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Forderungen aus Ankara
Migrationspolitik der EU: Erdogan verlangt mehr Geld und neues Abkommen
- vonJoel Schmidtschließen
Seit fünf Jahren sorgt die Türkei mittlerweile dafür, dass immer weniger Geflüchtete die EU-Außengrenzen passieren. Nun verlangt Präsident Erdogan mehr Geld von Brüssel.
- Infolge des Bürgerkriegs in Syrien sind viele Menschen aus dem Land geflohen.
- Recep Tayyip Erdogan fordert nun eine Neuverhandlung eines Abkommens mit der EU von 2016.
- Erdogan-News: Alle Informationen rund um den Präsidenten der Türkei auf unserer Themenseite.
Brüssel – Vor fünf Jahren haben die Europäische Union (EU) und die Türkei den sogenannten Flüchtlingspakt geschlossen. Um auch zukünftig Geflüchtete bereits an den EU-Außengrenzen an der Einreise zu hindern, will Recep Tayyip Erdogan nun eine Neuverhandlung des gemeinsamen Abkommens. Die Forderungen: mehr Geld und weitere Zugeständnisse aus Brüssel.
Die EU-Kommission verkündete, für sie habe der Pakt noch immer Gültigkeit und „sollte weiterhin voll umgesetzt werden“. „Trotz Herausforderungen“ habe sie „greifbare Ergebnisse gebracht“, etwa eine Verbesserung der Lage von Migrant:innen und Geflüchteten in der Türkei oder auch eine starke Abnahme gefährlicher Überfahrten in die EU. Einer Neuverhandlung stehe man laut ihrem Außenbeauftragen Josep Borrell grundsätzlich offen gegenüber. Konkreteres zum Thema solle jedoch erst beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs Ende März besprochen werden.
Die Türkei und die Migration in die EU: Erdogan fordert Neuverhandlung
Bei einer Erneuerung des Abkommens verlangt Erdogan von der EU in erster Linie eine Erhöhung der finanziellen und logistischen Unterstützung beim Thema Migration. Dabei soll es sowohl um die allgemeine Versorgung gehen als auch um die Ansiedlung syrischer Geflüchteter in dem von der Türkei besetzten Norden des Bürgerkriegslandes. Derzeit leben etwa 3,7 Millionen aus Syrien geflüchtete Menschen in der Türkei.
Angesichts vieler nach Europa flüchtender Menschen infolge des Bürgerkrieges hatten sich die Türkei unter Erdogan und die EU im März 2016 auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Erstere sagte damals zu, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Geflüchteten im eigenen Land aufzunehmen und gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug versprach die EU Verhandlungen über die Abschaffung des Visa-Zwangs für Bürger:innen der Türkei sowie Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion voranzutreiben. Als weiteren Anreiz stellte sie darüber hinaus sechs Milliarden Euro zur Versorgung syrischer Geflüchteter in Aussicht.
Land | Türkei |
Staatsform | Präsidentielle Republik |
Regierungschef | Recep Tayyip Erdogan |
Bevölkerung | 82 Millionen (Stand 2019) |
Migration in die EU: Erdogan nutzte den Türkei-EU-Deal um Druck aufzubauen
Nachdem die EU-Kommission mittlerweile 4,1 Milliarden Euro ausgezahlt hat und Präsident Erdogan das Abkommen immer wieder nutzte, um Druck auf die EU auszuüben, hält die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel das Abkommen jedoch für gescheitert. „Der Deal hat nicht funktioniert“, sagte die Innenexpertin dem „Evangelischen Pressedienst“ (epd) in Brüssel. Griechenland werde von den anderen EU-Staaten alleingelassen oder fühle sich zumindest so, erklärte Sippel. „Das führt dazu, dass man eher auf Abschreckung und gewaltsame Zurückdrängung von geflüchteten Menschen setzt als auf geordnete und beschleunigte Verfahren.“ Eine Neuverhandlung des Abkommens käme Sippel zufolge nur infrage, wenn dieses auch gute Standards für Geflüchtete beinhaltete.
Kritik übte sie auch angesichts der immer wieder aufkommenden Vorwürfe illegaler Push backs von Schutzsuchenden an der griechisch-türkischen Grenze sowie an den teils katastrophalen Zuständen in griechischen Geflüchtetenlagern. Bei der schlechten Unterbringung habe sie „tatsächlich zunehmend den Eindruck, dass die Situation gewollt ist“, sagte Sippel. Während 2016 noch 8.560.000 Menschen von der Türkei über die Ägäis nach Griechenland kamen, hatte die Zahl nach Inkrafttreten des Abkommens stark abgenommen. In den Jahren 2017 bis 2020 war die Zahl nach Angaben der EU-Kommission durchschnittlich um etwa 96 Prozent zurückgegangen. (Joel Schmidt mit Agenturen)