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Putins Ende: Wie ist die Nachfolge im Kreml geregelt und was passiert mit Russland?

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Von: Katja Saake

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Wer übernimmt die Macht, sollte der russische Präsident Putin plötzlich sterben? Ein gescheitertes Attentat rückt russische Nachfolgeregelungen in den Fokus.

Moskau - Anhaltende Spekulationen über Putins angeblich schlechten Gesundheitszustand und jetzt offenbar ein gescheitertes Attentat - viele fragen sich: Was würde passieren, wenn der russische Präsident plötzlich stirbt? Ein Übergangsprozedere im Falle des Todes des Staatsoberhauptes ist in der russischen Verfassung genau geregelt. Doch Experten zweifeln daran, dass es nach Putins Tod geordnet zugehen wird, vielmehr könnte es zu offenen Machtkämpfen kommen.

Putin auf einem Friedhof in Budapest 2015
Wann endet Putins Präsidentschaft? (Symbolbild) © Tamas Kovacs/ dpa

Putins Tod: Nachfolge in der russischen Verfassung geregelt

Wladimir Putin könnte noch bis 2036 im Amt bleiben - eine Verfassungsänderung im Jahr 2020 hatte ihm vier weitere Amtszeiten ermöglicht. Er könnte also 2024 und 2030 erneut als Präsident kandidieren. Angesichts von Spekulationen um Krankheiten, die Putin aus der Ferne diagnostiziert wurden (Krebs und Parkinson) und Expertenmeinungen, die mit tödlichen Attentaten gegen den russischen Präsidenten rechnen, ist das aktuell jedoch schwer vorstellbar.

Es stellt sich vielmehr die Frage, was passieren würde, wenn Putin im Amt verstirbt - sei es aufgrund von Krankheit oder eines Attentats. In der russischen Verfassung sei alles genau geregelt, erklärt Fabian Burkhardt, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung im ntv-Podcast „Wieder was gelernt“. Nach Artikel 290 der russischen Verfassung gehe die Macht übergangsweise auf den Premierminister des Landes über - derzeit Michail Mischustin. Dieser erhalte „alle Kompetenzen des Präsidenten“, so Burkhardt.

Dies beinhalte auch die Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen. Einige Ausnahmen gebe es allerdings: Der Übergangspräsident dürfe die Staatsduma nicht auflösen, kein nationales Referendum ausrufen und keine Verfassungsänderung initiieren. Innerhalb von drei Monaten müsse er Neuwahlen anordnen. Das genaue Datum der Wahl muss vom Föderationsrat, der oberen Kammer des russischen Parlaments, innerhalb der ersten zwei Wochen festgelegt werden.

Putins Tod: Offener Machtkampf zwischen den russischen Eliten

Einige Experten zweifeln jedoch daran, dass die in der russischen Verfassung festgeschriebenen Verfahren im Falle von Putins Tod eingehalten werden. Es könnte zu einem offenen Machtstreit zwischen den russischen Eliten kommen, die jeweils ihren Nachfolger durchsetzen wollen. Brian Taylor, Experte für russische Politik und Professor an der Syracuse University, betonte in einem Beitrag in der amerikanischen Politikzeitschrift Forein Affairs die Macht der russischen Eliten bei einer Nachfolger-Findung: „Für den Fall, dass Putin unerwartet stirbt oder aus dem Amt scheidet, werden Allianzen zwischen den Eliten mindestens genauso wichtig sein wie formale Regeln, um seine Nachfolge zu bestimmen“.

Für Yuri Zhukov, außerordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Universität von Michigan, gibt es unter anderem zwei Männer, die im Falle von Putins Tod versuchen könnten, seine Nachfolge anzutreten und die verfassungsrechtlichen Regelungen zu übergehen: Dmitri Medwedew und Nikolai Patruschew. Es werde darauf ankommen, welche Elitegruppe sich in einem potenziellen Machtkampf durchsetzen werde.

„Der Kreml hat viele Türme, was bedeutet, dass es mehrere rivalisierende Clans gibt, die um die Macht wetteifern. An der Spitze der Hackordnung steht ein Clan von Eliten der Sicherheitsdienste wie Patruschew und andere Leute mit KGB/FSB-Hintergrund“, sagte Zhukov gegenüber dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek. „Es gibt auch einen Clan von Putins ehemaligen Mitarbeitern aus St. Petersburg, wie Medwedew und Dmitri Kozak, die in der Regel einen juristischen Hintergrund haben.“

Dmitri Medwedew
Dmitri Medwedew © Yekaterina Shtukina/IMAGO

Machtkampf zwischen Medwedew und Patruschew nach Putins Tod

Der ehemalige russische Präsident Medwedew ist stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates - eines bei Putins Amtsantritt neu geschaffenen Gremiums, dessen verfassungsmäßige Rolle im Falle eines Überganges nicht festgelegt ist. Medwedew, dem immer wieder Machtambitionen nachgesagt werden, könnte bei Putins Tod seine Position nutzen und sich als Nachfolger positionieren. Auch der Putin-Vertraute Nikolai Patruschew könnte aktiv werden. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates gilt als Putins rechte Hand.

Rebekka Koffler, Geheimdienstexpertin und ehemalige Mitarbeiterin des amerikanischen militärischen Nachrichtendienstes DIA, bezeichnete ihn in einem Beitrag für die New York Post als „einflussreichste Person in der Kreml-Bürokratie“. Er sei politisch auf einer Linie mit Putin und würde als Nachfolger wahrscheinlich nicht gemäßigter agieren. „Beide Männer haben wahrscheinlich die Vergiftungen und Tötungen vieler russischer ‚Feinde‘ autorisiert“, so Koffler.

Krieg zwischen Privatarmeen nach Putins Tod

Auch Bild online geht im Falle von Putins Tod nicht von einem friedlichen Übergang zu einem neuen Staatspräsidenten oder demokratischen Wahlen aus und beruft sich dabei auf Experten. Putin habe alle Moderaten und Demokraten aus dem Land vertrieben oder sie verhaften lassen. Deswegen werde es zu einem möglicherweise kriegerischen Machtkampf zwischen Putins Günstlingen kommen, darunter Verteidigungsminister Sergej Schoigu, Gazprom-Chef Alexej Miller und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin.

Mit ihren Privatarmeen könnten diese versuchen, ihre Machtansprüche durchzusetzen. Auch der russische Inlandsgeheimdienst FSB, die Nationalgarde und das Militär, die unter der Kontrolle verschiedener Oligarchen stünden, würden nach Putins Tod nicht mehr zusammenarbeiten, so Bild online. Außerdem könnten Führungsfiguren in Landesteilen mit separatistischen Bestrebungen, das Vakuum nutzen, um einen eigenen Staat auszurufen. Diesen Schritt könnte auch Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow gehen. Ein Machtvakuum nach Putins Tod würde also zu offenen Machtkämpfen und weitreichenden Veränderungen in Russland führen. (kasa)

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