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„Alle verwandt und verschwägert“: Union attackiert Habecks Amtsführung scharf - Sogar Trittin sieht Fehler

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Von: Stephanie Munk

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Filz bei den Grünen? Die Trauzeugen-Affäre macht Habeck zu schaffen. Grünen-Urgestein Trittin übt sich in Ampel-Generalkritik, die Union greift den Vizekanzler an.

Berlin - Filz-Vorwürfe gegen Vizekanzler Robert Habeck und sein Umfeld: Der Grünen-Wirtschaftsminister steht wegen möglicher Vetternwirtschaft in der Kritik. Sein wichtigster Staatssekretär, Patrick Graichen, soll den Posten des Energieagentur-Chefs an einen langjährigen Freund vergeben haben, der auch sein Trauzeuge ist: den Ex-Abgeordneten Michael Schäfer.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte jetzt im Deutschlandfunk, Graichen habe „einen Fehler gemacht, der schnell korrigiert werden muss“ - und fordert eine Neubesetzung des betreffenden Postens bei der Deutschen Energieagentur (Dena). Durch eine zügige Abberufung des Trauzeugen werde „die Sachlage wieder gerade gerückt“, so Trittin.

Auch Habeck hat bereits dafür plädiert, die Stelle des Dena-Chefs neu zu besetzen. Habeck und Graichen entschuldigten sich bereits öffentlich. Laut Recherchen des ZDF haben jedoch noch weitere Bekannte Graichens renommierte Posten erhalten.

Schwer angeschlagen: Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, r.) mit seinem Staatssekretär Patrick Graichen.
Schwer angeschlagen: Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, r.) mit seinem Staatssekretär Patrick Graichen. © Chris Emil Janssen/Imago

Habeck und Graichen in Kritik - Trittin sieht ungute Dynamiken in Ampel-Koalition

Trittin kritisiert nicht nur die Auffälligkeiten bei der Postenvergabe, sondern auch Dynamiken innerhalb der Ampel-Koalition. Die Koalitionspartner würden viel Energie darauf verwenden, sich gegenseitig zu kritisieren, wie aktuell die Personalbesetzung in Habecks Wirtschaftsministerium. Es gehe den Koalitionspartnern derzeit weniger darum, gemeinsam etwas in der Koalition durchzusetzen, so Trittin.

Der 68-Jährige warnt außerdem davor, die aktuelle Posten-Affäre mit der Energiepolitik Habecks insgesamt zu vermischen. Es gebe derzeit einen „Aufstand der fossilen Gasindustrie“ gegen Habecks Heizungswende. Das Fehlverhalten von Graichen sei strikt davon zu trennen und dürfe keinen Anlass bieten, dass die Kampagne „aus der rechten Ecke“ zur Verhinderung von Habecks Gebäude-Energiegesetz Erfolg habe, so Trittin, der seit 25 Jahren für die Grünen im Bundestag sitzt.

Habecks Trauzeugen-Affäre- Kubicki sieht „zwielichtige Verstrickungen“ und Gewissenlosigkeit

Tatsächlich kommen aus der Ampel-Koalition harte Vorwürfe an den Grünen-Wirtschaftsminister. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sagte am Mittwoch (3. Mai): „Habeck treibt ein mieses machtpolitisches Spiel“ und warf dem Grünen-Politiker vor, die geplante Beschleunigung des Ausbaus der A23 in Schleswig-Holstein verhindern zu wollen, trotz eines gegenteiligen Beschlusses der schwarz-grünen Landesregierung.

Dabei spielte Kubicki auch auf die Affäre um Graichen an. „Ich kann ja nachvollziehen, dass Robert Habeck wegen der zwielichtigen familiären Verstrickungen in seinem Hause unter Druck steht“, erklärte Kubicki. „Wenn er aber meint, auf eine derart gewissenlose Art und Weise von seinem persönlichen Leid abzulenken, wird er erleben, dass dies massive parlamentarische Folgen haben wird.“

Habeck und Graichen: Union sieht „selbstherrlichen“ Politikstil

Auch die Opposition nimmt die Affäre zum Anlass für scharfe Attacken. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisierte, dass Habeck bei der Energiewende zu wenig mit den Ländern kooperieren „Dieser autokratische, selbstherrliche Politikstil aus dem Bundeswirtschaftsministerium“ sei „kein gutes Beispiel“ für das Land, sagte Kretschmer.

Für die Energiewende brauche es keine Anordnung von oben, sondern ein „gemeinsames Gespräch“ zur Konsensfindung, mahnte Kretschmer. „Wir haben dem Minister Habeck mehrmals gesagt, dass das, was da in seinem Haus passiert - und gerade in der Person von Staatssekretär Graichen - etwas ist, was komplett gegen die Politik der Bundesrepublik Deutschland der vergangenen Jahrzehnte stand“, sagte Kretschmer.

Habecks Ministerium „nur ein kleiner Familienclan“?

CDU-Generalsekretär Mario Czaja formulierte Zweifel an Habecks Amtsführung generell. „Es steht die Integrität des Bundeswirtschaftsministers selbst infrage“, sagte Czaja im Sender Welt. Habecks Umfeld sei „im Grunde nur ein kleiner Familienclan, wo alle miteinander verwandt oder verschwägert sind“. Der Vizekanzler habe 18 Referatsleiter-Positionen ohne Ausschreibung besetzt und regiere „gegen den Sachverstand des Ministeriums“, sagte Czaja.

Die Folge sei „der ganze Mist“, den er bei der Gaspreisbremse, beim Heizungsgesetz oder in der Energiepolitik mit dem Atomausstieg gebaut habe, kritisierte der CDU-Generalsekretär. „Das ist kein guter ökologischer Umbau. Und er kann dieses Amt auch nicht mehr neutral ausüben.“

Allerdings scheinen durchaus auch andere Ministerien Stellen ohne Ausschreibung zu verteilen: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) soll angeblich ebenfalls etliche Posten auf diese Weise vergeben haben. (smu mit Material von dpa und AFP)

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