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„Querdenker“-Bewegung: Erstes Bundesland lässt sie vom Verfassungsschutz beobachten

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Von: Katja Thorwarth

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In Frankfurt wollen die selbst ernannten „Querdenker“ demonstrieren. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat seine Einschätzung der Bewegung aktualisiert. 

Update vom Mittwoch, 09.12.2020, 08.50 Uhr: Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet als erstes in Deutschland die „Querdenken“-Bewegung. Wie die Presse in Stuttgart am Mittwoch erfuhr, stufte das Landesamt „Querdenken 711“ als Beobachtungsobjekt ein. Die Gruppe, die seit Monaten gegen die staatlichen Corona-Einschränkungen auf die Straße geht, radikalisiere sich und sei durch Extremisten unterwandert, hieß es in Sicherheitskreisen.

+++ 16:48 Uhr: Nicht nur in Bremen verstießen die selbsternannten „Querdenker“ gegen Demonstrationsverbote. Auch in Mannheim scherten sich die Corona-Leugner nicht um Verbote und beschäftigten damit die örtliche Polizei. In Schwerin (Samstag, 5.12.2020) und Düsseldorf (Sonntag, 6.12.2020) hingegen gingen die Verschwörungsgläubigen mit juristischem Segen auf die Straßen.

In Düsseldorf ist die Gegendemonstration deutlich größer als das Event der „Querdenker“

Immer radikaler: „Querdenker“-Bewegung könnte Fall für den Verfassungsschutz werd
Immer radikaler: „Querdenker“-Bewegung könnte Fall für den Verfassungsschutz werden © Christoph Schmidt/dpa

In Mannheim wurden ähnlich wie in Bremen Strafanzeigen an die illegal Demonstrierenden erstattet. Der Verhaltungsgerichtshof hatte die eigentlich für 200 Teilnehmer:innen genehmigte Kundgebung verboten, da die Werbung für die Versammlung dem Gericht gezeigt habe, dass die „Querdenker“ nicht bereit seien, sich an die von der Stadt verfügten Auflagen zu halten.

In Düsseldorf gingen rund 1.000 Menschen legal gegen Maßnahmen zur Eindämmung der weltweit wütenden Corona-Pandemie protestieren. Darunter laut der Nachrichtenagentur EPD „Rechte aus dem Hooligan-Spektrum“. Die Teilnehmerzahl der Gegendemonstration, zu der die Bündnisse „Düsseldorf stellt sich quer“ und Düsseldorfer Appell, bestehend aus Kirchen, Gewerkschaften und Parteien, aufgerufen hatten, lag bei 1.500. Auch in Schwerin waren einige Hundert „Querdenker“ auf verschiedenen Veranstaltungen unterwegs.

Bundesfamilienministerin Giffey will „Querdenker“ vom Verfassungsschutz beobachten lassen

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) fordert aufgrund der immer wiederkehrenden Angriffe aus der „Querdenker“-Bewegung gegen demokratische Organe und die Demokratie als solche eine Überwachung der Strukturen durch den Verfassungsschutz. Zuvor hatte schon der Verfassungsschutzpräsident von Thüringen, Stephan Kramer, von „hinreichenden Anhaltspunkten“ gesprochen, um die „Querdenker“ bundesweit als Verdachtsfall einzuschätzen.

„Querdenker“-Bewegung: 770 Strafanzeigen nach verbotener Demo in Bremen

Update vom Sonntag, 6.12.2020, 12.42 Uhr: In Bremen gab es erneut Ärger mit der „Querdenker“-Bewegung. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Samstag letztinstanzlich eine Demonstration in der Hansestadt verboten, ursprünglich hatten die Veranstalter 20.000 „Solidaritätsverweigerer“ (Claus Kleber) erwartet. Obwohl die Demonstration der Corona-Leugner höchstgerichtlich verboten worden war, versammelten sich mehrere Hundert Menschen in der unmittelbaren Umgebung des Hauptbahnhofes von Bremen. Die Bremer Polizei griff durch und sprach 900 Platzverweise aus. Gegen 770 Uneinsichtige erging Strafanzeige.

Querdenken Bremen Corona
„Querdenker“-Demonstration in Bremen: Trotz Verbot kommen mehrere Hundert „Solidaritätsverweigerer“ in die Hansestadt. © Sina Schuldt/dpa

Update vom Donnerstag, 3.12.2020, 12.25 Uhr: Der Thüringer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer sieht eine weitere Radikalisierung der „Querdenken“-Bewegung. Es lägen inzwischen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die bundesweite „Querdenken“-Bewegung als Verdachtsfall eingestuft werden könnte, sagte Kramer dem RBB. Eine abschließende Bewertung soll in Kürze im Verbund mit den anderen Landesämtern für Verfassungsschutz erfolgen. Die Einstufung als Verdachtsfall würde es dem Verfassungsschutz ermöglichen, nachrichtendienstliche Mittel bei der Beobachtung und Informationsgewinnung einzusetzen.

„Querdenker“ als Fall für den Verfassungsschutz: Eine Beobachtung immer wahrscheinlicher

Nach Aussage von Kramer sind zunehmende Radikalisierungstendenzen bei Organisatoren der „Querdenken“-Demonstrationen zu beobachten. Dazu gehöre auch ein Treffen zwischen Angehörigen der sogenannten „Reichsbürgerszene“ und führenden Organisatoren der „Querdenken“-Bewegung. Nach Einschätzung von Kramer hat es sich dabei um ein Vernetzungstreffen gehandelt, an dem mehr als hundert Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen hätten. Kramer sprach von einem „Schulterschluss“ zwischen „Querdenkern“, Corona-Leugnern und Reichsbürgern.

+++ 13.40 Uhr: Der #Medienmarsch in Berlin hat nicht die Menge an Protestieren angezogen, wie sie von den Veranstaltern erwartet worden war. Um die 70 Menschen sollen durch Berlin-Mitte gezogen sein, um den Medien „Lüge“ bezüglich ihrer Corona-Berichterstattung vorzuwerfen. Die Veranstalter hatten rund 200 Menschen für die Demonstration angemeldet. 

„Querdenker“ planen Großdemo in Berlin: Im Visier sind große Medienhäuser

Die Demonstrierenden warfen Journalistinnen und Journalisten vor, einseitig über die Corona-Pandemie zu berichten und „komplette Fehleinformationen“ zu verbreiten. Zudem werde „nur die Bundesregierung von den Medien gehört“, kritisierten Teilnehmer. Eine Rednerin forderte einen „fairen demokratischen Dialog mit Fachleuten, denen wir vertrauen“.
 

„Querdenker“ mit einem Marsch auf Medien in Berlin

Berlin - Die „Querdenker“ wollen am Mittwoch (2.12.2020) erneut in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen und die diesbezügliche Berichterstattung auf die Straße gehen. Geplant ist ein Marsch zu den Berliner Medienhäusern, der am ZDF-Hauptstadtstudio beginnen soll.

Danach wollen sie der Funke-Zentralredaktion einen Besuch abstatten, auf der Route der „Querdenker“ liegen ebenfalls die Gebäude des Berliner Tagesspiegels, das ARD-Hauptstadtstudio, der Spiegel und die TAZ. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) ordnet die Aktion als Versuch ein, die Presse einzuschüchtern. „Wer da mit läuft, tritt die Pressefreiheit mit Füßen“, heißt es auf Twitter.

In Bremen ist aktuell eine Großdemonstration der „Querdenker“ für das kommende Wochenende (5.12.2020) verboten worden. Das Risiko eines Menschenauflaufs, der sich vermutlich nicht hinreichend an Corona-Schutzmaßnahmen hält, sei zu groß.

„Querdenker“: Verfassungsschutz soll Bewegung prüfen

Derweil werden Forderungen laut, die Gruppe vom Verfassungsschutz prüfen zu lassen. Ginge es nach dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, würde die sogenannte „Querdenker“-Bewegung zum Prüffall für den Verfassungsschutz werden. „Ich würde der Meinung sein, dass ‚Querdenken‘ tatsächlich zum Prüffall für den Verfassungsschutz werden sollte“, sagte Schuster in der ARD. Auch der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, äußerte sich ähnlich.

Das, was bei den „Querdenkern“ artikuliert und gesagt werde, „geht einfach bei weitem über das hinaus, was man auch in einer Demokratie mit freier Meinungsäußerung akzeptieren soll und akzeptieren muss“, so Schuster. Der in Würzburg lebende Präsident des Zentralrates forderte darüber hinaus, das Zeigen von sogenannten Judensternen auf den Demos strafrechtlich zu verfolgen. Das seien „völlig abscheuliche Vergleiche“, die keiner ernsthaften Überlegung und Nachforschung standhielten.

„Querdenker“ aktuell nicht im Fokus des Verfassungsschutzes

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte zuvor bereits erklärt, dass der förmliche gesetzliche Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes für die „Querdenken“-Bewegung momentan nicht eröffnet sei. „Sollten in Zukunft tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen bei der ‚Querdenken‘-Bewegung oder anderen Gruppierungen vorliegen, wird der Verfassungsschutz die Beobachtung natürlich aufnehmen, und zwar unverzüglich“, sagte er dem RND.

Schuster formulierte außerdem die Sorge, dass das geplante „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“ in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden könnte. Er sorge sich, dass die jüngst beschlossenen 89 Maßnahmen mit einer neuen Legislaturperiode „in irgendeiner Schublade des deutschen Bundestages verschwinden“ könnten. „Wenn wir tatsächlich etwas gegen zunehmenden Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus tun wollen, dann gilt es, genau diese Vorschläge umzusetzen“, sagte Schuster. (ktho/epd)

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