Rundfunkgebühren in Sachsen-Anhalt: Die CDU gegen den demokratischen Konsens
Die CDU in Sachsen-Anhalt bleibt stur: Die Gebührenerhöhung ist vorerst gekippt. Die AfD jubelt, der demokratische Grundkonsens steht in Frage. Ein Kommentar.
- Die CDU in Sachsen-Anhalt verweigert sich der von allen anderen Bundesländern beschlossenen Gebührenerhöhung der Rundfunkgebühren.
- Die AfD, obwohl unbeteiligt, feiert sich für ihren vermeintlichen Erfolg.
- Mit dem Ausscheren in Sachsen-Anhalt gefährdet die CDU unter Reiner Haseloff den demokratischen Konsens.
Kurz vor Toresschluss hat sich Reiner Haseloff noch um die Trophäe für den schlechtesten Witz des Jahres beworben. Der CDU-Politiker führt bekanntlich in Sachsen-Anhalt eine Koalition mit der SPD und den Grünen, und am Dienstag ließ er den Staatsvertrag der Bundesländer über die Erhöhung der Rundfunkgebühren platzen.

CDU-Ministerpräsident verkauft Ausscheren aus dem Rundfunkstaatsvertrag als Erfolg, AfD feiert sich
Warum? Weil derselbe Vertrag sonst ebenfalls gescheitert wäre, und zwar an einer gemeinsamen Mehrheit aus dem Rechtsaußen-Flügel seiner eigenen Partei und der AfD. Und der schlechte Witz? Kaum hatte Haseloff den Antrag auf Zustimmung im Landtag zurückgezogen und den Staatsvertrag aller 16 Bundesländer damit scheitern lassen, ließ er verlauten, mit dieser Lösung gehe die Koalition in Magdeburg „gefestigt aus der Krise hervor“.
Noch einmal ganz langsam: Der Ministerpräsident hatte gerade für exakt das Ergebnis gesorgt, das die AfD und die CDU-Rechtsaußen gemeinsam wollten: Er hatte die erste Gebührenerhöhung seit 2009 für ARD, ZDF und Deutschlandradio in die Tonne getreten. Er hatte damit das Gegenteil dessen erreicht, was seine rot-grünen Koalitionspartner (und angeblich auch er selbst) wollten. Er hatte vor dem heimlichen Bündnis seiner Parteifreunde vom äußersten Rand mit einer extrem rechten, rassistischen Partei kapituliert, um gegen dieses Bündnis nicht die Abstimmung zu verlieren. Er hatte ihnen den Sieg geschenkt, den sie sonst im Landtag gegen ihn und seine Regierungskoalition errungen hätten. Und dann tritt er nicht zurück, sondern erzählt etwas von „gefestigter“ Regierung.
Das Drohen mit der AfD gefährdet nicht nur beim Rundfunkstaatsvertrag den demokratischen Konsens
Koalitionen wie die schwarz-rot-grüne Regierung in Magdeburg gibt es vor allem deshalb, weil anders praktisch keine Regierungsmehrheiten gegen die AfD zu organisieren sind. Sie werden über politische Unterschiede hinweg gebildet, um der Gefahr von rechts zu begegnen. Aber welchen Sinn soll das noch haben, wenn in der Sache am Ende das herauskommt, was die AfD wollte? Was haben SPD und Grüne in dieser Regierung auch nur noch einen Tag zu suchen?
Wer einwendet, es ei doch hier „nur“ um die Gebühren für öffentlich-rechtliche Medien gegangen, unterliegt einer Täuschung: Für die AfD und ihre rechtsbürgerlichen Stichwortgeber in manchen „alternativen“ Medien sind die Sender ein zentrales Element der Propaganda gegen das angeblich linksgrün versiffte „Establishment“, die sich in Wahrheit gegen den demokratischen Diskurs in einer freiheitlichen, offenen Gesellschaft richtet.
Die CDU weicht mit ihrem Veto gegen den Rundfunkstaatsvertrag politisch-demokratische Normen auf
Das heißt nicht, dass nicht auch Demokratinnen und Demokraten gegen die sehr maßvolle Beitragserhöhung sein könnten. Dass können sie. Aber auf der anderen Seite steht die noch bedeutendere Frage, ob Mehrheiten legitim sein können, die nur mit den Stimmen von Rechtsextremisten zustande kommen.
Genau dazu hat die CDU bisher bundesweit immer Nein gesagt. Dagegen stehen diejenigen in der CDU, die jetzt scheinbar naiv darauf verweisen, dass sie doch nicht ihre Überzeugung verraten könnten, nur weil die AfD ihre Meinung teilt. Sie seien allerdings daran erinnert, dass in deutschen Parlamenten ständig gegen die eigene Überzeugung gestimmt wird, wenn es der Koalitionstreue dient. Wenn das jemals sinnvoll war, dann im Kampf gegen rechts. Und ausgerechnet da soll es plötzlich nicht mehr gelten.
Es geht nicht nur um den Rundfunkstaatsvertrag, die CDU schenkt der AfD einen vermeintlichen Sieg
Deshalb hätte die demokratische Mehrheit im Landtag in Sachen Gebührenerhöhung einen gemeinsamen Weg finden müssen, zum Beispiel eine durch Reformforderungen ergänzte Zustimmung zum Staatsvertrag. Mit Haseloffs Entscheidung, den Rechten aus Angst vor einer Niederlage den Sieg zu schenken, hat sich die CDU zumindest in Sachsen-Anhalt als Teil antifaschistischer Bündnisse in den Parlamenten diskreditiert. (Stephan Hebel)