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Rechtsextreme wollen Schiffe blockieren

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Von: Melanie Reinsch

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Für diese Frau und ihr Baby kam die Hilfe der Lebensretter auf dem Mittelmeer vielleicht in letzter Minute.
Für diese Frau und ihr Baby kam die Hilfe der Lebensretter auf dem Mittelmeer vielleicht in letzter Minute. © rtr

Die Identitäre Bewegung sammelt im Internet Geld, um mit eigenen Booten die Arbeit von Lebensrettern im Mittelmeer zu behindern.

Die rechtsextreme Identitäre Bewegung (IB) hat offenbar eine neue Mission gefunden: Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Geflüchteten in Seenot helfen, bei ihrer Arbeit zu stören. Die Identitären bezeichnen die Lebensretter als „kriminelle Schlepper“.

Angefangen hatte es Mitte Mai, als Aktivisten der IB ein Schiff der Hilfsorganisation SOS Méditerranée im sizilianischen Catania am Auslaufen hinderten. Erst nachdem die Hafenbehörde einschritt, konnte die Aquarius in Richtung libyscher Küste weiterfahren, um Menschen vor dem Ertrinken zu retten.

„Leider müssen wir weg. Unser Schiff wurde konfisziert. Gebt uns eins und wir lichten wieder den Anker“, schrieb Martin Sellner am 15. Mai auf seinem Instagram-Account. Sellner ist die Galionsfigur der identitären Rechten und zieht vor allem junge Menschen an. Er kommt aus Österreich, ist 28 Jahre alt, sportlich. Auf seinen Fotos zeigt er sich oft lächelnd, mal mit Schal und Sonnenbrille, mal mit großen Kopfhörern. Er hielt Reden auf den rechtspopulistischen Pegida-Demos in Dresden, hat unter anderem Kontakte zur AfD.

Im Februar feuerte er in einer Wiener U-Bahn mehrere Schüsse mit einer Schreckschusspistole ab. Er behauptete, von Linken attackiert worden zu sein. In Deutschland wird die IB vom Bundesamt für Verfassungsschutz und von mehreren Landesbehörden beobachtet. Sie wird als rechtsextrem eingestuft.

Kurze Zeit nach der Störaktion auf Sizilien ging eine Internetseite online, auf der die Aktivisten seitdem für ihre Mission „Europa verteidigen“ Geld sammeln und Mitstreiter suchen. „Wir wollen die NGOs demaskieren, die mit illegalen Schlepperbanden zusammenarbeiten, welche sich am menschlichen Elend bereichern. Wir wollen unsere Grenzen vor illegaler Einwanderung schützen und uns dem entgegenstellen“, heißt es da.

Mit dem Geld wolle man eine eigene Crew zusammenstellen, ein Boot ausrüsten und „in See stechen, um die Feinde Europas niederzuringen“, wirbt ein junger Mann in einer Videobotschaft.

Sie, das sind NGOs wie SOS Méditerranée, Seawatch, Jugend rettet oder Ärzte ohne Grenzen, die vor Ort sind, um Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Anfang der Woche ließ Sellner über Twitter wissen, genügend Geld über die Crowdfunding-Kampagne gesammelt zu haben. Mehr als 64 000 Euro sollen zusammengekommen sein. „Wir haben unser Ziel erreicht, aber du kannst uns weiterhelfen“, heißt es auch auf der Homepage. Per Überweisung oder per Pay-Pal soll man der rechtsextremen Initiative Geld zukommen lassen. „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“, nennt sich die IB auf Seite des Online-Bezahlservices Pay-Pal.

Während die US-amerikanische Crowdfunding-Plattform Kickstarter ein Spenden-Projekt der IB Anfang des Jahres löschen ließ, ist der Link bei Pay-Pal immer noch online. Die Richtlinien untersagten es zwar, dass die Dienstleistungen genutzt würden, um Zahlungen oder Spenden für Organisationen zu empfangen, die Hass oder Gewalt unterstützten“, erklärte Pay-Pal-Sprecherin Sabrina Winter auf Anfrage der FR.

Man stimme mit Haltungen einiger Kontoinhaber nicht immer überein. „Dennoch respektieren wir natürlich das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wir überprüfen regelmäßig fragwürdige Aktivitäten auf Basis der Nutzungsrichtlinie“, so Winter weiter.

Und die NGOs? „Rechtlich gesehen ist die Seenotrettung eine menschenrechtliche und völkerrechtliche Verpflichtung“, schreibt die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und beruft sich auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.

Im aktuellen Fall greifen sowohl seerechtliche als auch strafrechtliche Fragen. „Es kann strafrechtlich relevant sein, wenn gefährlich in den Seeverkehr eingegriffen wird“, sagt der Jurist Michael Günther, Experte im Umwelt- und Strafrecht. Wenn Schiffe am Auslaufen gehindert werden, könne es sich auch um Nötigung handeln oder um eine unterlassene Hilfeleistung beziehungsweise einer Behinderung von Hilfeleistungen – die Gesetzeslage wäre also ein Ansatz, um die Blockade der Rechtsextremen zu verhindern.

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