Ruandas militärischer Exportschlager: Bruderhilfe zum Nulltarif?

Ruandas Präsident Paul Kagame ist der mit Abstand umstrittenste Staatschef Afrikas. Immer öfter bietet er sich und sein Militär neuerdings als Ordnungsmacht in Afrika an – auch gegen islamistischen Terror.
Man hat ihm ein Podest unter die Füße gestellt, damit der Größenabstand zu seinem Gast nicht lächerlich wirkt. Filipe Nyusi ist gerade mal 1,60 Meter groß und rund wie eine Boje. Dagegen ragt Paul Kagame schlank wie ein Telegrafenmast zwei Meter in die Höhe: Im Duo sehen die Staatschefs von Mosambik und Ruanda wie Pat und Patachon aus. Angestrengt schauen die beiden Präsidenten über die Bucht des Indischen Ozeans vor der mosambikanischen Hafenstadt Pemba hinweg: Dort üben Patrouillenboote ihrer jeweiligen Marine die Jagd auf ein verdächtiges Schiff. „Wenn ein Freund uns um Hilfe bittet, verweigern wir uns nicht“, wird Kagame später vor der Presse sagen. „Wir sind hier, um Mosambik bei der Überwindung seiner Probleme zu helfen.“
Als im Juni die Entsendung von mehr als 1000 ruandischen Soldaten zur Bekämpfung der Islamistengruppe „Ahl al-Sunnah wa al Jamma’ah“ nach Mosambik bekannt wurde, sorgte die Nachricht für Aufsehen auf dem Kontinent: Denn Mosambik gehört dem südafrikanischen Staatenbund SADC an, der schon monatelang mit den Füßen gescharrt hatte, um von Nyusi die Erlaubnis zur Intervention zu bekommen. Die SADC-Regierungschefs wollten verhindern, dass sich auf ihrem Hinterhof ein Ableger des „Islamischen Staats“ breitmacht.
Ruanda: Gespräche mit Mali und Tansania
Doch Mosambiks Präsident zierte sich – statt Anfang April an einem geplanten SADC-Treffen teilzunehmen, traf er sich lieber mit Paul Kagame in Ruanda. Vermutlich hielt der 62-jährige Nyusi ruandische Soldaten für geeigneter, mit den „Terroristen“ in seinem Land fertig zu werden – und hatte dafür gute Gründe. Ruandas Sicherheitskräfte gelten als die professionellsten und diszipliniertesten des Kontinents – und Paul Kagame ist interessiert daran, sie als Exportgut zu vermarkten.
Seine Soldaten, die den Völkermord in ihrer Heimat vor 27 Jahren höchstens als Kinder erlebten, sind derzeit an UN-Missionen in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und im Südsudan beteiligt, zusätzlich sandte Kagame noch 500 weitere Soldaten in die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui, um Präsident Faustin-Archange Touadéra vor Rebellen zu schützen. Kigali ist derzeit mit Mali und Tansania im Gespräch, um den beiden von Islamisten bedrohten Staaten bei der „Terrorabwehr“ beizustehen und bildet außerdem Soldaten in Malawi aus.
Ruanda will sich mit Kriegseinsätzen profilieren
Selbst mit europäischen Streitkräften wie den italienischen und griechischen steht Ruandas Defence Force (RDF) in Kontakt: Dort sollen RDF-Offiziere weitergebildet werden. Das Mini-Land im Herzen Afrikas, das weder über nennenswerte Bodenschätze noch über einen Zugang zum Meer verfügt, meint zumindest über einen bestechenden Aktivposten zu verfügen: erfolgreich Kriege führen zu können.
Die Ruandische Patriotische Front (RPF), aus der später die RDF hervorging, hat in den vergangenen drei Jahrzehnten kaum ein Jahr ohne Waffengang erlebt. Bis 1994 kämpfte sie als Tutsi-Rebellentruppe vom Nachbarland Uganda aus gegen die Hutu-Regierung und vertrieb die ruandischen Völkermörder schließlich in den benachbarten Kongo. In den darauffolgenden zehn Jahren war sie an zwei Kriegen im Kongo beteiligt und griff dort auch später immer wieder militärisch ein. Ihre Soldaten in Gummistiefeln werden von Freunden bewundert und unter Feinden gefürchtet. Ihr einstiger Kommandant, inzwischen zum Präsidenten Ruandas gekürt, gilt als Personifizierung seiner Truppe: ernst, diszipliniert, ein wenig unheimlich und auf gefährliche Weise effizient. Kagame ist der mit Abstand umstrittenste Staatschef Afrikas: Für die einen genialer Visionär, der aus dem Staat der Völkermörder ein Musterland machte, für die anderen ein knallharter Diktator, der seine Kritiker einsperren oder sogar umbringen lässt. In jedem Fall eine imposante Figur.
Ruanda: Zwischen Kigali und Paris herrscht Eiszeit
Ob es tatsächlich der mosambikanische Patachon war, der sich hilfesuchend an den ruandischen Pat wandte, ist indes umstritten. Manche meinen, dass ausgerechnet Frankreich die RDF in Mosambik sehen wollte, obwohl die frühere Kolonialnation einst die Hutu-Regierung im Kampf gegen Kagames Rebellen unterstützte. Zwischen Kigali und Paris herrschte deshalb Eiszeit, erst kürzlich begann Tauwetter. Frankreich ist an einer Zerschlagung der Extremisten in Mosambik gelegen, weil diese die Erschließung des dortigen Erdgasfeldes – eines der größten der Welt – durch den Mineralölkonzern Total gefährden.
Kurz vor Nyusis Besuch in Kigali hielt sich Kagame in Paris auf. Dass dort die Fäden für Ruandas Intervention in Mosambik gezogen wurden, dementiert er energisch. Frankreich habe sich nicht einmal zur Mitfinanzierung des ruandischen Abenteuers bereit erklärt, so Kagame: „Ich wünschte, das wäre der Fall gewesen.“ Denn die Mission des zentralafrikanischen Winzlings ist teuer: Allein die Luft-Verlegung seiner Truppen – einschließlich der Patrouillenboote, Schützenpanzer und Mannschaftstransporter – hat Millionen an Dollar verschlungen. Inzwischen soll sich jedoch die EU zu einem finanziellen Lastenausgleich bereit erklärt haben. Auf wessen Initiative hin, darüber darf spekuliert werden.
Ruanda: Bruderhilfe zum Nulltarif?
Dass Ruandas Bruderhilfe zum Nulltarif kommt, wird ohnehin bezweifelt. Schon in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) hat Kagame seine Hilfsbereitschaft mit ökonomischem Nutzen verknüpft: Ruandische Firmen sollen am Diamanten-Abbau im Nordosten des Landes beteiligt sein; Crystal Ventures, der Investment-Arm der Regierungspartei, will in Bangui eine Lebensmittelfirma aufbauen.
Auch Mosambik gilt mit seinen gigantischen Erdgasvorräten und seinen Edelsteinen als lukrativer Wirtschaftspartner: „Sowohl die Truppenentsendung in die ZAR wie nach Mosambik sollte als militärische Diplomatie zur Unterstützung der ökonomischen Ambitionen Ruandas gesehen werden“, heißt es in einem Bericht des Instituts für Sicherheitsstudien in Pretoria. Paul Kagame mag der Präsident eines Miniatur-Staats sein, Mosambik ist 30 mal größer. Doch sein Ehrgeiz überragt sämtliche Amtskollegen, egal auf welchen Podesten sie stehen.