Die Reform der Reform des Sexualstrafrechts

Das seit 2016 neu gefasste deutsche Sexualstrafrecht bedarf einiger Klärung - seine Novelle 2016 gilt als Schnellschuss. Experten empfehlen die Reform der Reform.
Nach den Übergriffen auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht 2015/16 ging es plötzlich ganz schnell. Die Rufe nach Reform des Sexualstrafrechts waren unüberhörbar, die „Nein-heißt-Nein“-Debatte war in aller Munde. Und so wurde die schon länger geplante Reform schneller umgesetzt, als es eigentlich geplant war. Mitte 2016 war das Sexualstrafrecht verschärft. Jetzt melden sich Experten zu Wort und empfehlen die Reform der Reform.
Das ist weniger überraschend, als es den Anschein hat. Denn im Februar 2015 – lange vor Köln – hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Expertenkommission berufen, die das Sexualstrafrecht umfangreich überarbeiten sollte. Zwölf Experten aus Wissenschaft, Gesetzgebung und Praxis und 15 Sachverständige machten sich an die Arbeit. 28 Sitzungstage später – an diesem Mittwoch nun – überreichte die Kommission Maas ihren Abschlussbericht mit umfangreichen Empfehlungen und Vorschlägen, von Prostitution über Kindesmissbrauch, Pornografie bis zu Vergewaltigung, Belästigung, Nötigung und der Anbahnung sexueller Kontakte im Netz.
In dem Bericht bemängeln die Experten aber auch die Reform von 2016 und empfehlen deren Überarbeitung – wobei die Kommission sich einig ist, dass eine Reform nötig war wegen der „Strafbarkeitslücken“ – zum Beispiel bei „Klima-der-Gewalt“-Fällen, deren Täter straflos blieb, wenn ein Opfer zwar erkennbar die sexuelle Handlung ablehnte, der Täter aber den Willen des Opfers nicht erst zu brechen brauchte.
Praxis der „Nein-heißt-Nein“-Lösung kritisch begutachten
Die Experten bedauern, „dass die Änderungen in großer Eile herbeigeführt“ wurden. Der Paragraf 177 im Strafgesetzbuch – sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung – sei „überfrachtet“ und entspreche nicht „den rechtsförmlichen Vorgaben einer guten Gesetzgebung“. Die Nötigungs- und Übergriffstatbestände sollten besser separat behandelt und die Praxis der „Nein-heißt-Nein“-Lösung kritisch begutachtet werden.
Noch härter ins Gericht geht die Kommission mit dem neu geschaffenen Paragrafen, der Straftaten aus Gruppen ahnden soll. Auch diese Reform trat Ende 2016 als Reaktion auf Köln in Kraft. Seitdem kann jemand bestraft werden, wenn er Teil einer Gruppe ist, die andere Menschen so bedrängt, dass dies als Straftat gewertet wird. „Handwerklich missglückt“ und „schwer verständlich“, sei der Paragraf, schreiben die Experten. Es bestehe für den Straftatbestand keine Erfordernis, er sei sogar mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip erwachsenen Schuldprinzip nicht vereinbar. Dem Bericht der Experten zufolge sei der Paragraf lediglich ein „symbolisches Strafrecht“ und könne daher auch wieder abgeschafft werden.
Maas hatte beim Inkrafttreten der Reform sie noch „einen wichtigen Schritt zur Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung“ genannt.