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Prozess um Tankstellen-Mord: Kein Geständnis wegen Bürokratie

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Von: Joachim F. Tornau

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Der Angeklagte wird in Handschellen in den Gerichtssaal gebracht. Foto: Boris Roessler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Angeklagte wird in Handschellen in den Gerichtssaal gebracht. © dpa

Corona-Leugner Mario N. steht wegen der mutmaßlichen Ermordung eines Tankstellenkassierers vor Gericht. Ein Geständnis ist angekündigt, doch ein Versäumnis kommt dazwischen.

Den Mund-Nasen-Schutz trägt Mario N. nur, solange der ihn vor den Fernsehkameras und Fotoapparaten schützt, die ihn am Montagmorgen im größten Sitzungssaal des Bad Kreuznacher Landgerichts umlagern. Als die Verhandlung beginnt und der 50-Jährige seinen Namen nennen soll, zieht er die FFP2-Maske herunter. Er wird sie danach nicht wieder aufsetzen.

Es ist seine erste, noch wortlose Aussage. Denn in diesem Prozess geht es um die Ablehnung, die Mario N. den Anti-Corona-Maßnahmen entgegenbringt. Und in die er sich so sehr hineingesteigert haben soll, dass er zum Mörder wurde. So sieht es die Staatsanwaltschaft, die den Selbstständigen wegen heimtückischen Mordes aus niederen Beweggründen anklagt: Am Abend des 18. September 2021 habe Mario N. in seinem Heimatort den 20-jährigen Tankstellenkassierer Alexander W. erschossen, weil der ihm ohne Maske kein Bier habe verkaufen wollen.

„Er beschloss, ein Zeichen zu setzen“, trägt Oberstaatsanwältin Nicole Frohn vor. Ein Zeichen gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, durch die er sich „belastet“ gefühlt habe. „Da er an die verantwortlichen Politiker nicht herankommen würde, beschloss er, den Tankstellenmitarbeiter zu töten, den er als mitverantwortlich ansah.“

Alexander W. habe den Angeklagten zuvor weggeschickt, als der seine in der Hosentasche steckende Maske partout nicht habe aufsetzen wollen. Anderthalb Stunden später sei der Angeklagte wiedergekommen, mit einem Revolver, den er ebenso wie eine weitere Waffe illegal besessen haben soll. Er habe seinem Opfer mitten ins Gesicht geschossen. Alexander W., ein 20-Jähriger, der jobbte, um Geld für seinen Führerschein zu verdienen, war sofort tot.

Seine Mutter tritt in dem Verfahren als Nebenklägerin auf. Unablässig um Fassung ringend sitzt sie dem Mann gegenüber, der ihren Sohn ermordet haben soll. Einem gepflegt wirkenden Mann mit leicht ergrautem Haar. Selbstbewusst klingt er und nicht eben kleinlaut. Doch wenn man seinem Anwalt Alexander Klein glaubt, dann bereut Mario N., was er getan hat. „Er ist selbst erschüttert, dass er die Tat begehen konnte“, sagt der Verteidiger nach der Verhandlung und kündigt ein Geständnis an.

Eigentlich hatte es dieses Geständnis schon zum Prozessbeginn geben sollen, seine Anwälte hatten es fertig formuliert dabei. Dass es anders kommt, liegt an einem Versäumnis der Justiz: Erst nach dem Verlesen der Anklage erfährt die Verteidigung von ergänzenden Ermittlungen, die die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz bereits vor Monaten angestoßen hat. Und auch eine kriminalpsychologische Bewertung, die schon seit Dezember fertig ist, wird ihnen erst jetzt übergeben. „Ärgerlich“ nennt das Alexander Klein. Ohne diese neuen Akten zu kennen, könne sich ihr Mandant nicht äußern. Das Geständnis muss vertagt werden.

Die zusätzlichen Ermittlungen drehten sich darum. inwiefern Mario N. Verbindungen zur organisierten „Querdenker“-Szene hatte. In seinen Chats, die rund 1200 Aktenseiten füllen, fänden sich „Hinweise auf extremistisches Gedankengut und Verschwörungstheorien“, heißt es. Aber keine Aufrufe, keine Bekenntnisse zu Gewalt.

Wie Mario N. jenseits von Corona politisch ticken dürfte, zeigt ein Twitter-Account, der ihm laut Medienrecherchen zugeordnet werden kann: Hetzend gegen geflüchtete Menschen, Klimaschutz und Medien.

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