Rätsel um Bunker in Moskau: Was verheimlicht Putins Regime unter der Erde?

Ein Bunker-Experte hält einen Vortrag, von dem ein Video ins Internet gestellt wird. Doch die russische Aufsichtsbehörde verlangt die Löschung. Warum nur?
Moskau – Über 40 Meter unter dem Erdboden unweit einer Station der berühmten Moskauer Metro können Touristen für umgerechnet 7 Euro in der russischen Hauptstadt hautnah erleben, wie sich die Sowjetunion einst für Katastrophen wappnete. Hinter dicken Wänden und einer 10 Tonnen schweren Tür, in einem Bunker, der erst 2018 für die Öffentlichkeit freigegeben wurde – und laut einem russischen Gericht aus irgendeinem Grund ein Staatsgeheimnis beinhalten könnte.
Das zumindest legt nun ein Bericht der regierungskritischen russischsprachigen Nachrichtenseite Meduza nah, der von Versuchen berichtet, einen Expertenvortrag von der Videoplattform Youtube zu löschen, der sich hauptsächlich mit ebendiesem „Bunker 703“ beschäftigt. Dabei klingt der Titel des Buchs, zu dem Autor Dmitry Yurkow im April 2021 auf der Youtube-Seite des Museums veröffentlichten Vortrag gehalten hat, deutlich brisanter als er ist: „Sowjetische ‚Geheimbunker‘: Urbaner Festungsbau in den 1930ern-1960ern“.
Datenleck bei Staatsbehörde in Russland: Regierungskritische Zeitung veröffentlicht Details
Geheim sei daran heute daran gar nichts mehr, versichert Yurkow gleich zu Beginn des Vortrags und dürfte damit das Interesse von all jenen, die sich nicht als sonderlich geschichtsbegeistert wähnen, gleich verloren haben. Was dennoch dafür sorgt, dass über 100.000 Menschen seit Kriegsbeginn das russischsprachige Video aufgerufen haben, könnte wohl ein Versuch der Kommunikationsaufsichtsbehörde Roskomnadzor sein, das Video kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs von Youtube löschen zu lassen.
Die offizielle Begründung, die aus einem Gerichtsurteil von Dezember 2021 stammt: Das Video enthalte „Informationen, die ein Staatsgeheimnis darstellen“. Meduza hat mit der Hilfe des belarussischen Kollektivs Cyberpartisans nun Zugriff zu internen E-Mails erhalten, die dokumentieren, welche Versuche vonseiten Russlands unternommen wurden, das Video aus dem Internet zu bekommen. Mehrere Mitarbeiter der Behörde schrieben E-Mails an Youtube, verwiesen auf Gerichtsurteile, drohten sogar den Zugang zur Plattform generell sperren zu lassen. Bislang ohne Folgen.
Geheiminformationen über Bunker unter Russlands Hauptstadt im Ukraine-Krieg? Video wirft Fragen auf
Das dürfte auch der Indikator sein, dass die angeblichen Geheiminformationen lediglich ein Versuch gewesen sein sollten, das Risiko unbequemer Nachfragen zu minimieren. Fragen, die das Video aufwerfen könnte, wären etwa eine mögliche heutige Nutzung weiterer unterirdische Schutzanlagen oder gar die Existenz der sagenumwobenen „Metro-2“, einem geheimen, angeblich unter Stalin gebauten zweiten Moskauer U-Bahn-Netz. Beweise, dass weder das eine noch das andere Tatsache ist, existieren nicht.
Relevant sind Fragen wie diese heute vor allem vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, über den Moskau ebenfalls die Kommunikation im Land reguliert, in dem es etwa von einer militärischen Spezialoperation oder legitimen Volksabstimmungen in den annektierten Gebieten spricht. Im Herbst wurde bekannt, dass in Russland großräumig Luftschutzbunker instandgesetzt würden und russische Unternehmen dazu aufgerufen worden seien, in Verteidigungstechnik zu investieren. (saka)