1. Startseite
  2. Politik

Riesenschaden fürs Image

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Inge Günther

Kommentare

Das Kapern der internationalen "Gaza-Solidaritätsflotte" durch Eliteeinheiten der Marine wird in Israel auch als "Fiasko auf hoher See" bezeichnet. Von Inge Günther

Jerusalem. "Warum nur sind wir in diese Falle gelaufen?" So lautet der Tenor israelischer Medien am Tag danach. Das Kapern der internationalen "Gaza-Solidaritätsflotte" durch Eliteeinheiten der Marine, bei der im Morgengrauen des Montags nach Armeeangaben mindestens neun Zivilisten ums Leben kamen, wird in Israel auch als "Fiasko auf hoher See" bezeichnet.

Allenthalben herausgestellt wird überdies die Brutalität pro-palästinensischer Aktivisten, die israelische Soldaten auf dem Deck der Mavi Marmara, dem Flaggschiff des Konvois aus sechs Booten, mit Stuhlbeinen, Metallstangen und Schleudern empfangen haben sollen.

Wie aber eine "kaum seetüchtige Flottille zu einer bedrohlichen Armada" werden kann, gegen die in massiver Weise scharfe Munition einzusetzen ist, fragt sich nicht nur Jossi Sarid, früherer Chef der linksliberalen Meretz-Partei. Von einer "Mini-Operation Vergossenes Blei" spricht der Journalist Gideon Levy von der als liberal geltenden Tageszeitung Haaretz. Israel habe aus dem Gaza-Krieg 2009 nichts gelernt.

Die Hamas ist gestärkt

Nahezu einhellig herrscht Konsens, dass nicht die Soldaten für den überzogenen Einsatz verantwortlich gemacht können, sondern allein die politische Führung. Erste Stimmen, die einen Rücktritt von Verteidigungsminister Ehud Barak fordern, werden laut. Barak, der eigentlich als brillanter strategischer Kopf gilt, genoss bislang auf dem Verteidigungsposten hohe Zustimmung.

Allem Anschein nach, so Nahum Barnea, Meinungsmacher des Massenblattes Yedioth Achronoth, gehe die Hamas aus der Sache gestärkt hervor. Auch die Achse Türkei, Iran, Syrien und Hamas sei nach dieser Aktion gefestigt, während Israels Image weiter Schaden nehme. Deutlicher wird sein Kollege Sever Plocker. Barak müsse "sofort als Verteidigungsminister abdanken". Andernfalls stehe Israel in der internationalen Meinung als Land da, "in dem niemand je sein Ministeramt aufgibt", und das deshalb als Staat abgestraft werden müsse.

Eine Last für die USA

Sollte es tatsächlich zu Baraks Rücktritt kommen, hätte das weitreichende Konsequenzen für die Regierung von Benjamin Netanjahu. Arbeitsparteichef Barak galt bislang als mäßigende Kraft, die das besondere Vertrauen der USA besitzt. Das ist ein weiterer Grund, weshalb Israels Premier seinen Besuch im Weißen Haus am Montag kurzfristig absagte.

US-Präsident Barack Obama soll Netanjahu zwar telefonisch zugesagt haben, eine Verurteilung Israels im UN-Sicherheitsrat zu verhindern. Aber auch Obama legt Wert auf umfassende Aufklärung, wie es zu dem Blutvergießen beim Entern der "Solidaritätsflotte" kam. Düster warnte der Chef des Geheimdienstes Mossad, Meir Dagan, im Verteidigungsausschuss der Knesset: Israel werde "langsam von einem Aktivposten zur Last für die USA".

Der Versuch, mit allen Mitteln einen Bruch der Gaza-Blockade zu verhindern, verringere letztlich den politischen Spielraum Washingtons, arabische Staaten für Sanktionen gegen Iran zu gewinnen, glaubt auch Sicherheitsexperte Meir Javedanfar. Seine Empfehlung: Um gegenzusteuern, sollte Netanjahu über eine Aufhebung der Gaza-Abriegelung nachdenken.

Auch interessant

Kommentare