Putin baut Militärführung um - Machtkampf in Armee setzt sich fort
Der Umbau in der russischen Armeeführung geht weiter. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin startet derweil eine neue Kampagne gegen das Verteidigungsministerium.
Moskau – Die russische Offensive im Ukraine-Krieg stagniert. Seit der Eroberung der Stadt Lyssytschansk im Sommer 2022 blieben russische Gebietsgewinne auf dem Schlachtfeld weitestgehend aus. Erst im Januar dieses Jahres gelang Russland mit der Einnahme der Kleinstadt Soledar wieder ein nennenswerter Erfolg. Den beanspruchen jedoch vor allem die Wagner-Söldner um Jewgeni Prigoschin für sich. Die Kritik an der russischen Militärführung wächst. Auch deswegen hat sich Präsident Wladimir Putin für einen Umbau in der Kommandostruktur seiner Armee entschieden. Das berichtet Merkur.de von IPPEN.Media.

Ukraine-Krieg: Nach vereitelter Verschwörung – Putin baut Militärführung weiter um
Die Umstrukturierung durch die Benennung von vier Kommandeuren für die russischen Militärbezirke in der Ukraine abgeschlossen. Bereits im Januar hatte der Kreml den Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine ausgetauscht. Sergei Surowikin, dem das Kommando erst im Herbst 2022 übertragen wurde, wurde von Putin in die zweite Reihe degradiert. Auf ihn folgte Waleri Gerassimow. Die Degradierung von Surowikin könnte Berichten zufolge mit einer gescheiterten Verschwörung zusammenhängen, an der neben Surowikin auch Wagner-Chef Prigoschin und Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow beteiligt waren.
Die Verschwörung stellte dabei wohl den Höhepunkt eines Machtkampfes im russischen Militär dar. Auf der einen Seite steht dabei das Verteidigungsministerium um Sergei Schoigu. Auf der anderen Seite Kadyrow und Prigoschin, die sich mehr Einfluss im russischen Militär erarbeiten wollten. Mit Spannung erwartet wurde deshalb auch die Benennung der neuen Kommandeure für die Militärbezirke in der Ukraine. Diese könnten als Fingerzeig auf den Verlauf des Machtkampfs angesehen werden.
Prigoschin gegen Schoigu: Putin besänftigt im Machtkampf in Moskau
Wie die US-Experten vom Thinktank „Institute for the Study of War“ (ISW) in ihrem Lagebericht am Samstag analysiert haben, hat man sich dabei für eine neutrale Lösung entschieden: „Der Kreml hat wahrscheinlich relativ neutrale Persönlichkeiten im Kampf zwischen dem Wagner-PMC-Finanzier Jewgeni Prigoschin und dem Verteidigungsministerium in diese Positionen berufen, um beide Parteien zu besänftigen“, so das ISW.
Wie die Militär-Experten weiter analysiert haben, dürften die vier neuen Bezirkskommandeure dazu dienen, um bei weiteren militärischen Niederlagen als Sündenböcke zu dienen und die Verantwortung von Schoigu und Gerassimow abzunehmen. Diese sollen durch den Schritt vor zunehmender Kritik bewahrt werden. Dafür spricht auch die klare Festlegung von Militärbezirken und die Benennung der Kommandeure, die für diese verantwortlich sind.
„Die Formalisierung von Militärbezirkskommandanten geht auch mit dem wahrscheinlichen Versuch des Verteidigungsministeriums einher, klarere Verantwortungsbereiche für jeden Militärbezirk in der Ukraine abzugrenzen“, so die ISW-Experten. Bei militärischen Fehlschlägen in den jeweiligen Gebieten stünde so immer ein Kommandeur parat, der die Verantwortung für mögliche Niederlagen auf sich nehmen könne.
„Putins Koch“ teilt weiter gegen das Verteidigungsministerium aus
Obwohl Putin sich durch die Benennung der Kommandeure um eine Besänftigung im Konflikt zwischen Prigoschin und Schoigu bemüht hatte, scheint der Wagner-Chef weiter Stimmung gegen das russische Verteidigungsministerium zu machen. „Prigoschin scheint seine Informationskampagne gegen das Verteidigungsministerium zu intensivieren und erklärte am 18. Februar, dass die Wagner-Gruppe dem Verteidigungsministerium nicht unterstellt sei und ‚nichts mit der russischen Armee zu tun hat‘“, berichtet das ISW im Lagebericht vom 18. Februar.
Dabei hatte „Putins Koch“ wohl erneut auf die Unterstützung von Kadyrow gehofft. So hatte Prigoschin in dieser Woche unter anderem öffentlich wirksam verwundete Soldaten der Division Kadyrowzy besucht. Der Tschetschenenführer stellte sich zuletzt jedoch deutlich auf die Seite des Verteidigungsministeriums. Am Freitag bekräftigte Kadyrow, dass tschetschenische Truppen den Befehlen aller vom russischen Präsidenten Wladimir Putin ernannten Kommandeure folgen werden und dass tschetschenische Kampfoffiziere eine ausgezeichnete, gut koordinierte Beziehung zum Verteidigungsministerium hätten.
Kadyrow wendet sich wohl von Prigoschin ab – verliert der Wagner-Chef einen Verbündeten?
Die ISW-Experten sehen in den Aussagen eine Abkehr Kadyrows von Prigoschin hin zum Kreml. „Er weigerte sich wahrscheinlich, sich Prigoschins erneutem Informationsangriff gegen das Verteidigungsministerium anzuschließen, weil seine formellen Verbindungen zum Kreml und seine Position in der russischen Regierung vorteilhafter sind, als jede politische Beziehung zu Prigoschin es sein könnte“, so die ISW-Analyse.
Sollte der Wagner-Chef nun auch die Unterstützung von Kadyrow verlieren, könnte seine Machtposition im Dunstkreis des Kremls weiter leiden. Der russische Menschenrechtsaktivist und Dissident Wladimir Osechkin äußerte zuletzt die Einschätzung, dass Prigoschin nicht nur um seine Macht, sondern sogar um sein Leben fürchten müsse. „Für Prigoschin wäre es ein großes Glück, wenn er das Tribunal über sich noch erleben würde“, sagte Osechkin. (fd)