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Riskante Reisen

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Von: Adelheid Wölfl

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Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen vor ihrer Reise nach Nord- und Mittelamerika.
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen vor ihrer Reise nach Nord- und Mittelamerika. © AFP

Ein USA-Besuch von Taiwans Präsidentin könnte den Konflikt mit dem Festland verschärfen, eine Visite ihres Vorgängers nutzt Peking.

Als Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen am Mittwoch in eine Regierungsmaschine stieg, postete ihr begleitender Außenminister Joseph Wu noch kurz vor Abflug ein gemeinsames Smartphone-Selfie. Mit einem transparenten, volksnahen Auftreten wie dem der zwei Spitzenpolitiker:innen will der demokratische Inselstaat dem autoritären Nachbarn China den Spiegel vorhalten. Dass sich der hermetisch abgeriegelte Staatschef Xi Jinping zu einer ähnlich lockeren Inszenierung hinreißen lassen würde, wäre geradezu undenkbar.

Die zehntägige Amerika-Reise von Tsai und Wu hat aber einen ernsten Hintergrund: Nachdem kürzlich Honduras die diplomatischen Seiten gewechselt hatte, gibt es weltweit nur noch 13 Staaten, die Taiwan – und nicht China – offiziell anerkennen. Zwei der letzten Alliierten wird Präsidentin Tsai nun besuchen: Guatemala und Belize.

International werden aber vor allem die jeweiligen Zwischenaufenthalte auf der Hin- und Rückreise in New York und Los Angeles für Wirbel sorgen. Dort soll Tsai Ing-wen den neuen Sprecher des US-Repräsentantenhauses, den Republikaner Kevin McCarthy, treffen. Pekings Büro für Taiwan-Angelegenheiten hat „Gegenmaßnahmen“ angekündigt, sollte es dazu kommen.

Hochrangige Regierungskontakte wertet Peking, das Taiwan als eigenes Territorium beansprucht, als schwere Provokation. Als McCarthys Vorgängerin Nancy Pelosi Taipeh besuchte, reagierte die chinesische Armee mit einer simulierten Inselblockade und martialischen Drohungen.

So werden die nächsten Tage auch darüber entscheiden, ob der Konflikt zwischen den USA und China noch weiter eskaliert. Der jetzige, knappe „Transitbesuch“ auf US-Boden ist bereits ein Kompromiss der Biden-Regierung, die zwar einerseits vor der eigenen Bevölkerung Stärke gegenüber China zeigen, aber gleichzeitig Peking nicht übermäßig provozieren möchte.

Manche der Republikaner plädieren offen für die Anerkennung eines unabhängigen Taiwans. Bislang sieht Washingtons „Ein China“-Prinzip vor, nur Peking offiziell anzuerkennen, auch wenn reger wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Austausch mit Taipeh gepflegt wird. Die USA weisen die rhetorischen Drohungen Chinas zurück und haben sich zuletzt recht eindeutig verpflichtet, Taiwan im Falle einer Invasion militärisch zur Seite zu stehen.

Die Haltung der Menschen auf Taiwan in dem Konflikt wird oft schlicht übergangen. Sie zeigen ein differenziertes Bild: Laut einer Umfrage des „Taiwan Public Opinion Foundation“ gaben knapp 60 Prozent, dass die USA Taiwan vor allem aus Eigeninteresse unterstützen würde. Doch genauso viele glauben auch, dass die Unterstützung notwendig ist.

Vor der Amerika-Reise ist auch der chinesischen Seite im diplomatischen Hoheitskampf ein Propaganda-Sieg gelungen: Bereits am Montag brach der ehemalige taiwanische Präsident Ma Ying-jeou (2008-16 im Amt) zu einem zwölf Tage langen Besuch nach China auf. Zwar handelt es sich offiziell um eine „private“ Reise, die ist jedoch historisch: Zum ersten Mal in den vergangenen siebzig Jahren betritt ein amtierendes oder ehemaliges Staatsoberhaupt Taiwans das Festland.

Ma und seine knapp 30 Personen große Delegation wird in China unter anderem historische Stätten besuchen, an denen die nationalistischen „Kuomintang“ – deren Führung später nach Taiwan floh – mit den Kommunisten zwischen 1937 und 1945 gegen die Invasion aus Japan kämpfte.

„Die Menschen auf beiden Seiten der Straße von Taiwan sind Chinesen“, sagte Ma zu Beginn seines Trips. Diese Aussage wurde in China gefeiert und in Taiwan kritisch aufgefasst. Denn auch wenn die Mehrheit beider Länder kulturelle und ethnische Wurzeln teilt, identifizieren sich die meisten der 23 Millionen Einwohner:innen Taiwans nicht mehr als Chines:innen.

Das gespaltene Verhältnis zu China dominiert auch die Innenpolitik des demokratischen Inselstaats. Die aktuell oppositionelle China-freundlichere nationalistische Partei der Kuomintang hat bei den nächsten Präsidentschaftswahlen gute Siegchancen. Doch sie hat in den letzten Jahren eine deutlich kritischere Haltung zu Peking eingenommen: Eine maßgebliche Annäherung hat kaum noch Rückhalt. Die Repression in Hongkong hat dem Inselstaat vorgeführt, worauf man sich nach einer „Wiedervereinigung“ einstellen müsste.

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