Offenbar „sehr ernst erkältet“: Live-Sendung mit Erdogan muss plötzlich unterbrochen werden

Erdogan macht Wahlkampf im hohen Tempo. Dabei hat er sich offenbar erkältet und fühlte sich unwohl mitten in einer Live-Sendung, die unterbrochen werden musste.
München/Ankara – Die kritische Türkei-Wahl 2023 rückt immer näher. Sowohl die Regierung von Staatschef Recep Tayyip Erdogan als auch das Oppositionsbündnis unter Herausforderer und CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu beschleunigen ihren Wahlkampf, der zunehmend hitziger wird. In der Türkei steht Erdogan jedenfalls für Wahlkampagnen im hohen Tempo: Eine Eröffnung, eine Rede, eine Live-Sendung nach der anderen und dabei eine scheinbar fast grenzenlose Energie gelten als gewöhnlich für ihn. Die Gesundheit des 69-jährigen Präsidenten kann aber inzwischen nicht immer mithalten.
Kurz vor Türkei-Wahl 2023: Erdogan fühlt sich mitten in Live-Sendung unwohl
Am Dienstagabend (25. April) war Erdogan zu Gast bei einer gemeinsamen Live-Sendung der Sender Ülke TV und Kanal 7, wo er Fragen von Journalisten über die anstehenden Wahlen und geplante sowie bereits abgeschlossene Projekte beantworten sollte. Als Ülke TV-Journalist Hasan Öztürk eine Frage stellte, machte sich plötzlich stille Panik breit. Aus dem Mikrofon ertönten dumpfe Geräusche, Öztürk blicke verunsichert und ernst in Richtung Erdogan, stand kurz auf und setzte sich wieder hin. Vor laufender Kamera war zu sehen, wie eine Person schnell zu dem Präsidenten lief. Die Sendung wurde unterbrochen.
Auf Twitter machten schnell Gerüchte, aber auch Angst bei den Anhängern des Präsidenten die Runde. Doch wenige Minuten später kam die Entwarnung. Erdogan gehe es gut, er habe sich nur kurz unwohl gefühlt, hieß es aus Kreisen von Erdogans islamisch-konservativer AK-Partei und Journalisten, die ihm nahestehen. Tatsächlich ging die Sendung nach der kurzen Unterbrechung weiter. Dennoch saß der Schock bei Erdogans Anhängern tief. „Wir brauchen dich“, schrieben etwa manche. „Wir wissen, du bist müde, aber ohne dich geht es nicht“, hieß es von weiteren Nutzern.
Kurz vor Türkei-Wahl 2023: Panik bei Live-Sendung mit Erdogan
Erdogan meldete sich selbst über seine gesundheitlichen Beschwerden zu Wort. Er habe in den letzten zwei Tagen sehr intensiv an der Wahlkampagne gearbeitet und sich dabei „sehr ernst erkältet“. Erst habe er erwägt, die Sendung abzusagen, gleichzeitig aber befürchtet, dies könne man falsch verstehen. „Dann habe ich gesagt, ich habe es versprochen, also gehe ich auch hin“, so der türkische Präsident.
Er fügte hinzu: „Ich bitte euch und mein Volk um Verzeihung.“ Auf Türkisch bedeutet dies „helallik“. Die entsprechende positive Antwort darauf, „helal olsun“, so viel wie „Die Verzeihung sei gegeben“, eroberte Twitter im Sturm. Unzählige seiner Unterstützer twitterten die kurze Phrase, die zudem auch Anerkennung einer guten Tat bedeuten kann.
Kurz nach dem Ende der Sendung kamen auch aus der Opposition Genesungswünsche. Erdogans Herausforderer Kilicdaroglu, Iyi-Partei-Chefin Meral Aksener, Gelecek-Chef Ahmet Davutoglu, Deva-Vorsitzender Ali Babacan und Saadet-Partei-Chef Temel Karamollaoglu wünschten ihrem Rivalen gute Besserung. Einige konnten sich aber trotzdem kleine Sticheleien nicht verkneifen, wie etwa Aslihan Elibol von der Iyi-Partei. „Möge Gott Herrn Erdogan ein langes Leben geben“, schrieb sie auf Twitter und ergänzte: „Wir werden ihm noch zeigen, wie man einen Staat regiert.“
Türkei-Wahl 2023: Trotz gesundheitlicher Beschwerde macht Erdogan weiter Wahlkampf
Gesundheitliche Beschwerden werden Erdogan offenbar nicht daran hindern, seinen Wahlkampf im selben Tempo fortzuführen. Die Reporterin Rüya Akkus vom Sender AHaber teilte mit, der Gesundheitszustand von Erdogan sei nach dem „kleinen Unwohlsein“ wieder in guter Fassung. AKP-Sprecher Ömer Celik bestätigte dies in einem kurzen Statement.
Demnach will Erdogan schon am Mittwoch (26. April) den Hochgeschwindigkeitszug zwischen der Hauptstadt Ankara und der zentralanatolischen Stadt Sivas eröffnen. Nicht nur das: Er will mit dem Zug neben Sivas auch die Städte Kirikkale sowie Yozgat besuchen und in allen drei Städten Wahlkampfreden halten. Akkus teilte mit, Erdogans Programm für die nächsten Tage sei nicht abgesagt worden. Der 69-Jährige ist sich schließlich bewusst, wie eng das Rennen vor der Wahl am 14. Mai ist.
Die Stimmung bei türkischen Social-Media-Usern nach dem Vorfall zeigte jedenfalls eines: Auch wenn sie frustriert und sogar wütend sind, fühlen sich sehr viele Menschen immer noch mit Erdogan verbunden. Auch viele Deutsche halten wohl zu Erdogan. Das Gefühl, frustriert zu sein, insgeheim aber trotzdem den AK-Partei-Chef weiterhin an der Spitze sehen zu wollen, könnte Erdogan den entscheidenden Vorteil bei der Wahl bringen. Doch was passiert, wenn Erdogan die Wahl verliert? (bb)