Knappes Misstrauensvotum: Macron zahlt einen hohen Preis für die Rentenreform
Macron erzwingt die Rentenreform, als Erfolg kann der französische Regierungschef das allerdings nicht verbuchen. Der Preis, den er zahlt, ist hoch – sehr hoch.
Paris – In Frankreich brennt es, im übertragenen wie im unmittelbaren Wortsinne: Nach der Ankündigung der Regierung, die Rentenreform quasi per Dekret zu beschließen, bricht sich die Wut im Land Bahn. Emmanuel Macron könnte versuchen, die Spannungen auszusitzen, doch der Präsident geht angeschlagen aus den vergangenen Tagen hervor. Auch das durchgestandene Misstrauensvotum dürfte sich für ihn nicht wie ein Erfolg lesen – der Präsident wackelt.
Misstrauensvotum nach Rentenreform in Frankreich: Nur neun Stimmen fehlten – das hat Signalwirkung
Es war die Meldung vom Montag, dem 20. März: Die französische Regierung übersteht das Misstrauensvotum. Wie sie es übersteht, ist indes eine andere Frage, denn die Abstimmung im Zuge der Rentenreform in Frankreich zeugt trotz allem von der Unzufriedenheit mit der Macron-Regierung: Nur neun Stimmen fehlten einem Misstrauensantrag gegen die Regierung zum Erfolg. Macron selbst hätte auch eine Niederlage nicht aus dem Präsidentenpalais Élysée befördert, doch die Signalwirkung ist auch so erheblich.
Insgesamt 19 Abgeordnete der Konservativen Les Républicains hatten für den Antrag votiert. Die Regierung braucht die Konservativen für eine Mehrheit in der Nationalversammlung. Dass knapp ein Drittel ebendieser Fraktion sich dem Antrag angeschlossen haben, spricht eine deutliche Sprache, auch mit Blick auf die Zukunft: Die Administration von Regierungschef Macron sitzt alles andere als fest im Sattel.

Weder unter der Bevölkerung noch im Parlament ist es Macron gelungen, eine Mehrheit für seine Rentenreform zu finden. Der Zorn auf der Straße ist schon längst gewaltig. Auch unter den Verbündeten im Parlament bröckelt jetzt der Rückhalt – und nicht nur da. Die Spielräume des Präsidenten schwinden deutlich, im Gegensatz zu Unmutsbekundungen und Protesten.
Der Widerstand gegen den Rückbau des Sozialsystems lässt sich in Frankreich, anders als in anderen Ländern, nicht einfach brechen – auch nicht durch autoritär anmutende Maßnahmen eines Präsidenten, dem ein sozialistischer Abgeordneter „demokratische Infamie“ attestiert. Bei der Rentenreform ist das letzte Wort nicht gesprochen, nicht nur, weil sie noch durch den Verfassungsrat muss. Macron steht eine schwere restliche Amtszeit bevor.
Rentenreform in Frankreich: Der „demokratische Irrweg“ und „das Gefühl, missachtet zu werden“
Emmanuel Macron ist es gelungen, selbst gemäßigte Gewerkschaftler gegen sich aufzubringen. Laurent Berger etwa hatte den Präsidenten lange unterstützt. Nun rief der Chef von Frankreichs größter Gewerkschaft CFDT den Präsidenten unmissverständlich zum Rückzug der Reform auf, mit der man noch einmal „bei null anfangen“ solle, so der Gewerkschaftsführer laut Zeit. Auch Berger sieht in Macrons Umsetzung der Reform durch die Hintertür einen „demokratischen Irrweg“. In der Wahrnehmung vieler ist selbst das eine Beschönigung.
CGT-Gewerkschaftschef Philippe Martinez brachte das Empfinden vieler Französinnen und Franzosen auf den Punkt: „Das Gefühl, missachtet zu werden, ist in Wut umgeschlagen“. Laut dem Marktforschungsinstitut Elabe hatten rund zwei Drittel der Befragten vor dem Misstrauensvotum auf einen Sturz der Regierung gehofft. Es wird weitere Proteste geben und weitere Streiks. (ales)