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Razzia bei Erdogan-naher Presse in Hessen – Journalisten als „Handlanger eines Geheimdienstes“?

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Von: Erkan Pehlivan

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Schlag gegen die Erdogan-Presse: Hessens Polizei durchsucht Wohnungen und nimmt zwei Journalisten fest. Hintergrund ist womöglich eine Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst MIT.

Mörfelden/Walldorf - Die Polizei hat in Hessen offenbar Razzien gegen Mitarbeiter der türkischsprachigen Zeitung Sabah sowie des TV-Senders A Haber durchgeführt. „Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen des Verdachts des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten haben Polizeikräfte am Mittwochmorgen die Privatwohnungen von zwei 46- und 51-jährigen Journalisten in Mörfelden-Walldorf durchsucht. Bei dem Einsatz stellten die Ermittler unter anderem elektronische Speichermedien und weitere Beweismittel sicher“, heißt es in einer Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Südosthessen. Später seien die beiden Männer jedoch entlassen worden.

Erdogan-Kritiker im Visier: Sabah und A Haber veröffentlichten Privatadressen

Sabah und A Haber hatten die Adressen, Wohnhäuser und Fotos von Exiltürken in Deutschland veröffentlicht, unter anderem auch die des Investigativjournalisten Cevheri Güven. FR.de hatte über den Fall berichtet. Güven hatte immer wieder über die Machenschaften von Präsident Recep Tayyip Erdogan berichtet, darunter auch seine Verbindungen zur türkischen Mafia oder Terrororganisationen in Syrien. Immer wieder wurde Güven in der Vergangenheit von Sabah und A Haber zudem zum Terroristen und Vaterlandsverräter erklärt.

Adressen von Exiljournalisten offenbar vom türkischen Geheimdienst MIT bezogen

Womöglich hatten Sabah und A Haber vom türkischen Geheimdienst MIT Informationen über den Investigativjournalisten bekommen. Güven steht unter Polizeischutz und seine Adresse ist mit einer sogenannten „Auskunftssperre“ belegt. Unter normalen Bedingungen hätte man seine Adresse nicht herausbekommen können, glaubt Güven im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA.

Der Investigativjournalist Cevheri Güven steht im Visier der Erdogan-Regierung
Der Investigativjournalist Cevheri Güven steht im Visier der Erdogan-Regierung © BARBAROS KAYA

„Die Veröffentlichung meiner Adressdaten und Fotos meines Hauses sollte mich eindeutig in Gefahr bringen. Ich wusste, dass es in Deutschland gesuchte türkische Mafia-Mitglieder und Fanatiker gab, die versuchten, meine Adresse zu herauszufinden“, erklärte Güven. „Erdoğans Zeitung Sabah lieferte denen, die mich angreifen wollten, die nötigen Informationen. Das hatte nichts mit Journalismus zu tun. Meine Adresse ausfindig zu machen und mich heimlich zu filmen, war Geheimdienstarbeit“.

Türkei: Journalisten als „Handlanger des türkischen Geheimdienstes“

Auch Burak Copur, Türkei-Forscher aus Essen, zeigt sich über die Machenschaften der regierungsnahen türkischen Medien empört. „Wenn es stimmt, dass sogenannte Haus- und Hofjournalisten des Präsidenten hier in Deutschland andere Journalistenkollegen von ihnen zur Zielscheibe machen, dann hat das nichts mehr mit Journalismus zu tun. Dann sind diese Journalisten Handlanger eines Nachrichtendienstes, die nicht davor zurückschrecken, ihre Journalistenkollegen zur Zielscheibe zu machen und zum Abschuss freizugeben“, sagte Copur im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der Türkei-Experte Eren Güvercin warnt vor dem türkischen Geheimdienst MIT und auch regierungsnahen türkischen Medien, die in Deutschland Jagd auf Exilanten aus der Türkei machen. „Erdogan-Kritiker sind schon seit längerer Zeit im Visier der türkischen Geheimdienste. Aber auch AKP-Medien in Deutschland denunzieren immer wieder kritische Stimmen und versuchen diese unter dem Deckmantel des Journalismus einzuschüchtern“.

Es sei daher wichtig, dass gegen diese Agitation rechtsstaatlich und unter der Wahrung der Pressefreiheit vorgegangen wird. Sowohl Güvercin als auch Copur stehen ebenfalls immer wieder im Visier regierungsnaher türkischer Medien. Die Zeitungen Takvim und Yeni Akit hatten Güvercin ebenfalls als Terroristen bezeichnet.

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Die Staatsanwaltschaft Darmstadt wollte zum Schutz der noch andauernden Ermittlungen keine weiteren Inhalte zu dem Ermittlungsverfahren bekannt gegeben. Sowohl Sabah als auch A Haber gehören der Turkuvat Gruppe, die von Serhat Albayrak geleitet wird., dem Bruder des Erdogan-Schweigersohns und ehemaligen Finanzministers Berat Albayrak.

Der Fall entwickelt sich aber auch zu einer diplomatischen Krise.. Das türkische Außenministerium schrieb in einer Erklärung von einer „Festnahme“ zweier Journalisten des Frankfurter Büros der Zeitung Sabah und erklärte, dieses Vorgehen solle die türkische Presse „schikanieren und einschüchtern“. Auch A Haber spricht von einem Schlag gegen die Pressefreiheit in Deutschland. (Erkan Pehlivan)

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