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Pyrotechnik bald legal? Sportpolitiker für Lockerungen: „Das ist Teil einer lebendigen Ultrakultur“

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Von: Andreas Schmid

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Frankfurt-Fans zünden im Spiel gegen Neapel Pyrotechnik.
Bald legal? Frankfurt-Fans zünden im Spiel gegen Neapel Pyrotechnik. © IMAGO/Revierfoto

Fans brennen jede Woche in deutschen Stadien Pyrotechnik ab. Trotz Verbot. Die Politik begrüßt eine Legalisierung. Die sportpolitischen Sprecher der Parteien geben Auskunft. 

Berlin/Paris – Schöne Bilder und Teil der Fankultur oder gefährlich und unnötig? Pyrotechnik polarisiert. Ultras brennen in deutschen Fußballstadien Woche für Woche Feuerwerkskörper ab. Erlaubt ist das nicht, das Verbot verpufft jedoch. In Frankreich läuft es ähnlich – doch dort soll Pyrotechnik nun in Teilen legalisiert werden. In Deutschland gibt es vorsichtigen Applaus aus der Sportpolitik.

Politiker sprechen sich für legale Pyrotechnik aus: „Teil einer lebendigen Ultrakultur“

Auf Anfrage der Frankfurter Rundschau zeigen sich die sportpolitischen Sprecher der Ampel sowie der Linken offen für eine Legalisierung. „Ich halte es für sinnvoll, mittels Pilotprojekten das legale Abbrennen von Pyrotechnik in abgesteckten Grenzen zu erproben“, sagt die SPD-Politikerin Sabine Poschmann.

FDP-Kollege Philipp Hartewig findet „eine flächendeckende Lösung für den Einsatz von Pyrotechnik in Stadien überfällig“. Der sportpolitische Sprecher der Grünen, Philip Krämer, meint: „Der Einsatz von Pyrotechnik ist Teil einer lebendigen Ultrakultur“. Das müsse man zur Kenntnis nehmen und die Debatte neu führen.

Auch Linke-Mann André Hahn hat „a priori nichts gegen den Einsatz von Pyrotechnik in Fußballstadien“. Die sportpolitischen Sprecher von Union und AfD äußerten sich auf Anfrage nicht. Die CDU/CSU hat sich jedoch schon mehrfach gegen Pyrolockerungen ausgesprochen. Die AfD trat bislang ebenfalls nicht als Anwalt der aktiven Fanszenen auf.

Frankreich will Pyrotechnik in Experiment legalisieren - in Deutschland gelten andere Regeln

Die französische Politik hat jüngst ein Modellprojekt zur Entkriminalisierung auf den Weg gebracht. Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern und Rauchbomben soll unter strengen Auflagen für drei Jahre erlaubt sein. Aktionen müssen im Vorfeld angemeldet werden. Außerdem gibt es im Stadion bestimmte überwachte Bereiche. Nur hier darf gezündelt werden – von mit personenbezogenen Daten erfassten Erwachsenen samt „Qualifikationsnachweis“, wie es in dem Dekret heißt. Das soll die Sicherheit der Stadionbesucher erhöhen.

In Deutschland liegt die Verantwortung nicht nur bei der Politik. „Bundesregierung und Bundestag können nur den Rahmen vorgeben, Vereine und Fanclubs müssen auf der Grundlage die für sie passenden Maßnahmen definieren und konsequent umsetzen“, sagt Linke-Politiker Hahn. Gefragt sind neben den lokalen Behörden wie Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt auch der Deutsche Fußball-Bund sowie die Deutsche Fußball-Liga, die als Veranstalter verantwortlich sind. Die Verbände äußern sich bisher zurückhaltend. „Mir fehlt jegliche Fantasie, wie das funktionieren soll“, sagte DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke vergangenes Jahr.

Doch schon jetzt sind gewisse Modellprojekte rechtlich möglich. In Chemnitz etwa stehen seit Jahren Politik, Behörden und Verein im Austausch. 2020 erhielt der Hamburger SV eine Sondergenehmigung für eine legale Pyroaktion - und als zwei Ultras des FC Augsburg nach einem Auswärtsspiel ums Leben kamen, gedachten die Fans im nächsten Spiel mit genehmigten Bengalos. Die Ampel-Sprecher im Sportausschuss des Bundestags wollen entsprechende Bemühungen vor Ort in Zukunft unterstützen.

HSV-Fans zünden im Spiel gegen den Karlsruher SC legal Pyrotechnik.
HSV-Fans zünden im Spiel gegen den Karlsruher SC legal Pyrotechnik. Die Behörden genehmigten das Abbrennen, das die Feuerwehr begleitete. Der Versuch glückte, es gab keine Probleme. © Sudheimer/Eibner-Pressefoto/Imago

„Kalte Pyrotechnik“ als Option für eine Legalisierung?

Eine entscheidende Hürde auf dem Weg zu legaler Pyrotechnik ist der Sicherheitsaspekt. „Das unkontrollierte Abbrennen von Pyrotechnik in Fußballstadien ist gefährlich und darf keinesfalls verharmlost werden“, sagt Poschmann. In der Saison 2019/20 verletzten sich 41 Personen aufgrund von Pyro-Einsatz. Grünen-Mann Krämer sieht ebenfalls Risiken, findet diese Zahl aber überschaubar. „Gemessen an den mehr als einer Million Menschen, die durchschnittlich jeden Spieltag die Partien besuchen, ist das Verletzungsrisiko relativ gering.“

Der Linke-Politiker Hahn ist skeptisch. „Ich habe wenig Hoffnung, dass das unter den genannten Prämissen gelingt.“ Die Ampelparteien sind zuversichtlicher. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass sich Fankultur und Sicherheit nicht ausschließen müssen, sagt SPD-Politikerin Poschmann. Es müsse aber „genau geprüft werden, inwieweit die Nutzung von Pyrotechnik in einem solchen Rahmen sicher möglich ist“.

In Dänemark testeten Ultras von Bröndby Kopenhagen bereits sogenannte „kalte Pyrotechnik“. Sie erhitzt sich auf 230 statt rund 2000 Grad Celsius, dafür soll die Feinstaubbelastung höher sein. SPD, Grüne und FDP können sich eine Legalisierung von „kalter Pyrotechnik“ vorstellen. Böller oder das Abfeuern von Raketen lehnen sie ab. „So etwas hat in Stadien nichts zu suchen“, stellt Krämer klar.

Letztlich kann eine Legalisierung von Pyrotechnik ohnehin nur in Abstimmung mit den aktiven Fanszenen der Klubs gelingen. Inwiefern Ultras hier kompromissbereit sind, etwa wenn es um den Einsatz „kalter Pyrotechnik“ geht, muss sich zeigen. Fanvertretungen wie „Unsere Kurve“ begrüßen entsprechende Projekte aber: „Verhandlungen über Möglichkeiten der Legalisierung von Pyrotechnik müssen wieder aufgenommen werden“, heißt es von dem Verein. Durch den Vorstoß aus Paris erhalten diese Pläne womöglich Auftrieb.

Andreas Schmid

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