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Funksprüche abgefangen: Waren Russlands „Geisterschiffe“ an Nord Stream 2 zugange?

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Von: Florian Naumann

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Wladimir Putin Ende Juli 2022 bei einer Marine-Parade in St. Petersburg.
Wladimir Putin Ende Juli 2022 bei einer Marine-Parade in St. Petersburg. © IMAGO/Mikhail Klimentyev/Kremlin Pool

Wer sprengte die Nord-Stream-2-Pipeline? Noch gibt es keine Antwort. Skandinavische Medien präsentieren nun aber brisante Daten.

Kopenhagen/München - Skandinavische Rundfunksender haben am Mittwoch (3. Mai) neue Enthüllungen rund um Russlands „Schattenkrieg“ vorgelegt - „Schattenkrieg“ lautet der Titel einer Doku-Serie aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland. Die neuen Recherchen haben es in sich: Laut Funkdaten sollen über Monate hinweg russische Schiffe mit Potenzial für Unterwasser-Operationen in der Nähe der Sprengungsorte an den Nord-Stream-Pipelines aufgehalten haben.

Die Schiffe hätten sich teils mehrere Stunden und in einem Fall gar fast einen Tag lang in der Nähe der Havarie-Stellen aufgehalten, schreibt etwa der Sender Danmarks Radio (DR) auf seiner Homepage. Ein Schiff habe sich lediglich fünf Tage vor den Nord-Stream-Explosionen im September 2022 über Nacht an einer der Positionen aufgehalten - und sei danach nach Russland zurückgekehrt, heißt es dort.

Nord-Stream-Rätsel: Verschwörungstheorien sprießen - Nordische Medien präsentieren Funkspruchdaten

Unter anderem schwedische Behörden ermitteln seit Monaten in dem Fall. Bislang offenbar ergebnislos. Hohe Wellen hatte hingegen die These eines US-Journalisten geschlagen - Seymour Hersh machte eine Kooperation zwischen den USA und Norwegen hinter den Explosionen aus. Er berief sich dabei auf einen einzelnen anonymen Informanten. Später kursierte auch die These, eine ukrainische Sabotage-Gruppe könne die Sprengungen durchgeführt haben. Wladimir Putin beschuldigte „die Angelsachsen“, also die USA und Großbritannien, der Tat: Der Fall Nord Stream gerät längst zur Spielwiese für Verschwörungstheoretiker.

Neue Erkenntnisse wollen DR und Co. nun aber aus Funksprüchen mehrerer russischer Schiffe erhalten haben. Abgefangen habe sie ein früherer britischer Geheimdienst-Mann, berichten die skandinavischen Medien. Dem nicht namentlich genannten Mann zufolge liefen die Funksignale über eine militärisch genutzte Frequenz an eine russische Flottenbasis. Sie deuten auf möglicherweise belastende Bewegungsmuster einschlägig ausgerüsteter Schiffe der Russischen Föderation.

Russlands Schiffe kurz vor der Sprengung bei Nord Stream unterwegs?

Es geht um Fahrten im Juni und September 2022, ausgehend von Sankt Petersburg und Kaliningrad. Satellitenbilder der norwegischen Firma KSAT stärkten die These über die vermutlichen Bewegungsrouten der Schiffe, heißt es in der Recherche. Keine direkten Aufschlüsse hätten die Daten aber über die Mission der Flotte gegeben.

Die Journalisten und Experten konnten dem Bericht zufolge auch nicht alle der Schiffe identifizieren. Involviert war aber angeblich die „Sibirjakow“ - sie kann laut dem Kopenhagener Militäranalyst Jens Wenzel Kristoffersen den Meeresgrund scannen und auch Gegenstände dorthin herablassen.

Sie war den Recherchen zufolge bereits am 14. und 15. Juni 2022 in der Nähe der Sprengungsorte unterwegs. Damals hielt die Nato gerade das Manöver „Baltops 22“ in der Ostsee ab - offen zugänglichen Daten zufolge sei aber kein Schiff der Militärallianz nahe genug am Ort gewesen, um die Handlungen zu observieren, schreibt DR. Hersh hatte „Baltops“ als eine Tarnmission ins Visier genommen.

Russland und die Nord-Stream-Explosionen: Schiffe mit Spezialfähigkeiten vor Ort - auch kurz vor der Tat

Fünf Tage vor den Nordstream-Explosionen sei schließlich der Schlepper „SB-123“ am Tatort gewesen. Er kann laut Wenzel Kristoffersen unter anderem Gegenstände vom Meeresgrund bergen. Seine Gegenwart könnte „gut ein Indiz sein, dass am Meeresboden etwas vor sich ging“, urteilte der Experte. Auch deutsche Daten hatten das Schiff dort am 21. und 22. September verortet. Den neuen Funkdaten zufolge ist „SB-123“ von 20 Uhr bis 14 Uhr des Folgetages in dem Gebiet gewesen.

Die dänische Marine hatte schon im April bestätigt, dass das Patrouillenboot „Nymfen“ am 22. September 2022 mehr als 100 Bilder von russischen Schiffen im späteren Sprengungsgebiet lieferte. Auch ein mit Mini-U-Boot ausgerüstetes Schiff namens SS-750 sei abgelichtet worden.

Putins „Geisterflotte“: „Operationen unter der Meeresoberfläche“ - keine finalen Schlüsse für Nord Stream

Bei den Schiffen habe es sich nicht um zivile Fahrzeuge gehandelt, betonte der dänische Marine-Offizier Johannes Riber. „Das sind Schiffe aus dem Besitz der Russischen Föderation, die unterwegs waren, um etwas zu unternehmen, bei dem es sich jedenfalls nicht um Wartungsarbeiten handelt“, urteilte er.

Auch bei den fraglichen Meeresfahrzeugen habe es sich durchweg um „Geisterschiffe“ gehandelt, schreibt DR: Sie seien ohne das eigentlich obligatorische AIS-Sendesignal unterwegs gewesen. Bereits Mitte April hatten die Sender die Bewegungen einer russischen „Geisterflotte“ publik gemacht.

Wenzel Kristoffersen hielt im Gespräch mit DR einen Zusammenhang mit den Explosionen für möglich - wollte aber keine endgültigen Schlüsse ziehen. Die Daten deuteten darauf hin, dass es „Operationen unter der Meeresoberfläche“ gegeben habe, erklärte er. Die Zusammensetzung der eingesetzten Flotte und ihre genauen Positionen könnten auf eine Verbindung mit den Sprengungen hinweisen. Sicher lasse sich das aber nicht sagen, fügte Wenzel Kristoffersen hinzu. (fn)

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