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„Querdenker“ mit Volksbegehren gegen den Bayerischen Landtag

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Von: Patrick Guyton

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Hygienische Vorsorge im bayrischen Parlament. Die „Querdenker“ würden darauf verzichten. Foto: Christof STACHE / AFP.
Hygienische Vorsorge im bayrischen Parlament. Die „Querdenker“ würden darauf verzichten. © Christof STACHE/AFP

Nach Kritik an der Corona-Politik, greifen „Querdenker“ nun zu neuen Mitteln: Mit einem Volksbegehren will eine Initiative in Bayern den Landtag abberufen – dafür wäre aber eine große Zahl an Unterschriften nötig.

München - Die Rathäuser Bayerns sind geöffnet für ein Volksbegehren, das es so noch nie im Freistaat gegeben hat: Unterschrieben werden kann für die Forderung, den Landtag abzuberufen.

Unter der Woche, 18 Uhr in der Stadtkämmerei München, ein Eintragungsort im Zentrum der Landeshauptstadt. Zehn Tische sind für Unterzeichner:innen aufgestellt, acht Rathaus-Angestellte leisten Dienst. Doch 20 Minuten lang kommt niemand. Dann sammelt sich eine Gruppe vor dem roten Backsteinbau, ein gutes Dutzend, mehr Frauen als Männer, und geht rein. Am Ausgang sagen sie auf Nachfrage, dass sie „ganz normale Bürger“ seien, die sich „gegen die Corona-Politik“ wehrten. Aber keine „Querdenker“. Eine Frau trägt einen Sticker mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ an der Brust. Die Ausgangsbeschränkungen im Freistaat seien vom höchsten Gericht als nicht verfassungsgemäß bewertet worden. „Söder müsste sofort zurücktreten“, sagt sie.

Die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens gehören der sogenannten „Querdenker“-Szene an, die gegen die Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie protestiert. „Bündnis Landtag abberufen“ nennt sich die Gruppe – auch die bayerische AfD unterstützt das Vorhaben. Der Antrag ist kurz und beruft sich auf die bayerische Verfassung. Gemäß Artikel 18 ist auf Antrag einer Million Stimmberechtigter „ein Volksentscheid über die Abberufung des Landtags herbeizuführen“. Das Quorum für die Unterschriftenlisten wurde erreicht: 29.000 Bürgerinnen und Bürger, 4000 mehr als nötig gewesen wären. Bis zum 27. Oktober liegen die Listen aus, die Erfolgsaussichten werden aber als sehr gering angesehen. In der Stadt München etwa haben sich nach fünf Tagen 0,28 Prozent der Stimmberechtigten eingetragen, das sind 2592 Bürgerinnen und Bürger.

„Querdenker“-Volksbegehren: Bisher wenig Zuspruch

Bei anderen Volksbegehren, etwa jenem für mehr Artenschutz („Rettet die Bienen“), lag die Zahl zu diesem Zeitpunkt um ein Vielfaches höher. Dennoch ist es interessant, dass nun eine solche Gruppierung ein Mittel der direkten Demokratie nutzen will.

Auf den Werbeplakaten des Bündnisses ist ein zerbrochenes Herz abgebildet – durch die Abberufung des Landtags und Neuwahlen, so scheint es, soll es wieder zusammengefügt werden. Auf der Homepage ist viel die Rede von „Freiheit“ und „Respekt“. Holprig wird gereimt: „Es geht um meine Würde, es braucht Zusammenhalt, Zivilcourage ist keine Bürde, es braucht keine Gewalt!“ Doch es wird auch typisches „Querdenker“-Gedankengut verbreitet wie etwa die Aussage, dass die bayerischen Corona-Regelungen „totalitär anmutend“ seien und man einen „unabhängigen Untersuchungsausschuss“ will.

„Querdenker“-Volksbegehren: Eine Million Unterschriften nötig

Nicht nur Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht „ganz eindeutig“ Mitglieder der „Querdenker“-Szene dahinter. Auch für SPD-Initiativen gegen Rechtsextremismus „Endstation rechts“ ist dies offenkundig: Auf „Querdenker“-Demos werde massiv für das Vorhaben geworben. Karl Hilz, der Vize-Beauftragte des Volksbegehrens, ist ein pensionierter Polizist und bekannter Corona-Leugner. Im bayerischen Verfassungsschutzbericht steht über ihn, er versuche, „eine systematische Störung der Funktionsfähigkeit des Staates herbeizuführen“. Und Jan-Christoph Münch, Pressesprecher des Bündnisses und ehemaliger Bundeswehroffizier, schreibt im Online-Magazin „Rubikon“, das als Plattform von Verschwörungstheoretikerinnen und Corona-Leugnern angesehen wird.

Sollten entgegen aller Erwartungen mehr als eine Million Unterschriften zusammenkommen, würde ein Volksentscheid über die Abberufung des Landtags stattfinden. Gäbe es dann erneut eine Mehrheit, würde das Parlament neu gewählt werden – etwa ein Jahr vor dem regulären Wahltermin im Herbst 2023. (Patrick Guyton)

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