Irrwitziger Kulturkampf: Russland lässt Ukraine aus Schulbüchern verschwinden

In russischen Schulen gibt es neue Lehrbücher. Diese erzählen eine alternative Version der Geschichte – geprägt von der Propaganda des Kremls.
Moskau – Der russische Propagandaapparat zählt sicherlich zu den brutalsten Waffen des Kremls im Ukraine-Krieg. Durch diese kann der Krieg gegen das Nachbarland innerhalb der Bevölkerung legitimiert und die Motivation der Truppen hochgehalten werden. Der Kreml spricht dabei auch immer wieder der Ukraine ihre Daseinsberechtigung ab. Das Narrativ erreicht jetzt jedoch eine ganz neue Stufe. Berichten zufolge lässt die russische Regierung jetzt auch Geschichtsbücher umschreiben, um die historische Existenz der Ukraine zu leugnen.
Ukraine-Krieg: Verweise auf Kiew gestrichen – Russland schreibt Geschichtsbücher um
Dem regierungskritischen russischen Nachrichtenportal Mediazona liegen neue Versionen von zwei Geschichtsschulbüchern vor, die an entscheidenden Stellen abgeändert wurden. Durch die Änderungen werden Referenzen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew gestrichen.
In einem Lehrbuch für die vierte Klasse mit dem Titel „Die Welt um uns herum“ haben die Verantwortlichen Hinweise auf die Herkunft eines geistlichen Chronisten gestrichen. In einer früheren Version des Buches hieß es noch, dass das Werk „Die Geschichte der vergangenen Jahre“ von „Nestor, einem Mönch aus dem Kiewer Höhenkloster“ geschrieben worden sei. Die abgeänderte Version beschreibt den Geistlichen lediglich noch als „Mönch“ – ohne Angaben zu seiner Herkunft.
Putins Regierung schreibt Schulbücher um – und leugnet Geschichte der Ukraine
Weitere Änderungen konnte das Portal auch in einem Lehrbuch für Sechstklässler feststellen. In einer Passage über die Gründung des mittelalterlichen Großreiches Kiewer Rus, wurden dabei offenbar auch Jahreszahlen abgeändert. In einer früheren Version lautete eine Passage: „Viele Historiker betrachten 882, das Jahr, in dem Oleh Nowgorod und Kiew vereinigte, als nominelles Datum der Gründung des altrussischen Staates.“
In der neuen Version gibt es keinen Verweis auf Kiew mehr. Sie lautet nun: „Allmählich wurde die Dynastie der Fürsten, die von Rurik abstammten, zur wichtigsten. Die Gründung des Staates Rus ist mit der Einladung von Rurik nach Novgorod im Jahr 862 verbunden.“ Das Großreich Kiewer Rus wird als Vorläuferstaat angesehen, aus dem sich im Laufe der Geschichte die heutigen Staaten Russland, Belarus und die Ukraine entwickelt hatten.
„Ukraine vollständig von Russland geschaffen“: Putins spricht Kiew die Daseinsberechtigung ab
Bereits kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine hatte Russlands Präsident Wladimir Putin der Ukraine die Daseinsberechtigung als Staat abgesprochen und deren Geschichte geleugnet. „Ich beginne also mit der Tatsache, dass die moderne Ukraine vollständig von Russland geschaffen wurde, genauer gesagt vom bolschewistischen, kommunistischen Russland“, sagte Putin am Tag nach der Invasion im Februar 2022.
Der russische Staatschef hatte den Zusammenbruch der Sowjetunion als die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Mit seinen imperialistischen Bestrebungen in der Ukraine will Putin wieder an die für ihn glanzvolle Vergangenheit anschließen. Dafür braucht der Kreml-Chef auch eine Zustimmung in der russischen Bevölkerung.
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Russische Propaganda in Schule und Kindergarten – Panzerschlachten im Sandkasten
Das Bewusstsein dafür soll den Menschen in Russland deshalb bereits von Kindesbeinen an eingetrichtert werden. „Der Kreml will stärker an die jungen Menschen herankommen, um sie zu indoktrinieren“, erklärte der Politikwissenschaftler Félix Krawatzek bereits im Januar gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Der Prozess starte dabei bereits im Kindergarten. „Schlachten aus dem Zweiten Weltkrieg werden im Sandkasten mit Panzern nachgestellt“, berichtete der Experte vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien.
Das Abändern von Geschichtsbüchern und darin enthaltenen Informationen über die Ukraine scheint somit der nächste logische Schritt bei der Indoktrination der russischen Kinder und Jugendlichen. (fd)