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„Reichsbürger“ längst nicht entwaffnet

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Von: Pitt von Bebenburg

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Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ führen vermummte Polizisten, nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß (2.v.r.) zu einem Polizeifahrzeug.
Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ führen vermummte Polizisten, nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß (2.v.r.) zu einem Polizeifahrzeug. © dpa

Politische Kriminalität ist oft für Behörden „nicht zuzuordnen“. Ende 2022 verfügten etwa 500 Personen über eine waffenrechtliche Lizenz. Für die Linken kann von einer Entwaffnung der Szene „keine Rede sein“.

Die Behörden kommen bei der Entwaffnung der „Reichsbürger“-Szene nur mühsam voran. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Fragen der Linksfraktion hervor, die der Frankfurter Rundschau vorliegt. Die Linken-Abgeordnete Martina Renner urteilt, von einer Entwaffnung der Szene könne „keine Rede sein“.

Zwar wurde von Ende 2016 bis Mitte 2022 etwa 1100 „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ die waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen. Doch Ende 2022 verfügten noch immer etwa 500 Personen aus diesem Spektrum über eine waffenrechtliche Lizenz. Das waren nur 50 weniger als ein Jahr zuvor. Anscheinend erhalten also fast so viele dieser Menschen ihre Waffenbesitzkarte wie sie entzogen bekommen.

Zur Bewaffnung der rechten Szene gibt die Bundesregierung lediglich den Stand von Ende 2021 an. Damals durften knapp 1600 Personen aus diesem Kreis legal eine Waffe besitzen.

Doch legaler Waffenbesitz ist nur ein Teil des Problems, wie etwa die Razzia bei dem „Reichsbürger“ Ingo K. zeigte. Er hatte im vorigen April im baden-württembergischen Boxberg auf Einsatzkräfte der Polizei geschossen und einen Beamten verletzt. Bei der Durchsuchung seines Gebäudes fand die Polizei laut Generalbundesanwalt drei vollautomatische Gewehre und zwei Maschinenpistolen samt 5000 Schuss Munition. Der Mann besaß dafür keine Berechtigung.

Unzureichende Einordnung?

Aus Sicht der Behörden ist das ein Fall politisch motivierter Kriminalität, aber kein Fall von Rechtsextremismus. Vielmehr wird er in der Rubrik „nicht zuzuordnen“ geführt. Wer in welche Kategorie fällt, ist häufig unklar. Taten von „Reichsbürgern“ werden von Behörden mal dem Rechtsextremismus zugerechnet, mal dieser Kategorie, in der sich auch Delikte aus der Corona-Leugner-Szene finden.

Die Linke Renner, die die Zahlen abgefragt hatte, sieht darin ein Problem. „Straftaten unter Einsatz von Waffen durch die extreme Rechte, ob von Neonazis, ,Reichsbürgern‘ oder für die Regierung vorgeblich nicht zuzuordnenden, steigen kontinuierlich weiter“, stellt sie besorgt fest. Dies geschehe trotz der Ankündigung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), konsequenter vorgehen zu wollen.

Die Auskunft der Bundesregierung gibt Aufschluss über diese Gruppe politischer Straftäter:innen, die „nicht zuzuordnen“ seien. So sei die Zahl ihrer Delikte, bei denen Waffen eine Rolle spielten, angestiegen, geht aus der Drucksache hervor.

Demnach wurden für das Jahr 2021 insgesamt 529 Fälle registriert, in denen eine Waffe eine Rolle spielte. Im Jahr 2022 gab es einen Anstieg auf 644 einschlägige Straftaten. Die Behörden rechneten einen Teil davon den „Reichsbürgern“ und Selbstverwaltern zu, nämlich 17 Fälle im Jahr 2021 und 29 Fälle 2022.

Insgesamt wurden der Gruppe, die „nicht zuzuordnen“ ist, damit mehr Straftaten mit Waffen als der rechtsextremen Szene zugerechnet. Für sie registrierten die Behörden 2021 insgesamt 485 Delikte mit Waffen. Oft ging es um Wurfgeschosse, Messer oder Schlagstöcke. Meistens wurde die Waffe eingesetzt, manchmal nur illegale Waffen gefunden.

Anstieg um 150 Prozent

Eine Auswertung des Bundeskriminalamts hatte schon im vorigen Jahr einen enormen Anstieg der politisch motivierten Straftaten gezeigt, die „nicht zuzuordnen“ seien, von rund 8600 auf über 21 000 – ein Anstieg auf fast 250 Prozent. Seither wird diskutiert, ob nicht ein großer Teil dieser Taten eigentlich der rechtsextremen Kriminalität zugeordnet werden sollte.

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