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Rechtsextremismus – Wie sich „Lone Wolves“ im Internet radikalisieren

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Von: Andreas Förster

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Fahne zeigen manche Rechte heute ganz anders.
Fahne zeigen manche Rechte heute ganz anders. © picture alliance/dpa

Die rechtsextreme Szene agiert immer öfter in Kleingruppen. Ihre Vernetzung läuft über das Internet. Dort erträumen und planen sie ihre mörderische Gewalt.

Frankfurt – In dem am 29. März begonnenen Prozess gegen drei Mitglieder der ultrarechten Dresdener Fan-Gruppierung „Faust des Ostens“ (FdO) geht es zwar um mehr als zehn Jahre zurückliegende Gewaltdelikte. Aber die Hooligans dieser neonazistischen Gruppe haben sich seitdem alles andere als friedlich verhalten. Immer wieder fallen FdO-Schläger mit Angriffen auf Linke und Ausländer auf, Kontakte der Gruppe existieren zudem zu rechtsextremen Freien Kameradschaften in Sachsen sowie zu Pegida und zu der rechtsterroristischen Gruppe Freital.

Das Beispiel der Hooligangruppierung FdO zeigt einmal mehr, dass sich spätestens seit der Flüchtlingsbewegung Mitte des vergangenen Jahrzehnts die rechtsterroristische Szene erheblich verändert hat. Sie ist differenzierter, unübersichtlicher und unberechenbarer geworden.

Rechtsextremisten organisieren sich in kleinen, gewaltbereiten Gruppen im Internet

Da gibt es einzelne Zellen oder kleinere Gruppen wie Atomwaffen Division, Combat 18 oder die im vergangenen Juni zerschlagene Terrorzelle Nordadler, die sich – wie einst die Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) – aus bestehenden Neonazi-Kameradschaften heraus gebildet oder dort ihre Mitstreitenden rekrutiert haben. Auch den Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke, Stephan Ernst, und dessen Helfer Markus H., die beide jahrelang in der hessischen Neonazi-Szene aktiv waren, kann man diesem Segment zuordnen.

Es gibt aber auch die sich erst in virtuellen Subkulturen zusammenfindenden Gruppen aus gewaltbereiten Rassisten, die mit der organisierten rechten Szene nichts zu tun haben und sozial gesehen eher aus der Mitte der Gesellschaft stammen – Beispiele hierfür sind Terrorgruppen wie „Old School Society“, „Revolution Chemnitz“ und „Gruppe Freital“ sowie die „Gruppe S.“ (siehe Kasten „Vorbereitung zum Bürgerkrieg“). Rechte „Prepper“-Vereine wie Nordkreuz, Uniter und das obskure „Hannibal“-Netz eines Ex-KSK-Soldaten sowie das nordsächsische Prepper-Netzwerk „Zuflucht“, das sich mit Schießtrainings und illegaler Waffenbeschaffung auf einen angeblichen „Rassenkrieg“ vorbereitet, gehören ebenfalls zu diesem Segment. In ihnen agieren unter anderem Aktive und Ehemalige von Bundeswehr und Sicherheitsapparat. Sie wollen als Untergrundeinheiten politische Gegner und Minderheiten bekämpfen.

Rechtsextreme „Lone Wolves“ radikalisieren sich selbst über das Internet

Und schließlich sind da sich selbst radikalisierende Einzeltäter wie der Halle-Attentäter Stephan B. Diese „lone wolves“, einsame Wölfe, werden von Fachleuten beschrieben als „vom Leben gekränkte Menschen“, mehr oder weniger intelligent, aber isoliert, sozial inkompetent und hasserfüllt vor allem auf Minderheiten, Fremde und Frauen.

Schon vor gut zwei Jahren hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Analyse über die Gefahren vorgelegt, die von der deutlich veränderten Szene gewaltbereiter Rechter ausgehen. In dem Papier spricht die Behörde von „rechtsterroristischen Ansätzen und Potenzialen“, die sich „in unterschiedlichen Strömungen und Spektren der rechtsextremistischen Szene, aber auch am Rande oder gänzlich außerhalb der organisierten Szene“ entwickeln. Maßgebliche Akteure seien hierbei „vor allem wenig komplex organisierte Kleingruppen und Einzelpersonen“. Die Szene sei neu und relativ jung. Ihre Protagonisten seien überwiegend Männer im Alter um die 30 und erst seit wenigen Monaten oder Jahren rechtsextremistisch aktiv; „teilweise handelte es sich um bislang gänzlich unbekannte Personen“.

Verfassungsschutz kann rechtsextreme Gewalttäter im Internet immer schwerer überwachen

Der Verfassungsschutz kann kaum noch Einfluss größerer rechter Organisationen ausmachen, in denen sich früher potenzielle Straftäter sammelten. Seine Überwachungsarbeit mache das „deutlich arbeits- und personalintensiver“.

Typisch für die heutige rechtsextremistische Szene sind laut BfV lose und sich überschneidende Netzwerke, zu denen auch zunehmend rechte Soldaten und Polizisten stoßen. Eine große Rolle bei Kommunikation und Radikalisierung spielten soziale Medien und Messenger-Dienste, über die sich Kleinstgruppen austauschen, etwa zu Themen wie Asyl, Migration und Islam. Eine stärkere Überwachung des Internets ist aus Sicht des BfV notwendig, da im Netz „hohe Risiken in Bezug auf Radikalisierung, Mobilisierung und Konspiration“ bestehen.

Rechtsextreme planten und trainierten vorwiegend anhand von „improvisierten Sprengstoffanschlägen“, wobei jedoch „eklatante Lücken zwischen Planung und Realität“ bestehen, wie das BfV betont. Allerdings müsse man auch bemerken, dass sich die Rechten auf ein „Bürgerkriegsszenario“ und einen von ihnen erhofften Zerfall der öffentlichen Ordnung vorbereiteten. Dies schließe auch den Gebrauch von Schusswaffen ein.

Terrorismus als „Kommunikationsstrategie“ der gewaltbereiten Rechtsextremisten

Der rassistische Terror gehört damit längst zu den politischen Kampfwerkzeugen einer rechten Einheitsfront, die inzwischen von den Abgeordneten der AfD bis zu den (verbotenen, aber im Untergrund weiter existierenden) Terrorzellen von Combat 18 reicht. Er schließt – als Fortsetzung der NSU-Mordserie – die Brand- und Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsheime ebenso ein wie den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walther Lübcke, der sich für eine humane Migrationspolitik ausgesprochen hatte, sowie die rassistischen Attentate in München, Halle, Wächtersbach und Hanau, bei denen Einzeltäter insgesamt 21 Menschen ermordeten.

Denn Terrorismus ist vor allem – wie es der Jurist und Soziologe Peter Waldmann definiert – eine „Kommunikationsstrategie“, bei der die Gewalt „als ein Mittel, eine Art Signal eingesetzt (wird), um einer Vielzahl von Menschen etwas mitzuteilen“. Bei rechtsterroristischen Anschlägen sind Bekennerschreiben aber unüblich und auch nicht notwendig, wie man schon beim NSU sah. Taten statt Worte, lautet die Devise. Terror ist ein konstitutives Moment der rechtsextremen Szene, Gewalt ein fester Bestandteil ihrer Weltanschauung. Das heißt, es gibt – anders als im Linksterrorismus – keine grundsätzlichen Diskussionen über die Legitimität von Gewalt und bewaffnetem Kampf. (Andreas Förster)

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