt haben dürfte, als er sich im Februar 2022 dazu entschloss, seine Truppen in das Nachbarland einmarschieren zu lassen.

Doch sowohl für Putin als auch für Xi ist die Situation eine schwierige. Während Russland angesichts des drohenden EU-Embargos dringend einen Abnehmer für Öl und Gas benötigt, sucht China Verbündete, falls es in Zukunft im Streit um Taiwan oder das Südchinesische Meer zu einer militärischen Konfrontation mit den USA, Australien, Großbritannien oder sogar der EU kommen sollte.

Sollte es in naher Zukunft tatsächlich zu einer militärischen Eskalation kommen, kann man sich aktuell jedoch kaum vorstellen, dass Russland als Verbündeter Chinas daran teilnehmen würde. Weniger aus ideologischen Gründen, sondern vielmehr aus existenziellen. Sollte Russland den Ukraine-Krieg verlieren, dürfte vom russischen Militär nicht viel über sein, und vom Personal im Kreml genauso wenig. „Man stelle sich einmal vor, Putin würde diesen Krieg tatsächlich verlieren“, sagte China-Experte Tim Rühlig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegenüber ntv.de. „Dann hätte Xi auf die komplett falsche Karte gesetzt. Das ist im Wahljahr nicht günstig.“ (nak)

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