1. Startseite
  2. Politik

Wagner-Chef Prigoschin nur noch „Schatten seiner selbst“ – Experte nennt Details

Erstellt:

Von: Andreas Apetz

Kommentare

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte seinen Rückzug aus Bachmut angekündigt. Ein Russland-Experte hält den Oligarchen für „verzweifelt“.

Kiew/Moskau – Nachdem sich der interne Konflikt zwischen dem Chef der „Wagner“-Söldnergruppe, Jewgeni Prigoschin, und dem russischen Verteidigungsministerium im Frühjahr scheinbar beruhigt hatte, eskalierte er nun dramatisch. In einer Videobotschaft griff Putins Koch den Kreml öffentlich an und machte Moskau für den Tod zahlreicher „Wagner“-Söldner in Bachmut verantwortlich. Die Situation kochte wieder ab, nachdem dem Oligarchen die Lieferung der fehlenden Munition zugesagt wurde.

Das Verhältnis zwischen Prigoschin und Moskau steht trotzdem weiterhin unter Spannung. Das Verhalten von Putins Koch bleibt weiterhin unvorhersehbar. Der renommierte Russland-Experte und Historiker Mark Galeotti hält Prigoschins Handeln für ein einfaches Ablenkungsmanöver von einer bevorstehenden Niederlage in Bachmut. Im Gespräch mit Kyiv Independent bezeichnete der Experte den „Wagner“-Chef nur noch als „einen Schatten seiner selbst.“

Der Chef der Söldnertruppe „Wagner“ Jewgeni Prigoschin ist nur noch „ein Schatten seiner selbst“.
Der Chef der Söldnertruppe „Wagner“ Jewgeni Prigoschin ist nur noch „ein Schatten seiner selbst“. (Archivfoto) © Itar-Tass/Imago

Ukraine-Krieg: Russland-Experte hält Prigoschins Drohung für „Bluff“

Dass Prigoschin seine Drohungen wahrmachen könnte, bezweifelt Galeotti. „Wenn er sich aus Bachmut zurückziehen würde, wäre das katastrophal für ihn, es käme einem Verrat gleich“, erklärt er. Auch wenn der Restaurant-Mogul üblicherweise zu seinem Wort steht, sei es schwer vorstellbar, dass er mit den Konsequenzen eines Rückzugs leben könnte. „Ich wäre überrascht, wenn er das überleben würde. Ich meine damit nicht unbedingt physisch, aber er hat so viele Feinde, die ihn mit Freuden zu Fall bringen würden, sobald er keinen Schutz mehr hätte“, sagt Galeotti.

An einen politisch motivierten Hintergrund, Prigoschin und seine Truppe aus dem Spiel zu nehmen, glaubt Galeotti nicht. Vielmehr habe die „Wagner“-Truppe das traurige Los gezogen, die ukrainischen Streitkräfte in Bachmut auf Kosten des eigenen Wohls aufreiben zu müssen. Unterm Strich wolle man Bachmut einnehmen, „und wenn man das erreichen kann, indem man Wagner zermürbt und vor allem seinen Vorrat an verurteilten Soldaten aufbraucht, dann ist das nicht schlimm“, sagt der britische Experte.

Prigoschins Botschaften hält der Galeotti vielmehr für einen „Bluff“, um von den ausbleibenden Erfolgen in der Ost-Ukraine abzulenken. Der Vorwurf, die russische Führung hätte der „Wagner“-Gruppe im Kampf um Bachmut Munition vorenthalten, sei unglaubwürdig in Anbetracht dessen, wie eng man mit den russischen Luftlandtruppen zusammengearbeitet habe: „Es dürfte schwierig sein, dem einen die Munition vorzuenthalten, und dem anderen nicht.“

Putin als Streitschlichter zwischen Prigoschin und dem Verteidigungsministerium

Galeotti sieht in Prigoschins Auftritten einen Ausdruck der „Verzweiflung.“ Die Videobotschaften von Putins Koch seien die einzige Möglichkeit, den direkten Draht zum Kreml zu suchen, seitdem Putin selbst seine Kommunikationswege zum „Wagner“-Chef gekappt hat. Es sei auch davon auszugehen, dass der russische Präsident die Videos seines alten Freundes gesehen hat – eine direkte Reaktion blieb bisher allerdings aus.

Die Freundschaft zwischen Putin und Prigoschin

Putin und Prigoschin kennen sich schon lange. Während seiner Zeit als KGB-Offizier in der Stadtverwaltung von St. Petersburg, soll der russische Präsident häufig in Prigoschins Restaurant zu Besuch gewesen sein. Deshalb wird der Geschäftsmann, der in den 1990er Jahren in Russland zu Wohlstand kam und sogar wegen Diebstahls im Gefängnis saß, auch „Putins Koch“ genannt.

Dass Präsident Wladimir Putin öffentlich in Kontakt mit Prigoschin treten wird, sei laut Galeotti unwahrscheinlich. Dieser würde mehr als hintergründiger Streitschlichter zwischen seinem alten Freund und dem Verteidigungsministerium arbeiten. „Wenn es entweder eine Erklärung des Verteidigungsministeriums gibt, […] oder eine Erklärung von Prigoschin, in der es heißt, dass jetzt alles geklärt sei, ohne dass jedoch klar ist, was genau passieren wird, dann wissen wir, dass Putin im Grunde genommen der einen oder anderen Seite die Leviten gelesen hat“, erklräte der Russland-Experte.

Die Spannung Prigoschin und Russlands Militäretage wird sich wohl erst mit dem Ende der Kämpfe um Bachmut auflösen. Auch nachdem US-Geheimdokumente offengelegt hatten, dass die öffentlichen Angriffe des Oligarchen den Kreml „frustriert“ hatten, ist mit noch weitere harschen Videobotschaften von Prigoschin zu rechnen. (aa)

Auch interessant

Kommentare